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Wirtschaft: Großbritannien: Tony Blairs neue Europapolitik

"In Europa, aber nicht von Europa regiert". Mit diesem Slogan zogen die britischen Konservativen in den Wahlkampf - und erlitten Schiffbruch.

"In Europa, aber nicht von Europa regiert". Mit diesem Slogan zogen die britischen Konservativen in den Wahlkampf - und erlitten Schiffbruch. Premierminister Tony Blair scheint nun dieses Motto für seine Regierung in leicht modifizierter Form geborgt zu haben: "In Europa, aber Europa regieren." Das mag zwar schwieriger zu erreichen sein, bringt aber mehr. Ganz nach dem Beispiel von Schatzkanzler Gordon Brown schickte Blair von seiner Südafrikareise sein Ultimatum an die EU: Reformiert oder vergesst eure Ambitionen, in der Welt führend zu sein. Was bedeutet: Reformiert oder wir treten der Währungsunion nicht bei.

Woher kommt diese plötzliche Eile, endlich Taten von der EU sehen zu wollen? Nun, Labour hat bei den Wahlen einen imponierenden Sieg davongetragen und weiß die Unterstützung der Briten hinter sich. Wichtiger aber ist zu wissen, in welchen Punkten die Briten den Absichten der Labour Partei skeptisch gegenüber stehen, und da steht die EU an erster Stelle. Also startete Blair nicht nur seine bisher stärkste Attacke gegen die EU-Agrarpolitik, sondern gab obendrein eine Liste mit den wichtigsten Reformpunkten preis: "Jetzt müssen wir handeln." Großbritanniens Hauptziele für Europa seien Kürzung der Investitionen durch Liberalisierung von Finanzdiensten und Rentenreform, mehr Wettbewerb und weniger Bürokratie, mehr Arbeitsplätze durch Arbeitsmarktmobilität und -reform.

Keine schlechte Liste. Interessant wäre da zu wissen, wie die zwei europäischen Regierungen zu diesen Ideen stehen, die der liberalen Haltung Großbritanniens am nächsten kommen. Das sind Italien und Spanien. Bisher haben sie sich still verhalten, was sie besser nicht allzu lange weiter tun sollten. Denn Blair und Brown wollen gerade jetzt den EU-Reformen Priorität geben, da mit Berlusconis Wahlsieg in Italien die Liberalisierer mehr Stimmgewalt gewonnen haben.

Man sollte keine Zeit verschwenden. Die Europäische Kommission begrüßte Blairs Erklärung mit den Worten: "Es ist bemerkenswert, dass Tony Blair mit der Kommission übereinstimmt. Wir sind auf einer Wellenlänge." Aber die Kluft zu anderen Staaten wächst. Es gibt auch Antipathie gegen Fortschritt. Blair betonte, dass die Euro-Bargeldeinführung im Januar 2002 dem gesamten Apparat einen Impuls versetzen werde. Dieses im Hinterkopf, erwartet er vom EU-Gipfel im März in Barcelona entscheidende Weichenstellungen. In welcher Richtung auch immer.

Dass er ausgerechnet dieses Treffen nennt, hat seine Gründe: Der Spanier Jose Maria Aznar wird als Anhänger des freien Markts die EU-Präsidentschaft ausüben, Deutschland und Frankreich hingegen zu dem Zeitpunkt mitten im Wahlkampf stecken. In beiden Ländern wird es ein Gerangel um die nächste Legislatur geben. Und in so einer Situation bringt man Parteien, die in althergebrachte Politik vernarrt sind, vor ihren Wählern in Verlegenheit.

Auch im eigenen Land muss Blair vor den Gegnern seiner Liberalisierungspläne bestehen. Dazu zählen nicht nur die Tories, sondern auch Gewerkschaften und ihre linken Alliierten aus Blairs eigener Partei. Labours Hinterbänkler werden kaum ein Programm in Europa unterstützen, das ihnen im eigenen Land zuwider ist. Keine dieser Gruppen stellt aber mehr die Macht dar, die sie einst verkörperte. Wenn Blair und Brown den EU-Markt beweglicher gestalten wollen, ist 2002 der Schlüssel zum Erfolg. Sollte London die Liberalisierung der EU gelingen, wird das nicht nur positive Konsequenzen für Großbritannien, sondern für Europa und den Rest der Welt haben.

Aus dem Wall Street Journal. Übersetzt, ge

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