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Wirtschaft: Gucci aus dem Supermarkt Markenprodukte gibt es jetzt auch bei den Discountern

Dumpingpreise für Auslaufware und Fehlerhaftes

An den Wühltischen des Discounters Plus drängelten sich in der vergangenen Woche die Kunden. Bei der Verkaufsaktion gab es aber keine No- Name-Computer und keine chinesischen Motorsägen, sondern feinste Markenware: Polo-Hemden, Pullover und Jacken der Edelmarke Ralph Lauren. Mehr als 50 Prozent billiger als im Fachgeschäft sollen die Teile gewesen sein. Nach Aussage einer Plus-Sprecherin waren die „300 000 Einzelstücke“ nach wenigen Tagen ausverkauft. Nach ähnlichen Aktionen mit Kleidung von Tommy Hilfiger und der Jeansmarke Levi’s sollen weitere folgen.

Preisgünstige Markenware findet sich nicht nur beim Discounter. Nach dem Fall des Rabattgesetzes sind bei vielen Warenhäusern und Textilketten alle Preisdämme gebrochen. Vor allem rund um die Schlussverkäufe locken Karstadt, Kaufhof oder Wöhrl mit hohen Preisnachlässen. Daneben haben sich mit Factory Outlets und Internet weitere Vertriebswege für Designer-Outfits von Gucci, Armani oder Joop etabliert. Hersteller wie Händler von Textilien und Accessoires stehen seit Jahren wegen der Konsumflaute unter Druck: Bis zum August ging der Umsatz mit Bekleidung und Schuhen um 4,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück. Im gesamten Jahr 2002 lag das Minus sogar bei 5,3 Prozent.

„Entsprechend groß ist die Notwendigkeit, überschüssige Ware doch noch loszuwerden“, sagt Wolfgang Twardawa, Marketinexperte der Gesellschaft für Konsumforschung. Ein Ventil seien die Factory Outlets. Verkauften die Hersteller beim klassischen Fabrikverkauf früher direkt von der Rampe, haben sich die Outlets inzwischen als eigenständige Vertriebsform etabliert. Hier schlagen die Markenfirmen Restposten, zu viel produzierte Ware und Kleidung mit kleineren Fehlern zu herabgesetzten Preisen los.

Für die Kunden sind Preisabschläge von 30 bis 70 Prozent drin. Allerdings sind die Kleidungsstücke nicht immer mit den Produkten im Fachgeschäft vergleichbar. „Meist stammt die Ware aus der letzten Saison oder traf im normalen Handel nicht den Geschmack der Kunden“, sagt der Handelsexperte Volker Dölle. Nachteil: Die Preise lassen sich nur schwer mit der aktuellen Kollektion in den Fachgeschäften vergleichen.

Hat die Ware kleinere Fehler, raten Verbraucherschützer, die Kleidungsstücke vor dem Kauf genau zu prüfen: Häufig seien die Mängel auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Zwar kann der Händler die Ware vom Umtausch ausschließen, der Kunden verliert damit aber nicht alle seine Rechte. Geht das gute Stück kaputt, muss der Verkäufer die Ware trotzdem ersetzen. Waren die Factory Outlets früher nur auf der grünen Wiese zu finden, rücken sie jetzt immer mehr in die Städte und machen dort den etablierten Händlern Konkurrenz. Das Designer Outlet Center B5 westlich von Berlin ist eine Art Einkaufszentrum für Fabrikverkäufe und vereinigt rund 140 Marken unter einem Dach, darunter Versace, Aigner und ein Laden für Kinderbekleidung von Lego. Nike betreibt hier einen eigenen „Factory Store“.

Ähnlich wie die Factory Outlets verkaufen Internetshops wie „Dress for Less“ oder „Designerstore24“ billige Markenprodukte. Weil sie keine Mietkosten für große Ladenflächen haben, sind die Preise häufig noch etwas niedriger. Im Vergleich zu den stationären Händlern wechselt das Angebot der Online-Shops häufiger. „Wir haben pro Monat 400 bis 500 neue Artikel im Angebot“, sagt Holger Hengstler, Geschäftsführer von Dress-for-less.de. Den Versand beschädigter Ware könnten sich die Internetverkäufer nicht leisten. „Fehlerhafte Produkte akzeptieren die Kunden nicht, wenn sie die Mängel nicht vor dem Kauf begutachten können“, so Hengstler.

Für die Kunden hat das übermäßige Angebot von billiger Markenware nicht nur Vorteile. „Anfangs freuen sie sich über die Schnäppchen. Ein zu großes Angebot verunsichert die Verbraucher aber, weil sie das Gefühl für den Wert eines Produkts verlieren“, sagt Marketingexperte Twardawa. Wer viel Wert auf Exklusivität und Individualität legt – Wünsche, die teure Bekleidungsmarken erfüllen wollen –, kann kein Interesse daran haben, dass ein Edel-Label verramscht wird.

Da die Designer ihre Marken schützen wollen, werden Aktionen wie die von Plus auch in Zukunft die Ausnahme bleiben. Branchenkenner vermuten, dass der Discounter die Polo-Hemden aus dem Ausland importiert hat, obwohl diese gar nicht für den deutschen Markt bestimmt waren. Ein Vergleich zeigte, dass die Qualität der Hemden mit der im Fachgeschäft identisch war. Allerdings ist das nicht immer der Fall. Auf dem Textilmarkt kursieren sehr viele Fälschungen. „Die Ware wurde uns auch angeboten. Uns war das Geschäft aber zu heiß“, sagt Holger Hengstler von „Dress for Less“.

Maurice Shahd

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