zum Hauptinhalt

Schuldenkrise: Griechenlands Hürdenlauf zur Rettung

Nach der gewonnenen Vertrauensabstimmung fährt der griechische Premier Papandreou nun zum EU-Gipfel nach Brüssel. Welche Hürden Griechenland und die Euro-Länder als Nächstes nehmen müssen.

HÜRDE 1

EU-Gipfel, 23. /24. Juni 2011

Beim Treffen der Staats- und Regierungschefs an diesem Donnerstag und Freitag in Brüssel sind keine Entscheidungen für das weitere operative Vorgehen der EU-Staaten in der Griechenland-Krise fällig, wie Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch vor dem EU-Ausschuss des Bundestages erklärte. Es dürfte aber zu einer Diskussion über eine vorzeitige Auszahlung des Betrages von einer Milliarde Euro aus EU-Fördermitteln an Athen kommen, wie sie EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso ins Gespräch gebracht hat. Die EU-Staaten würden so ein Zeichen setzen, dass sie Griechenland nicht hängen lassen, auch wenn die endgültigen Entscheidungen über die Zahlung weiterer Milliarden auf EU-Ebene erst am Ende der kommenden Woche fallen – immer vorausgesetzt, dass im griechischen Parlament bis dahin eine Mehrheit für das nächste Spar- und Privatisierungspaket der Regierung von Giorgos Papandreou in Höhe von 78 Milliarden Euro zustande kommt.

Zudem ist zu erwarten, dass die Staats- und Regierungschefs, die zur konservativen Parteienfamilie der Europäischen Volkspartei (EVP) gehören, bei ihrem Treffen unmittelbar vor dem Brüsseler Gipfel den griechischen Oppositionsführer Antonis Samaras ins Gebet nehmen werden. Auch Merkel werde Samaras wohl „ihre Sicht der Dinge“ nahe bringen, hieß es aus Berliner Regierungskreisen. Schließlich wünscht sich der Internationale Währungsfonds (IWF), dass langfristige Hilfsprogramme in den Empfängerländern von einem parteiübergreifenden Konsens getragen werden. Bislang lehnt Samaras, der Vorsitzende der oppositionellen Nea Dimokratia, aber eine Mitwirkung an Papandreous Sparpaket ab. ame

HÜRDE 2: Abstimmung, Ende Juni 2011

HÜRDE 3: Zweites Hilfspaket, 3. Juli 2011

HÜRDE 4: Deutsche Zustimmung, ab Juli 2011

HÜRDE 5: Neue Kredite, ab 2012

HÜRDE 6: Rettungsschirm, ab 2013

HÜRDE 7: Sparen, bis 2015

HÜRDE 2

Abstimmung, Ende Juni 2011

Aufatmen kann der griechische Premierminister Giorgos Papandreou nach der gewonnenen Vertrauensabstimmung noch nicht wirklich: Kommende Woche muss er das umstrittene neue Sparpaket, das am Mittwochabend schon einmal von seinem Kabinett beschlossen wurde, durchs Parlament bringen. Nur dann kann Athen mit weiteren Hilfskrediten der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) rechnen. Mit der Unterstützung der konservativen Opposition kann Papandreou bei seinen Konsolidierungsbemühungen nicht rechnen. „Ihr Sparprogramm führt nirgendwo hin“, warf der Oppositionsführer Antonis Samaras der Regierung vor, „die Medizin ist gefährlicher als die Krankheit“. Vergangene Woche war Papandreou mit dem Versuch gescheitert, mit den Konservativen eine große Koalition zu bilden. Aber auch in den Reihen der sozialistischen Regierungspartei sind das Sparkonzept und die Privatisierungspläne umstritten. Und das Volk ist ohnehin sauer: Während der Vertrauensabstimmung protestierten rund 15 000 Menschen vor dem Parlamentsgebäude. Die parlamentarische Abstimmung über das Paket, die Ende kommender Woche stattfinden soll, wird zur entscheidenden Kraftprobe für die Regierung Papandreou – und zu einem Schicksalsvotum für Griechenland und den Euro. öhl

