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Künftig ein Verbund: Air Berlin und Tuifly.

© dpa

Großaktionäre Etihad und Tui: Air Berlin und Tuifly sollen gemeinsam fliegen

Etihad und Tui wollen Air Berlin und Tuifly verbinden. Ziel ist ein touristischer Verbund. Der Umbau könnte zahlreiche Arbeitsplätze kosten. Mitarbeiter protestieren, Flüge fallen aus. Eine Übersicht.

Die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft Air Berlin setzt ihren Schrumpfkurs fort. Das Unternehmen bestätigte am Mittwoch Gespräche seines Großaktionärs Etihad Airways mit Tui über die Gründung eines neuen, touristischen Airline-Verbunds in Europa. Entsprechende Spekulationen hatten sich bereits in den vergangenen Tagen verdichtet.

Beabsichtigt sei, 41 Boeing-Maschinen von Tuifly, von denen 14 für Air Berlin betrieben werden, und den touristisch eingesetzten Flottenteil von Air Berlin (35 Maschinen) in einen Verbund mit Etihad zu bringen. Etihad ist mit 29,21 Prozent der größte Anteilseigner der wirtschaftlich schwer angeschlagenen Airline. Erst in der vergangenen Woche hatte Air Berlin mitgeteilt, dass vorbehaltlich der kartellrechtlichen Genehmigung bis zu 40 Flugzeuge samt Besatzungen für sechs Jahre an die konkurrierende Lufthansa-Gruppe verleast werden. Dort sollen sie überwiegend bei der Lufthansa-Billigtochter Eurowings zum Einsatz kommen. Die Kernflotte von Air Berlin halbiert sich mit den beiden Deals auf 75 Jets, die auf den Verbindungen ab Berlin und Düsseldorf sowie auf den lukrativen Langstrecken insbesondere in die USA eingesetzt werden.

Zeitplan noch nicht genannt

Ein Zeitplan für die Gründung des neuen Verbunds wurde nicht genannt. Eine Air-Berlin-Sprecherin sagte, die Flugpläne für den kommenden Winter und den Sommer 2017 seien weiterhin gültig, die darin enthaltenen Flüge könnten nach wie vor gebucht werden.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bezeichnete den geplanten Verbund von Air Berlin mit Tuifly als „nachvollziehbar“. Die Pläne seien „ein Weg, der überzeugend sein kann“, sagte Dobrindt in Berlin. Es gehe um eine „gesunde Entwicklung“ und neue Chancen für Air Berlin. Das Engagement der Lufthansa sichere zudem „Verbindungen außerhalb der großen Drehkreuze“.

Dobrindt hatte zuvor Tuifly und Air Berlin aufgefordert, ihre Probleme nicht bei den Kunden abzuladen. Tuifly musste am Mittwoch 24 von 99 geplanten Flügen streichen. Als Grund gab das Unternehmen „viele kurzfristige Krankmeldungen“ des Kabinen- und Cockpitpersonals an. Diese hatten bereits am Montag und Dienstag zu zahlreichen Verspätungen geführt. Hintergrund sind Sorgen der Mitarbeiter um ihre Zukunft wegen des geplanten Airline-Verbunds. Vor der Zentrale des Ferienfliegers am Flughafen Hannover kam es am Mittwoch zu spontanen Mitarbeiter-Protesten. Das Unternehmen riet Kunden, auf der Internetseite tuifly.com den Status ihres Flugs nachzuschauen. Außerdem stehe die Servicehotline 0800-9006090 zur Verfügung.

Der Billigflieger Ryanair bringt sich derweil bei Flughäfen als Alternative zu Air Berlin ins Gespräch. Das Wachstum im europäischen Flugverkehr werde „von Ryanair kommen“. Für Flughäfen sei es daher „ratsam“, den Kontakt zu Ryanair zu suchen, sagte der Chef des operativen Geschäfts, David O’Brien.

Beschäftigte demonstrieren

„Wir sind Tuifly und wollen es auch bleiben.“ Etwa 100 Beschäftigte des Ferienfliegers Tuifly demonstrierten am Mittwoch teils mit ihren Angehörigen vor der Unternehmenszentrale am Flughafen Hannover. Groß ist ihre Sorge, dass die am Morgen bestätigten Pläne zum tiefgreifenden Umbau des Unternehmens ihre Arbeitsplätze überflüssig machen könnten. Es gebe „deutliche Unruhe“ und „Existenzängste“, sagte der Sprecher der Pilotengewerkschaft Cockpit, Markus Wahl, dem Tagesspiegel.

