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Wirtschaft: Grundigs schleichendes Ende

Nach dem Verkauf des Traditionskonzerns wird wohl nur die Marke erhalten bleiben

München. Es begann mit dem „Heinzelmann“. Wer den sperrigen, braunen Kasten in den Nachkriegsjahren zu Hause stehen hatte, konnte etwas auf sich halten. Max Grundig legte mit diesem ersten Radio-Modell den Grundstein für sein Firmen-Imperium. In den folgenden Jahrzehnten wurde Grundig zum Synonym für Qualitätsarbeit und Erfolg aus Deutschland. Dem „Heinzelmann" folgten Verkaufsschlager wie das Kofferradio „Grundig Boy“ und das Diktiergerät „Stenorette A“, wegen seiner grünen Farbe auch „Laubfrosch“ genannt. In den späten Sechzigerjahren brachte Grundig dann als eine der ersten Firmen einen Farbfernseher auf den Markt.

Diese Glanzzeiten sind lange vorbei: Nach einem zähen Überlebenskampf wird jetzt der taiwanesische Elektronikkonzern Sampo die Führung bei dem angeschlagenen Nürnberger Traditionsunternehmen übernehmen. Damit geht ein Stück deutscher Industriegeschichte zu Ende. Der Verfall von Grundig ging schleichend voran: In Spitzenzeiten beschäftigte der Konzern 1979 rund 38 000 Mitarbeiter und hatte 30 Werke im In- und Ausland. Bald darauf verlor das Unternehmen jedoch den Anschluss an neue Technologien und rutschte in die roten Zahlen. Grundig konnte nicht mehr mit der Konkurrenz aus Asien mithalten, die nicht nur innovativer, sondern auch billiger war.

Nach langer Partnersuche übernahm 1984 der niederländische Elektronikkonzern Philips die unternehmerische Führung; Max Grundig zog sich aus dem Geschäft zurück. Doch auch Philips scheiterte mit dem Versuch, Grundig wieder an die Spitze zu bringen. Als sich Philips 1997 mit hohen Verlusten von Grundig trennte, übernahm zunächst ein Bankenkonsortium die Führung. Ende 2000 übergab es die Anteile mehrheitlich an den Rosenheimer Antennen-Fabrikanten Anton Kathrein, der zuletzt noch 89 Prozent an Grundig hielt. Die Eigentümerwechsel nutzten dem angeschlagenen Elektronikhersteller nicht viel: Die Verluste blieben und die Eigenkapitaldecke war auf ein Minimum geschrumpft. Der einstige Weltkonzern beschäftigte 2001 gerade noch 5400 Mitarbeiter.

Die Suche nach einem neuen Partner zog sich quälend lange hin. Hohe Verpflichtungen für Sozialpläne und Pensionskassen schreckten potenzielle Investoren ab. Die Banken verlängerten die Kreditlinien mehrmals und sogar die EU sprang Ende vergangenen Jahres noch mit einer Beihilfe über 45 Millionen Euro ein.

Aufgrund der schlechten Verhandlungsposition von Grundig dürfte Sampo einen niedrigen Preis herausgeschlagen haben. Angaben dazu machten die Unternehmen bisher nicht. Mit dem Einstieg von Sampo könnte Grundig seine finanzielle Krise nach Ansicht von Branchenkennern schnell überwinden. Der taiwanesische Konzern gilt als einer der großen Elektroniklieferanten in Asien, den Firmenchef Ho Heng-chung zum „Global Player“ machen will. Das Unternehmen erwartet einen Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro. Bereits im kommenden Jahr will Sampo Grundig wieder in die schwarzen Zahlen führen.

Sampo-Aufsichtsratschef Felix Chen beteuerte zwar, Grundig solle ein deutsches Unternehmen mit deutschem Management bleiben. Grundig-Chef Hans-Peter Kohlhammer behält seinen Vorstandsposten und die 400 Mann starke Forschung und Entwicklung, Kernstück des Unternehmens, soll in Nürnberg bleiben. Branchenkenner glauben jedoch, dass von Grundig langfristig nicht mehr viel übrig bleiben wird. Sampo möchte demnach hauptsächlich den Markennamen und die Vertriebsstruktur von Grundig nutzen, um einen Fuß in den europäischen Markt zu bekommen.

Kohlhammer kündigte an, dass die 30 000 Handelspartner von Grundig künftig auch Produkte von Sampo verkaufen werden. An den Geräten von Grundig dürfte Sampo wenig Interesse haben: Die Taiwanesen produzieren selbst Monitore in Asien. Außerdem baut der Konzern Multimedia-Geräte und Haushaltsprodukte. Auch an den einst legendären Fernsehern von Grundig war Sampo nicht gelegen: Erst der Verkauf der Fernsehgeräteproduktion in Wien an den österreichischen Industriellen Mirko Kovats kurz vor Weihnachten brachte die Verhandlungen in Schwung. Durch den Verkauf schrumpfte die Zahl der Grundig-Beschäftigten auf 2800.

Firmenchef Kohlhammer wollte nicht ausschließen, dass in nächster Zeit noch weitere Stellen abgebaut werden müssen. Aus dem einst gefeierten deutschen Weltkonzern ist ein mittelständischer Betrieb in asiatischer Hand geworden.

Nicole Adolph

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