HÜRDE 1: EU-Gipfel, 23. /24. Juni 2011

HÜRDE 3: Zweites Hilfspaket, 3. Juli 2011

HÜRDE 4: Deutsche Zustimmung, ab Juli 2011

HÜRDE 5: Neue Kredite, ab 2012

HÜRDE 6: Rettungsschirm, ab 2013

HÜRDE 7: Sparen, bis 2015

HÜRDE 3

Zweites Hilfspaket, 3. Juli 2011

Wenn das griechische Parlament das neue Spar- und Privatisierungspaket beschlossen hat, können auch die Finanzminister der Euro-Zone bei ihrer Sondersitzung am 3. Juli die nächste Tranche in Höhe von zwölf Milliarden Euro aus dem im vergangenen Jahr geschnürten Hilfspaket der Europäer und des Internationalen Währungsfonds (IWF) freigeben. Bei dem Treffen soll auch das zweite Hilfspaket für Griechenland „in seinen Grundzügen“ verabschiedet werden, wie Merkel am Mittwoch im Bundestag erläuterte. Im Gespräch sind Hilfszahlungen in Höhe von insgesamt 120 Milliarden Euro, mit denen die Griechen bis 2014 über Wasser gehalten werden sollen. Unklar ist weiterhin, in welchem Umfang sich private Gläubiger am zweiten Rettungspaket beteiligen. Deutschland bemühe sich um eine private Gläubigerbeteiligung, hieß es am Mittwoch lediglich aus Regierungskreisen zu den laufenden Gesprächen mit Banken und Versicherungen. Kanzlerin Merkel dämpfte allerdings die Erwartungen mit Blick auf den Beitrag der Privatgläubiger. Deutschland nehme mit der Forderung, die Privatgläubiger substanziell zu beteiligen, eine „Außenseiterposition“ im Kreis der EU-Staaten ein, sagte sie. Bislang haben nur Finnland und die Niederlande eine ähnliche deutliche Forderung nach einem quantifizierbaren Anteil von Banken, Versicherungen und Rentenfonds erhoben. Immerhin hat sich Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy im Grundsatz dazu bereit erklärt, dass Privatgläubiger freiwillig beteiligt werden. ame

HÜRDE 1: EU-Gipfel, 23. /24. Juni 2011

HÜRDE 2: Abstimmung, Ende Juni 2011

HÜRDE 4: Deutsche Zustimmung, ab Juli 2011

HÜRDE 5: Neue Kredite, ab 2012

HÜRDE 6: Rettungsschirm, ab 2013

HÜRDE 7: Sparen, bis 2015

HÜRDE 4

Deutsche Zustimmung, ab Juli 2011

Läuft alles nach Plan, hätte der Bundestag nach den Worten von Kanzlerin Merkel die Möglichkeit, in der Sitzungswoche vom 4. bis 8. Juli über das zweite Hellas-Hilfspaket abzustimmen. Der Bundestag wird das Hilfspaket vor allem daran messen, inwieweit Privatgläubiger in die Griechenland-Rettung eingebunden werden.

Erst nach der Sommerpause wird der Bundestag über den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM debattieren. Der ESM soll ab 2013 jenen Hilfsfonds namens EFSF ablösen, der im vergangenen Jahr wenige Monate nach Beginn der Griechenland-Krise in aller Eile von den Euro-Staaten ins Werk gesetzt wurde. Die Abstimmung des Bundestages über den dauerhaften Euro-Rettungsschirm, die bis spätestens Ende des Jahres erfolgt sein sollte, gilt als Merkels eigentliche europapolitische Nagelprobe in Deutschland – vor allem deshalb, weil das Parlament in den ESM-Gesetzen seine Mitspracherechte bei der Vergabe von Hilfszahlungen an kriselnde Euro-Staaten festschreiben will. Außerdem dringt vor allem Merkels liberaler Koalitionspartner darauf, dass auch im Rahmen des ESM Privatgläubiger bei künftigen Rettungsaktionen in die Pflicht genommen werden. Erst wenn die entsprechenden Klauseln ausverhandelt sind, sei eine Ratifizierung des ESM-Vertrages denkbar, sagte am Mittwoch Michael Link, der europapolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag. ame

HÜRDE 1: EU-Gipfel, 23. /24. Juni 2011

HÜRDE 2: Abstimmung, Ende Juni 2011

HÜRDE 3: Zweites Hilfspaket, 3. Juli 2011

HÜRDE 5: Neue Kredite, ab 2012

HÜRDE 6: Rettungsschirm, ab 2013

HÜRDE 7: Sparen, bis 2015

HÜRDE 5

Neue Kredite, ab 2012

Eigentlich sollte sich Griechenland ab 2012 aus eigener Kraft neue Kredite beschaffen. Doch schon seit Wochen ist klar, dass dies allenfalls ein Wunschtraum der übrigen Mitglieder der Eurozone gewesen ist. Allein im kommenden Jahr laufen Staatspapiere über fast 34 Milliarden Euro aus – dieses Geld müsste sich Athen neu beschaffen. Doch die Finanzmärkte verlangen hohe Risikoaufschläge. Die griechische Regierung hat es nicht geschafft, das Haushaltsdefizit nennenswert zu senken. Im Gegenteil, das Statistikamt Eurostat rechnet mit einem Anstieg auf bis zu 166 Prozent der Wirtschaftsleistung. Nach einem kraftvollen Anfang im Sommer 2010 sei die Umsetzung des Sparprogramms in den vergangenen Quartalen zum Stillstand gekommen, stellte die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) in ihrem jüngsten Bericht fest. Hinzu kam die Rezession, sie scheine „etwas tiefer und länger auszufallen als anfangs angenommen“, schreiben die Experten. Um viereinhalb Prozent schrumpfte die Wirtschaft im vergangenen Jahr, vor allem wegen der Binnennachfrage. Nun soll es allmählich besser werden – „im Laufe dieses Jahres“ werde sich die Wirtschaft stabilisieren, heißt es bei der Troika. Das wahre Problem seien aber die verkrusteten Strukturen in Griechenland, sagt IWF-Chef John Lipsky. Es fehle an Wettbewerbsfähigkeit, das Steuersystem sei mangelhaft, und am Binnenmarkt nehme das Land wegen seiner Isolation nur „theoretisch“ teil. brö

