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Wirtschaft: Gunda Röstel im Gespräch: "Wasser ist kein Geschäft für Börsenhaie"

Gunda Röstel (39) ist seit Oktober 2000 als Managerin für "Projektvorbereitung" bei Deutschlands größtem Wasserversorger, der Gelsenwasser AG, verantwortlich für Lobbyarbeit und Kontakte zu Lokalpolitikern. Das Unternehmen beliefert Bürger und Betriebe im Ruhrgebiet in 33 Kommunen mit rund 212 Kubikmeter Wasser.

Gunda Röstel (39) ist seit Oktober 2000 als Managerin für "Projektvorbereitung" bei Deutschlands größtem Wasserversorger, der Gelsenwasser AG, verantwortlich für Lobbyarbeit und Kontakte zu Lokalpolitikern. Das Unternehmen beliefert Bürger und Betriebe im Ruhrgebiet in 33 Kommunen mit rund 212 Kubikmeter Wasser. Die im Erzgebirge geborene Pädagogin zählt zu den Gründungsmitgliedern von Bündnis90/Die Grünen. Die Partei wählte Röstel, die dem Realo-Flügel zugeordnet wurde, Ende 1996 zur Vorstandssprecherin. Nachdem die Grünen 1999 mit ihrer Spitzenkandidatin Röstel den Einzug in das sächsische Parlament klar verfehlten, entschied sie sich zur Demission: Sie beklagte, der Erneuerungsprozess der Partei verlaufe zu schleppend.

Frau Röstel, taugen die Politiker der Grünen für das Management?

Auch in der Politik sind Management-Qualitäten gefragt. Da unterscheiden sich die Grünen nicht von anderen Parteien.

Dann geht es geht Ihnen besser als Antje Radke. Die muss von Arbeitslosenhilfe leben.

Als Vorsitzende der GAL Hamburg lebt man nicht nur von Arbeitslosenhilfe. Ich habe aber schon lange keinen Kontakt mehr.

Warum? Sie beide waren einmal die Doppelspitze der Regierungspartei Bündnis90 / Grüne. Hat man sich nach einer solchen Zeit so enger Zusammenarbeit nichts mehr zu sagen?

Wir sind unter sehr unterschiedlichen Vorzeichen aus der Parteispitze ausgeschieden. Ich habe eine bewusste Entscheidung getroffen und bereits im letzten Januar angekündigt, dass ich in die Wirtschaft wechseln möchte. Nach den Wahlverlusten in Ostdeutschland fehlte mir einfach die "Hausmacht" in der eigenen Partei, Politik auch machtvoll durchzusetzen.

Warum zieht es eine Grüne wie Sie nicht zu Greenpeace oder dem BUND, sondern ausgerechnet zu einem Konzern wie Gelsenwasser?

Ich habe als Politikerin immer dafür geworben, ökologische und ökonomische Interessen zu verbinden. Genau dies kann ich bei Gelsenwasser ganz praktisch tun.

Die Wasserwirtschaft gehört in Deutschland nicht gerade zu den Branchen mit der größten Publicity. Vermissen Sie das Rampenlicht der Politik denn gar nicht?

Gemessen an der eher geringen allgemeinen Aufmerksamkeit für den Wasserbereich, kann ich mich persönlich über öffentliches Interesse nicht beklagen. Darüber hinaus tut es mir gut, Neues aufzunehmen und mich intensiv mit einem Thema wie Wasser zu befassen. Nach meinem Unternehmensstart im Oktober bin ich einige Wochen lang durch deutsche Wasserkanäle gestiefelt, habe mir Kläranlagen, Speichersysteme und Talsperren angeschaut.

Würde eine Wasser-Managerin wie Sie aus jedem deutschen Wasserhahn trinken?

Wenn der Wasserhahn o.k. ist, na klar. Die Qualität des Trinkwassers in Deutschland gehört zu den besten auf der ganzen Welt.