Der neue Touristik-Verbund soll vom „Know-how“ von Etihad Airways und den Vertriebskapazitäten von Tui profitieren und von Deutschland, Österreich sowie der Schweiz aus ein umfassendes Streckennetz bedienen. „Zu gegebener Zeit“ sei die Verabschiedung eines Grundsatzabkommens vorgesehen, teilten die Unternehmen mit. Alle Vereinbarungen müssten von den internen Gremien und den Behörden genehmigt werden. Die arabische Fluggesellschaft hatte bereits die Etihad Aviation Group gegründet, unter deren Dach neben Air Berlin auch Air Serbia, Air Seychelles, Alitalia, Etihad Regional (Schweiz), Jet Airways (Indien) und Virgin Australia tätig sind.

Bei Air Berlin sollen im Zuge des Sparkurses bis zu 1200 Arbeitsplätze abgebaut werden. Bei Tuifly melden sich seit Tagen zahlreiche Angehörige des fliegenden Personals kurzfristig krank, weshalb auch am Mittwoch 24 von 99 geplanten Flügen abgesagt werden mussten. Auch Dienste für Air Berlin waren betroffen. Zwar habe die Geschäftsleitung in einem Rundschreiben mitgeteilt, dass faktisch alles bleibe, wie es ist, doch brauche man mehr als nur „Lippenbekenntnisse“, sagte Cockpit-Sprecher Wahl und forderte „verbindliche Zusagen“. Es habe in der Vergangenheit keine Zusammenschlüsse gegeben, die nicht mit großen Zugeständnissen des Personals verbunden gewesen seien.

Nach Angaben von Betriebsratschefin Karin Grobecker soll es Ende kommender Woche bei einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung nähere Informationen über die geplante Umstrukturierung geben. Auch sie sprach von großer Verunsicherung unter den Mitarbeitern der Airline und befürchtet eine Zerschlagung des Ferienfliegers auf Raten. „Wir fühlen uns überrollt“, sagt Grobecker.

Gerüchte über Verlagerung des Firmensitzes

Spekuliert wird, dass die nun von Etihad und Tui geplanten touristischen Flugaktivitäten mittelfristig unter dem Dach der österreichischen Air-Berlin-Tochter FlyNiki gebündelt werden. Die Airline, die über 19 eigene Flugzeuge verfügt, produziert günstiger als die defizitäre Muttergesellschaft und flog 2015 einen bescheidenen Gewinn ein. Dem entgegen steht eine Erklärung, die am Mittwoch von Tui verbreitet wurde. „Tuifly soll auch in einem möglichen neuen Verbund als Gesellschaft erhalten bleiben“, heißt es dort. „Bestehende Tarifverträge sollen unberührt bleiben.“ Gerüchte über eine Verlagerung des Firmensitzes seien falsch, man bleibe eine deutsche Airline, die auch künftig von Hannover aus aktiv sei. „Tui Deutschland wird sich verpflichten, über mehrere Jahre Flugkapazitäten abzunehmen und wird damit für den neuen Verbund ein wichtiger langfristiger Kunde und Partner werden“, hieß es.

Tuifly ist mit insgesamt 41 Boeing-Jets die deutsche Tochter des Tui-Konzerns, der weltweit eine Flotte von 140 Flugzeugen betreibt. Als viertgrößte deutsche Airline kommt sie auf rund 2400 Mitarbeiter, darunter sind fast 1700 Flugbegleiter und Piloten. Fast 600 Mitarbeiter sind in Hannover beschäftigt.

Etwa ein Drittel der Tuifly-Flotte wurde an Air Berlin vermietet. Air Berlin braucht die Maschinen eigentlich nicht, kommt aber aus dem Vertrag nicht raus. Tui sucht für seinen Ferienflieger ebenfalls eine Lösung – aus Sicht des Managements gilt er als zu teuer. Da Etihad mit der defizitären Tochter Air Berlin neue Wege beschreiten muss und flüssig ist, bietet sich die arabische Airline als Partner für Tui an. (mit dpa/AFP/Reuters)

Rainer W. During

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