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Größerer Rettungsschirm: "Wenn der Markt 70 will, gib ihm 100"

Die OECD fordert neben einem größeren Rettungsschirm interne Reformen der EU.

Brüssel - Der Club der Industriestaaten bewertet die Entwicklung in Europa etwas positiver als die Europäer selbst. Während die EU-Kommission für den Euroraum für das laufende Jahr einen leichten Wirtschaftsabschwung um 0,3 Prozent prognostiziert, sagt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ein geringes Wachstum von 0,2 Prozent voraus.

Dies geht aus der Konjunkturprognose hervor, die OECD-Generalsekretär Angel Gurria am Dienstag in Brüssel präsentierte. Seine Organisation sieht einen deutlichen Rückgang der Preissteigerung von zuletzt 2,6 Prozent auf 1,6 Prozent Inflation in diesem und 1,2 Prozent im kommenden Jahr.

„Der Druck hat nachgelassen“, sagte der Mexikaner unter Hinweis auf das Eingreifen der Europäischen Zentralbank, die Unterzeichnung des Fiskalpaktes und die gelungene Griechenland-Umschuldung. Dennoch mahnte Gurria, es habe „schon mehrfach eine Beruhigung der Lage gegeben und dann kam die Krise doch zurück“.

Die OECD fordert daher von der EU weitere Schritte zur Eindämmung der Krise. Im Vorfeld der Sitzung der Euro-Finanzminister an diesem Freitag sagte Gurria, man erwarte, „dass die Europäer ihre Probleme selbst lösen“, und forderte eine Aufstockung des Ausleihvolumens des Euro-Rettungsschirmes auf eine Billion Euro, um gegen die Gemeinschaftswährung spekulierende Marktteilnehmer von der Entschlossenheit der EU zu überzeugen. Sie brauche „die Mutter aller Brandmauern“. Darauf angesprochen, dass in der Eurogruppe derzeit eine vorübergehende Zusammenlegung des jetzigen Krisenfonds EFSF mit seinem für Juli vorgesehenen Nachfolger ESM im Gespräch sei, was das verfügbare Volumen auf 740 Milliarden Euro steigern würde, riet der OECD-Chef: „Wenn man mit Märkten zu tun hat, sollte man lieber über das Ziel hinausschießen. Wenn die Märkte 50 erwarten oder 70 verlangen – dann gib ihnen 100.“ Die Bundesregierung hat eine Aufstockung lange abgelehnt, ist nun aber bereit, die beiden Rettungsfonds EFSF und ESM für eine Übergangszeit parallel laufen zu lassen. Je nach Rechenmodell kommt dadurch ein Gesamtvolumen von 700 bis 940 Milliarden Euro zusammen.

Zu den „noch fehlenden Zutaten für eine Konjunkturerholung“ gehören Gurria zufolge auch weitere Reformen in der EU und ihren Mitgliedstaaten. Da laut dem OECD-Bericht „der Sparkurs ziemlich sicher negative Auswirkungen auf die Nachfrage haben wird“, im Vergleich zu 2009 allerdings „ein viel begrenzterer Spielraum für politische Stimuli“ vorhanden ist, muss zukünftiges Wachstum der Organisation zufolge von Strukturreformen wie „verbesserten Steuersystemen, effizienteren öffentlichen Ausgaben“ kommen. Dabei, so die OECD-Experten, müssten sich die Krisenstaaten wie Griechenland, Portugal, Irland, Spanien oder Italien strikt an die vereinbarten Sparvorgaben halten, um das langsam zurückkehrende Vertrauen nicht gleich wieder zu verspielen. Dagegen könnten für „Länder mit einigem haushaltspolitischen Spielraum wie Finnland, Deutschland und den Niederlanden die Geschwindigkeit der geplanten Konsolidierung vorübergehend verringert werden“.

In Sachen Wachstum setzt die OECD große Hoffnung auf eine verstärkte Mobilität der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union, da derzeit nur drei Prozent der EU-Bürger in einem EU- Staat leben, der nicht ihr Geburtsland ist. Zentraler Reformgegenstand aber müsse der EU-Binnenmarkt sein, der in diesem Jahr sein 20. Jubiläum feiert. „Das ist ein unfertiges Projekt“, sagte Gurria.

EU-Währungskommissar Olli Rehn kündigte in diesem Zusammenhang an, dass seine Brüsseler Behörde schon bald weitere Vorschläge auf den Tisch legen werde, um verbliebene grenzüberschreitende Handelshemmnisse in Europa abzubauen. Wie jetzt von der OECD vorgeschlagen, solle es „jährliche Umsetzungsberichte für jedes einzelne Mitgliedsland geben“. Es gibt da, so Gurria, „viel brachliegendes Potenzial“.

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