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Die Post-Latte-Macchiato-Zeit sieht Tape- TV-Chef Conrad Fritzsch angebrochen. Gründungsexpertin Katja Nettesheim beklagt zu viel Bürokratie.

© Mike Wolff

Gründerzeit 21: „Wie ein zweiter Mauerfall“

Bürokratie und Behörden bremsen den Tatendrang der Berliner Start-up-Szene. Doch der Optimismus bleibt.

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Berlin - Als deutsche Hauptstadt des Wagniskapitals gilt Berlin schon lange – trotz oder wegen der Politik? Conrad Fritzsch jedenfalls, der als Tape.tv-Chef das Fernsehen ins Internet bringt, sieht Berlin in der „Post-Latte-Macchiato-Zeit“ angelangt. „Die Leute machen jetzt einfach, statt nur zu reden.“ Von Politik und Verwaltung erwartet er, dass sie die „Roadblocker“, Hindernisse auf dem Weg zum erfolgreichen Unternehmer, aus dem Weg räumen, statt sie zu schaffen. Bürokratie war ein wichtiges Thema in den Podiumsdiskussionen am Montagnachmittag.

Einigkeit herrschte unter den fünf Experten des Panels „Kapital und Politik“ darüber, dass die Entscheidungsträger in den vergangenen zehn Jahren „die positiven Bedingungen für Unternehmensgründungen zumindest nicht behindert“ hätten, wie Björn Böhning (SPD), Chef der Senatskanzlei, es ausdrückte. Berlin sei nach wie vor „the place to be“ für engagierte junge Menschen. Gründungsexpertin Katja Nettesheim monierte jedoch, dass Start-ups etwa zehn Prozent ihrer Ressourcen an die Bürokratiebewältigung verschwendeten. „Zeit und Geld, die anderweitig besser investiert wäre.“ Die Uhren der Berliner Verwaltung ticken nach Meinung der Teilnehmer noch lange nicht im gleichen Takt mit denen der beschleunigten, globalisierten Wirtschaft.

Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Berlin Partner ist als Schnittstelle zwischen Behörden und Gründern unter anderem dazu initiiert worden, die Vorgänge zu beschleunigen. Geschäftsführerin Melanie Bähr berichtete von Fällen, in denen talentierte Programmierer vier Monate lang auf eine Arbeitserlaubnis in Deutschland warten mussten. „Zum einen liegt vieles an der Bundespolitik, zum anderen existieren bei uns Angebote, die zu wenig bekannt sind. Da gibt es noch Kommunikationsdefizite“, sagte Bähr. Hubraum-Mentorin Katja Nettesheim beklagte in diesem Zusammenhang fehlende Weitsicht: Es sei das Mindeste, dass in der Weltstadt Berlin auch Antragsformulare auf Englisch zu kriegen seien. „Die Zweisprachigkeit wird kommen“, versprach Senatskanzlei-Chef Böhning. Triebfedern für weiteres Wachstum in Berlin könnten seiner Auffassung nach der Wohnungsbau, eine neue Art von Liegenschaftspolitik und Innovationsquartiere wie Tegel sein.

In der dritten und letzten Diskussionsrunde des Tages beschäftigten sich die Teilnehmer mit Kontakten und Fördermitteln. Einem stolzen Angebot stehe da ein zuweilen unverhältnismäßig großer Aufwand gegenüber, gab Liv Kirsten Jacobsen vom Gründerzirkel der Europa Universität zu bedenken. Nicht nur bei der Beantragung, auch bei der Abrechnung müssten junge Firmen häufig sehr viel Zeit aufbringen. „Man muss sich das gut überlegen, ob man so ordentlich ist oder sich lieber anderweitig Geld besorgt.“ Matthias Wittstock vom Wirtschaftsministerium hielt dagegen: „Diese ganzen Aktivitäten gehören zum Unternehmertum dazu. Wer sich das nicht zutraut, ist nicht geeignet.“

An Optimismus mangelt es aber nicht, wenn man Conrad Fritzsch hört: „Es ist wie ein zweiter Mauerfall. Die Leute glauben an sich und wollen nach oben.“

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