Müssen wir deshalb auch die höchsten Preise auf der Welt dafür bezahlen?

Es stimmt, dass die deutschen Wasser- und Abwasserpreise im Vergleich zu den höchsten der Welt zählen. Aber ich warne davor, beim Preis nur auf die nackten Zahlen zu achten. In den Preis fließen eine ganze Reihe Kosten für Leistungen ein, die für den Schutz des Lebensmittels Wasser sehr wichtig sind: Flächenmanagement, Ressourcenschutz, und ständige Kontrolle der Qualität. BSE hat uns schließlich gelehrt, dass man die Preise für Lebensmittel nicht beliebig nach unten drücken kann, wenn man die Sicherheit der Menschen nicht gefährden will.

Seit 150 Jahren ist die Trinkwasserversorgung in Deutschland eine hoheitliche Aufgabe. Nun drängen immer mehr private Unternehmen in diesen Markt. Könnte der Wettbewerb zu Lasten der Qualität gehen?

Nein, diese Gefahr besteht nicht. Qualitäts- und Umweltstandards sind vom Gesetzgeber klar definiert und gelten für alle Unternehmen, gleich, ob öffentlich oder privat. Im Gegenteil, gerade wir als privates Unternehmen stehen unter viel stärkerer öffentlicher Beobachtung. Allein die Tatsache, dass wir nicht wie die kommunalen Unternehmen über das Monopol in einem Versorgungsgebiet verfügen, sondern unsere Leistungen immer neu unter Beweis stellen müssen, zwingt uns, auf Qualität zu achten und besser zu sein als alle Vorgaben.

Das sagen Sie jetzt. Denken Sie an die Diskussion um den so genannten "schmutzigen" Strom aus russischen Atomkraftwerken. Müssen wir bald auch "schmutziges" Wasser befürchten?

Im Gegensatz zum Strom oder der Telekommunikation wird es in der Wasserwirtschaft keinen Wettbewerb um private Endkunden geben. Es wird auch kaum jemand französisches Trinkwasser nach Deutschland bringen. Das würde sich auch wirtschaftlich gar nicht lohnen. Transportkosten, Aufbereitung und Qualitätskontrollen wären viel zu kostenintensiv. Der Wettbewerb im Wassermarkt wird deshalb ganz anders sein, als wir ihn aus den anderen Versorgungsbranchen kennen. Wasser ist ein leitungsgebundenes Lebensmittel, dessen Verunreinigung sofort verheerende Folgen hätte. Deshalb kann nicht jeder irgendwo Wasser aus der Erde pumpen und ins Netz einspeisen.

Wie soll denn dann der Wettbewerb funktionieren?

Es wird ein Wettbewerb nicht im, sondern vor allem um den Markt sein, um Anteile, Konzessionen, Betreiber- und Kooperationsmodelle. Noch immer gibt es hier zu Lande allein im Wasserbereich mehr als 6000 Unternehmen, von denen gut 85 Prozent kommunal betrieben werden. Diese sehr kleinteiligen und damit oft kostenaufwändigeren Strukturen sind auf Dauer so nicht zu halten.

Das heißt, Sie wollen die bisherigen kommunalen Monopole durch private Monopole ersetzen. Welchen Sinn bringt das für die Kunden?

Ob die Monopole bleiben, entscheidet die Bundesregierung. Niemand will den Kommunen ihre Verantwortung für die Wasserversorgung und Abwasserbehandlung wegnehmen. Diese Verantwortung ist grundgesetzlich festgeschrieben und die Bürgermeister sollen sie auch behalten. Die Frage ist allerdings, ob man in Zukunft die Versorgung mit den Mitteln der letzten 150 Jahre organisieren will. Die Probleme liegen doch auf der Hand: Kaum ein Stadtkämmerer ist noch in der Lage, die notwendigen Investitionen in Leitungsnetze und technische Anlagen zu bezahlen. Dabei müssen in den kommenden Jahren allein in deutsche Abwassernetze dreistellige Milliardenbeträge fließen.