HÜRDE 1: EU-Gipfel, 23. /24. Juni 2011

HÜRDE 2: Abstimmung, Ende Juni 2011

HÜRDE 3: Zweites Hilfspaket, 3. Juli 2011

HÜRDE 4: Deutsche Zustimmung, ab Juli 2011

HÜRDE 6: Rettungsschirm, ab 2013

HÜRDE 7: Sparen, bis 2015

HÜRDE 6

Rettungsschirm, ab 2013

Wenn das Ratifizierungsverfahren in den beteiligten EU-Staaten abgeschlossen ist, kann ab Mitte 2013 der dauerhafte Rettungsschirm aufgespannt werden. Er soll über eine Kapitalbasis von 700 Milliarden Euro verfügen und auch in Zukunft marode Euro-Staaten vor einer Pleitegefahr schützen. Deutschland soll nach gegenwärtigem Stand eine Bareinlage von knapp 22 Milliarden Euro zum ESM beisteuern und für Garantien von rund 168 Milliarden Euro geradestehen. Berlin muss die Bareinlage in jährlichen Tranchen von rund 4,3 Milliarden Euro zwischen 2013 und 2017 in den neuen Krisenfonds einzahlen. Der dauerhafte Rettungsschirm dürfte auch für Griechenland zum Tragen kommen, weil ein zweites Hilfspaket für Athen ab 2013 vom ESM übernommen würde. Damit der dauerhafte Krisenfonds seinen Vorläufer EFSF ablösen kann, ist eine begrenzte Änderung des EU-Vertrages von Lissabon nötig. Der Neuregelung zufolge dürfen Gelder aus dem ESM nur dann eingesetzt werden, wenn die europäische Gemeinschaftswährung als Ganzes von der Schieflage eines einzelnen Mitgliedstaates bedroht ist. Im vergangenen Dezember hatte die Bundesregierung im Kreis der EU-Staaten durchgesetzt, dass der Lissabon-Vertrag entsprechend geändert werden soll. ame

HÜRDE 1: EU-Gipfel, 23. /24. Juni 2011

HÜRDE 2: Abstimmung, Ende Juni 2011

HÜRDE 3: Zweites Hilfspaket, 3. Juli 2011

HÜRDE 4: Deutsche Zustimmung, ab Juli 2011

HÜRDE 5: Neue Kredite, ab 2012

HÜRDE 7: Sparen, bis 2015

HÜRDE 7

Sparen, bis 2015

Die Größenordnung ist enorm: Um fast 13 Prozent der Wirtschaftsleistung soll Griechenland sein Defizit bis 2015 senken – das entspricht einer Sparsumme von 28 Milliarden Euro, die der neue Finanzminister Evangelos Venizelos über die Jahre zusammenkratzen muss. Im Vergleich: Wollte Deutschland prozentual genauso sparen, wären das etwa 400 Milliarden Euro.

Bei den Renten gab es bereits Einschnitte, nun stehen vor allem Steuererhöhungen und Gehaltskürzungen bei Beamten an. Hinzu kommt ein Privatisierungsprogramm, das insgesamt 50 Milliarden Euro einbringen soll. Zahlreiche Unternehmen und Häfen sind derzeit noch im Besitz des Staates, 17 Prozent der Beschäftigten stehen im Dienst der öffentlichen Hand. Allerdings dürfte es nicht einfach werden, binnen so kurzer Zeit einen großen Teil des Staatsbesitzes loszuschlagen.

Vier Jahre lang müsste alle zehn Tage eine Firma verkauft werden, haben Ökonomen errechnet. Doch gibt es eine Alternative? „Nein“, sagt Torge Middendorf von der WestLB. Auch ohne die Zinszahlungen hätten die Ausgaben Athens im vergangenen Jahr über den Einnahmen gelegen – um einen Betrag, der fünf Prozent der Wirtschaftsleistung entspricht.

Ohne Hilfe von außen wäre Griechenland längst pleite, denn eine rasche Kürzung der Ausgaben in einer solchen Größenordnung erscheint kaum machbar. Ob das neue Hilfspaket über 120 Milliarden Euro in den kommenden Jahren ausreicht, ist nicht sicher: Erlahmen die Weltwirtschaft oder der Sparwille der Griechen, muss das Paket womöglich noch einmal aufgestockt werden. brö

HÜRDE 1: EU-Gipfel, 23. /24. Juni 2011

HÜRDE 2: Abstimmung, Ende Juni 2011

HÜRDE 3: Zweites Hilfspaket, 3. Juli 2011

HÜRDE 4: Deutsche Zustimmung, ab Juli 2011

HÜRDE 5: Neue Kredite, ab 2012

HÜRDE 6: Rettungsschirm, ab 2013

Zur Startseite