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Streit um Milliarden. Das Projekt Stuttgart 21 wird zu teuer, sagen Kritiker.

© ddp

Großprojekte: Höher, größer, teurer

Stuttgart 21 soll laut Angaben der Bahn sieben Milliarden Euro kosten. Die Grünen rechnen mit elf Milliarden. Wenn der Staat baut, kostet es meist mehr als geplant. Dafür gibt es viele Gründe.

Berlin - Für die Bahn gibt es keinen Zweifel: Die Pläne seien „seriös“, die Kosten „präzise kalkuliert“. Wendlingen–Ulm, die ICE-Strecke zum umstrittenen Bahnhofsprojekt Stuttgart 21, werde auf keinen Fall teurer, verspricht das Unternehmen. 2,89 Milliarden Euro sollen fällig werden, alles andere sei „Spekulation“. Das Problem: Kritiker befürchten, dass das nicht die Wahrheit ist – und das Projekt mehr kosten wird. Fünf Milliarden Euro nennen die Grünen, zusammen mit dem Bahnhof kommen sie auf elf Milliarden. Der Staatskonzern setzt für das Gesamtwerk sieben Milliarden an – wer hat recht?

Statistisch gesehen die Bahn-Gegner. Denn bei öffentlichen Großvorhaben wird es fast immer teurer, als Planer und Politiker annehmen. Laut einer Studie der Universität Oxford, die 260 Großbauten in Nordamerika und Europa untersuchte, kletterten bei neun von zehn Projekten in den vergangenen 70 Jahren die Kosten stärker als vorgesehen.

Allein in Deutschland gibt es zahlreiche Beispiele: Die ICE-Strecke Köln–Frankfurt am Main kostete sechs statt drei Milliarden Euro, der Berliner Hauptbahnhof eine Milliarde statt einer halben. Ähnlich ist es mit den Bauten des Bundes – bei der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Mitte sollen es 815 Millionen statt 730 Millionen werden.

Der Fehler liegt im System, sagt Gerd-Axel Ahrens, Verkehrsplaner an der Technischen Universität Dresden. „Jeder Politiker will Spuren hinterlassen und bei Eröffnungen rote Bänder durchschneiden.“ Dass die Kosten niedrig bleiben, sei nicht das Allerwichtigste. Deshalb werden Risiken oft großzügig unterschätzt – wenn das Erdreich verseucht oder das Gestein porös ist. Zugleich kürzt der Staat bei den Beamten, die Planung und Ausführung der Bauten überwachen. Das nutzen Baufirmen aus, kritisiert Ahrens. „Sie bieten billiger an als eigentlich möglich und machen dann ihr Geschäft, indem sie nötige Zusatzausstattungen nachträglich abrechnen.“ Denn bei öffentlichen Vergabeverfahren bekommt den Zuschlag, wer am billigsten anbietet.

Die Baubranche weist derlei Gebaren zurück – und verweist auf die lange Planungszeit gerade bei Infrastruktur. „Zwischen Planung und Baubeginn verstreicht oft viel Zeit, die Kalkulationen veralten dann“, sagt Heiko Stiepelmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bauindustrie-Verbands. So schwanken die Preise für Baustoffe wie Stahl über die Jahre stark. Je länger sich eine Entscheidung hinzieht, desto heftiger fällt die Kostenexplosion aus.

Die lange Zeit zwischen Idee und Ausführung ist zudem für Politiker verlockend. „Zu Anfang werden die Kosten niedrig angesetzt, um Mehrheiten zu bekommen“, sagt Karl Heinz Däke, Präsident des Bundes der Steuerzahler. „Ist der Bau dann einmal begonnen, gibt es kein Zurück mehr – dann steigen die Kosten plötzlich.“ Ohnehin hält er es für gefährlich, wenn Volksvertreter planen. „Oft treiben nachträgliche Sonderwünsche die Kosten. Wenn der Ausschuss eines Stadtrates auf Reisen geht, um eine vorbildliche Oper oder eine U-Bahn zu besichtigen, sieht er, was es Schönes gibt – und der Bau daheim wird garantiert teurer.“ Vor allem nachträgliche Planung gehe ins Geld.

Überhaupt will es der Staat meist besonders schön haben, wenn er baut. Oft aber gibt es einen Konflikt zwischen Ästhetik und Funktionalität. „Wenn der Architekt tolle Entwürfe abliefert, die sich aber nicht umsetzen lassen, hat die Baufirma ein Problem – dann muss neu kalkuliert werden“, sagt Bau-Experte Stiepelmann. Er wünscht sich eine bessere Abstimmung von Planern und Baufachleuten – „hier steckt ein großes Sparpotenzial“. Carsten Brönstrup

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