Die Potsdamer Bürger haben da bereits schlechte Erfahrungen gemacht. Nur sehr kurze Zeit nach der Privatisierung wurde Wasser noch teurer als zuvor. Was ist falsch gelaufen?

Sie haben Recht. Hier wurde dem Privatisierungsprozess in Deutschland schwerer Schaden zugefügt. Doch ich warne vor einer Verallgemeinerung. Wenn die Kommunen Teile ihrer Wasserversorgungsbetriebe ausschreiben, wie es in Berlin oder Bremen geschehen ist, dann müssen die Politiker klare vertragliche Rahmenbedingungen für die Zukunft setzen. In den allermeisten Fällen garantieren die privaten Anbieter Preisstabilität für mindestens zehn Jahre und sagen Investitionssummen vertraglich zu.

Wenn die privaten Unternehmen sich das gefallen lassen. Wie verdient man mit Wasser eigentlich Geld?

Wasser ist kein Geschäft für schnelle Renditen und Börsenhaie, sondern ein Geschäft für Unternehmen mit langem Atem. Strategisch ist es zudem sehr interessant, die ganze Breite der Versorgung abzudecken - von der Energie bis zum Abwasser. Geld verdienen im Wassermarkt bedeutet Langstreckenlauf mit garantiertem Zielpokal. Denn: Wasser werden die Menschen immer brauchen und es ist nicht gegen andere Güter austauschbar.

Auch, wenn die Kommunalpolitiker, wie bei der Privatisierung der Berliner Wasserwerke, Personalabbau kaum zulassen?

Ohne die Gewerkschaften im Boot gewinnen Sie heute keine einzige Ausschreibung um Anteile an einem Stadtwerk. Doch auch die Gewerkschafter werden flexibler und öffnen sich sozialen Modellen des Arbeitsplatzmanagements. Und sie sehen, dass man es den Bürgern immer weniger erklären kann, dass ihre Wasser- und Abwassergebühren steigen, weil die Kommune ihre Unternehmen als verlängerten zweiten Arbeitsmarkt nutzen.

Die Bundesregierung bereitet die Marktöffnung für Wasser und Abwasser vor. Was müssen die ersten Schritte sein?

Die kommunalen Unternehmen in der Abwasserentsorgung zahlen keinerlei Steuern, während private Unternehmen mit 16 Prozent Mehrwertsteuer belastet werden. Wir brauchen einen gemeinsamen Steuersatz von sieben Prozent und dafür das Recht der kommunalen Abwasserentsorger, das Instrument des Vorsteuerabzugs nutzen zu können. Wir werden durch die steuerlichen Ungerechtigkeiten nicht nur im Wettbewerb enorm benachteiligt. Es wird auch verhindert, dass in Deutschland Wasser- und Abwasser aus einer Hand geliefert werden. Unternehmen, die Wasserversorgung und Abwasserbehandlung integrieren, bieten gegenüber den heutigen Strukturen circa 20 Prozent Synergien und damit günstigere Preise für die Bürger .

Erwarten Sie noch in der Amtszeit dieser rot-grünen Bundesregierung eine Öffnung der Märkte, die zu Strukturveränderungen führt?

Ich fürchte, die Politiker in Bund, Ländern und Kommunen lassen sich zu lange Zeit damit, sich von dem Gedanken zu lösen, dass nur sie für die Sicherheit der Ver- und Entsorgung der Bürger garantieren können. Es besteht die Gefahr, dass wir Deutschen wieder die Zeit verschlafen und für den Wettbewerb fit sind, wenn die interessanten Märkte, wie in Osteuropa, längst an die ausländische Konkurrenz vergeben worden ist.

Frau Röstel[taugen die Politiker der Gr&uuml]

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