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Gründer: Der kleine Unterschied

Die einen tragen ständig neue Geschäftsideen mit sich herum, die anderen setzen sie um. Woran liegt das? An dem viel zitierten Gründer-Gen? Das versuchen Forscher herauszufinden.

Die einen haben Weizen, die anderen brauchen ihn – man muss nur beide zusammenzubringen. Als Johannes Weber 2001 die Idee hatte, einen Handel mit dem Getreide zu betreiben, war er 22 und Austauschstudent in Ungarn. Die Bauern dort freuten sich über eine üppige Ernte, während die Kollegen in Deutschland zu wenig von den Feldern holten. Weber hatte die ungarischen Bauern überzeugt zu liefern, die deutschen Mühlen überzeugt zu kaufen. Was er nicht bedacht hatte: Man braucht ein Schiff, um das Getreide über die Donau in die Heimat zu bringen. Das aber war nicht aufzutreiben, ein Transport mit Lkws schlicht zu teuer. Der Deal platzte.

Die Weizenbörse wurde zwar nicht sein zweites Unternehmen – zuvor hatte er schon ein Jobportal gegründet – , dafür ein anderes. Heute ist er bei Nummer vier angelangt, einer Denkfabrik und Beratung für Investments mit gutem Gewissen. Auch an Nummer drei, dem Social Venture Fund, der den gleichen Anspruch hat, hängt sein Herz – und ein Großteil seiner Arbeitszeit.

Haben Unternehmer einen Gendefekt?

Man könnte sagen, das Gründen liegt in seiner DNA. Lars Hinrichs, Gründer des sozialen Netzwerks Xing, ist überzeugt: „Unternehmer haben einen kleinen Gendefekt – wenn sie Chancen und Risiken gegeneinander aufwiegen, überwiegen einfach die Chancen.“ Seit mehr als 50 Jahren suchen Forscher das viel zitierte Gründer-Gen, haben es bisher aber nicht gefunden. Dass die Biologie eine Rolle spielt, sehen sie als erwiesen an, dass Gründertum angeboren ist, bezweifeln sie. Vielmehr wirkten Gene, Erziehung und eigene Erfahrungen in einer sehr komplexen Art und Weise zusammen, sagt Gründerforscher Martin Obschonka von der Universität des Saarlandes.

Forscher wissen heute so einiges darüber, was Gründer wie Johannes Weber, der „schon immer den Wunsch hatte, nicht nur irgendwo angestellt zu sein“, auszeichnet: Der Wille, etwas zu leisten, gehört dazu, auch ein gewisses Streben nach Unabhängigkeit, Durchhaltevermögen, die Überzeugung, dass vieles kein Schicksal ist, sondern Ergebnis eigenen Handelns, der Wille, kalkulierbare Risiken einzugehen, oder etwa Kreativität. „Das Kernelement aber ist, unternehmerische Gelegenheiten zu erkennen und zu nutzen“, sagt Silke Tegtmeier, die an der Lüneburger Leuphana-Universität zum Thema forscht.

Was Forscher aber noch immer nicht können: vorhersagen, ob jemand, der all das mitbringt, auch wirklich gründet. Thomas Bloch, der mit Freunden den jungen Finanzdienstleister Vaamo betreibt, kennt viele Leute, die eine Idee mit sich herumtragen, die das Talent, das Wissen und die nötigen Kontakte haben, aber dennoch angestellt bleiben. „Bei vielen scheitert es am letzten Schritt, daran, das Risiko einzugehen“, sagt er.

Ob man den Sprung in die Selbstständigkeit wagt, hängt eben noch von anderen Dingen ab – der gesellschaftlichen Akzeptanz etwa, zu scheitern. Und da die nicht besonders hoch ist, landet Deutschland im internationalen Gründungsvergleich weit hinten. Deshalb fordern Gründer wie Sina Trinkwalder, die den ökosozialen Textilhersteller Manomama betreibt: „Wir brauchen in Deutschland eine Kultur des Scheiterns.“

Vor allem in den Köpfen der Eltern müsste die verankert werden. Béa Beste ist in Rumänien geboren und aufgewachsen und als Teenager nach Deutschland gekommen. Dass sie erst die Privatschulkette Phorms und später mit Tollabox einen Spieleanbieter aufgezogen hat, liegt nicht unbedingt daran – aber an ihren Eltern. Als Kind, erinnert sie sich, hat sie fröhlich Lebensmittel gemischt und experimentiert, welche Kombinationen schmecken und welche nicht. Letztere landeten dann auch schon mal im Müll. Ihre Eltern standen ihr dennoch nicht im Weg – im armen Rumänien der 1970er-Jahre keine Selbstverständlichkeit.

Ihre Kindheit unterstreicht, was der Forscher Obschonka und seine Kollegen herausgefunden haben: Viele Unternehmer haben in ihrer Jugend Regeln gebrochen – etwa die elterlichen Normen infrage gestellt oder wie Beste vielleicht auch mal die Schule geschwänzt. „Produktive Regelbrecher“ nennen die Forscher sie. Das ähnelt doch sehr dem Begriff des „schöpferischen Zerstörers“, mit dem der Vordenker Joseph Schumpeter einst den Unternehmer beschrieb.

Spielen ist das Wichtigste

Béa Beste glaubt, dass „spielen können und spielen dürfen das Wichtigste ist“, um sich die Gründereigenschaften zu behalten. Denn Kinder seien im Allgemeinen die geborenen Entrepreneure – mit einem unerschütterlichen Glauben an sich selbst, großer Neugierde und der Fähigkeit, sich auf andere einzulassen. „Das Bildungssystem aber macht das kaputt“, beklagt sie. Sven Ripsas, Entrepreneurship-Professor an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht, muss zugeben, dass das zum Großteil stimmt. „In den Schulen wird gelernt, Wissen zu reproduzieren und nicht das entdeckende Lernen“, resümiert er.

Dafür breitet sich die Gründerausbildung an den Hochschulen massiv aus, auch wenn es dort eigentlich schon zu spät ist. „Unternehmertum kann man nicht lernen, höchstens das Handwerkszeug für Management oder zum Führen“, sagt Textilunternehmerin Trinkwalder. „Unternehmerisch zu ticken“, müsse man schon viel früher vermitteln, pflichten Forscher bei.

Es geht darum, Kindern in ihrem Alltag unternehmerisches Denken und Handeln näherzubringen und so den Glauben daran zu stärken, dass sie das auch können. Mit Unsicherheit umgehen zu können und sich eine gewisse Naivität zu bewahren, schade auch nicht, sagt Ripsas.

Wenn man einigen seiner Kollegen glauben kann, ist das noch weit untertrieben. Die haben herausgefunden, dass selbstverliebte Menschen eher gründen. Wer starke Charakterzüge eines Narzissten hat, stürzt sich dank grandioser Selbstüberschätzung eher in die Selbstständigkeit, wer starke Züge eines manipulativen Machtmenschen aufweist, läuft in der Wettbewerbssituation zu Höchstform auf.

Ausnahmen bestätigen die Regel: Johannes Weber hat schon viele Gründer kennen gelernt, die meisten „charismatische Typen mit einer hohen emotionalen Intelligenz“, sagt er.

Den geplatzten Weizendeal in Ungarn hatte er übrigens schnell vergessen. In gewissem Sinne erfolgreich war die Zeit dennoch: Er hat dort seine Frau kennen gelernt. HB

Stefani Hergert

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