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Gutachten: Keine Hungerlöhne bei der Post-Konkurrenz

Ein Gutachten der Bundesnetzagentur bringt ans Licht, dass bei der Konkurrenz der Post kein ausbeuterisches Lohndumping betrieben wird. Politiker und Gewerkschaften hatten zuvor das Gegenteil behauptet. Sie zweifeln die Studie an.

Bonn - Ein brisantes Gutachten der Bundesnetzagentur bringt neuen Zündstoff in die Diskussion über die Arbeitsbedingungen auf dem deutschen Briefmarkt. Im Kern wird darin festgestellt, dass bei den neuen Anbietern im Schnitt keine ausbeuterischen oder unerlaubten Hungerlöhne gezahlt werden. Das Gegenteil hatten Gewerkschaften, führende SPD-Politiker sowie die Deutsche Post behauptet und die zuständige Netzagentur zum Einschreiten aufgefordert oder gar eine Verlängerung des 2007 auslaufenden Briefmonopols der Post verlangt. Doch Netzagentur-Präsident Matthias Kurth sieht sich durch die vorgelegte Bestandsaufnahme bestätigt: Vorwürfe eines "Prekariats" seien nicht gedeckt. "So dramatisch, wie es öffentlich dargestellt wurde, sieht es nicht aus."

Zugleich rückt das Gutachten die Deutsche Post in ein schlechtes Licht. Belegt wird, dass die Post, die den Markt als früherer Staatsmonopolist beherrscht, in der Debatte selbst im Glashaus sitzt. Denn bei der angefeindeten Konkurrenz verdienen Mitarbeiter im Schnitt mehr als bei den vom Bonner Konzern beauftragten Subunternehmen. Die Post dürfe "nicht Wettbewerbsmaßstäbe an andere Anbieter anlegen, die bei ihren eigenen Subunternehmen nicht der Fall sind", sagte Kurth.

Briefmarkt vielfach ein Niedriglohnsektor

Insgesamt ist der Briefsektor laut Gutachten in weiten Teilen ein Niedriglohnsektor. Die Post setzte in den vergangenen Jahren ebenfalls verstärkt auf Mini-Jobs, Teilzeit- und Billigkräfte und lagerte Zig-tausende Stellen an Subunternehmen aus. "Das geschah geräuschlos und auch mit Billigung der Gewerkschaften", sagte Kurth. Post-Vorstandschef Klaus Zumwinkel agierte hier offenbar erfolgreicher, umsichtiger und stiller als etwa die benachbarte Schwester Telekom, bei der es nun zum großen Knall gekommen ist.

Briefkastenleerung und Versorgungsfahrten werden laut Gutachten bereits zu mehr als 50 Prozent im Auftrag der Post von Taxiunternehmen, Speditionen und Privatleuten übernommen. Beim Transport werden zu mehr als 75 Prozent fremde Speditionen eingesetzt. Etwa acht von zehn Filialstandorten sind keine herkömmlichen Post-Filialen mit eigenen Vollzeitkräften mehr, sondern werden von Einzelhändlern (Agenturen) oder Mini-Jobbern (Service-Points) betrieben.

Ein nach Tarifvertrag bezahlter Mitarbeiter der Post verdient bei einer Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden im Schnitt 11,40 Euro in der Stunde. Bei den von Post beauftragten Subunternehmen liegt der Schnitt aber nur bei rund acht Euro pro Stunde. Da zahlen im Schnitt die neuen Anbieter mit 8,44 Euro mehr. Allerdings ist hier die Spanne je nach Region breit - bei Zustellern reicht sie von 5,50 bis 13,00 Euro.

Es gibt zwar einen relativ deutlichen Lohnabstand zwischen der Post und den Wettbewerbern. Doch die bundesweit einheitliche Tarifentlohnung der Post dürfe nicht zum Maßstab für die Branche gemacht werden, sagte Kurth. Sie sei "unüblich" hoch und auch historisch durch das Monopol des früheren Staatsunternehmens begründet. Deshalb sei sie auch nicht ausschlaggebend, wenn die Netzagentur bei der Berücksichtigung sozialer Mindeststandards über Lizenznehmer entscheiden müsse. Wenn sie zur Messlatte würde, könne "man Marktöffnung und Wettbewerb gleich vergessen".

Nachteile für Wettbewerber

Die Marktanteile der Konkurrenten im von der Post weiterhin beherrschten Briefmarkt sind in den vergangenen Jahren bei fortschreitender Liberalisierung stetig gestiegen. Im Jahr 2006 lagen sie laut Netzagentur schätzungsweise bei insgesamt 9,3 Prozent (2005: 6,7 Prozent). Rund 750 Unternehmen sind mit Lizenzen auch aktiv, die meisten allerdings mit geringem Aufkommen und nur regional.

Die neuen Wettbewerber - wie etwa die PIN AG oder TNT Deutschland - hätten im Briefmarkt mit erheblichen Nachteilen zu kämpfen, da das Monopol der Post ihre Geschäfte einschränke und sie auch Mehrwertsteuer bezahlen müssten, wovon die Post befreit ist, erläuterte Kurth. Außerdem müssten sie ihre Dienstleistungen bei einem noch nicht gefestigten Kundenstamm erst aufbauen.

Branchenexperten gehen davon aus, dass auch bei der Öffnung des deutschen Briefmarkts zu Jahresbeginn 2008 dem Platzhirsch Post vorerst kaum neue Konkurrenz aus dem Ausland drohen wird. Dafür seien die potenziellen Wettbewerber zu schwach aufgestellt, wie auch Kurth sagte. Schon von den Investitionen her sei der Aufbau eines konkurrenzfähigen flächendeckenden Netzes in Deutschland "fast illusionär". (Von Edgar Bauer, dpa)

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