zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Gute Drehbücher: Die Nadel im Heuhaufen

In Hollywood, so heißt es, ist jede Kellnerin eine Schauspielerin und jeder Tankwart hat mindestens ein Drehbuch zu Hause im Schrank. Das muss nicht unbedingt etwas über die Autoren-Qualitäten derjenigen aussagen, die ihr Geld ganz offensichtlich mit anderen Dingen verdienen - findet jedenfalls Brad Warrington.

In Hollywood, so heißt es, ist jede Kellnerin eine Schauspielerin und jeder Tankwart hat mindestens ein Drehbuch zu Hause im Schrank. Das muss nicht unbedingt etwas über die Autoren-Qualitäten derjenigen aussagen, die ihr Geld ganz offensichtlich mit anderen Dingen verdienen - findet jedenfalls Brad Warrington. "Hollywood gewährt nur wenigen Zugang, denn man muss die Industrie kennen. Und eigentlich ist es unfair, dass viele Talente, nur weil sie diesen Zugang nicht haben, brachliegen und kein Geld verdienen. Wir wollen das ändern und der Unterhaltungsindustrie, denen diese Talente de facto entgehen, mehr guten Rohstoff liefern: Geschichten." Brad Warrington sitzt hinter seinem Schreibtisch in einem kleinen Bürohaus in Venice, Kalifornien. Der Pazifik ist nur sechs Straßenblöcke entfernt, aber viel Zeit hat er nicht, den berühmten Touristenstrand zu genießen. "Storybay braucht permanenten Einsatz, weil es hauptsächlich um Kontakte geht. Im letzten halben Jahr haben wir die Idee in der Filmindustrie publik gemacht, Produzenten und Studio-Manager auf unser Vorhaben aufmerksam gemacht und ein Beratungsgremium von Top-Leuten rekrutiert. Und über unsere Website haben wir zudem auch erste Anregungen von Autoren gesammelt, um unseren kleinen Marktplatz optimal zu organisieren. Jetzt sind wir in der Phase, wo wir außerhalb der Industrie Werbung machen für das, was alle Produzenten elektrisiert: gute Drehbücher."

Die Idee hinter Storybay ist eigentlich nicht besonders außergewöhnlich. Wie viele andere Unternehmen auch ist Storybay eine Drehscheibe, allerdings für eine sensible, da kreative Ware: Autoren liefern Geschichten, Drehbücher, Ideen, und Storybay leitet sie weiter, gegen eine Service-Gebühr. Jede Eingabe wird inhaltlich bearbeitet, zwischen 150 und 250 Dollar kostet das den Autoren; sollte das Drehbuch einen Käufer findet, bekommt Storybay eine zehnprozentige Beteiligung. Das Kapital von Storybay sind die Kontakte, die Warrington und seine Mitstreiter mitbringen - Insider, die die wundersamen Wege der Traumfabrik kennen.

Schwer entwirrbares Seilschaften aus Agenten, Produzenten, Studiobossen, Assistenten und Beratern bestimmen das Geschäft. Ein Insiderzirkel, dessen Regeln kaum zu durchschauen sind. "Aber es geht im Grunde genommen nur um Kontakte. Wenn du die richtigen Leute kennst, ist alles möglich." Getrieben wird die Branche von ein paar einfachen Fragen: Wer kennt wen? Wer spricht mit wem? Wer hat den Stoff für den nächsten großen Überraschungshit? "Üblicherweise landen Drehbücher über Agenten auf dem Schreibtisch eines Produzenten. Aber weil es recht viele davon gibt und Produzenten wenig Zeit haben, werden die Drehbücher von Assistenten gelesen. Eine dreiseitige Zusammenfassung, die sich "Coverage" nennt, liegt dann dem Script bei, inklusive einer Abschlussbewertung, ob das Drehbuch zur Verfilmung taugt oder nicht. An diesem System, so findet Warrington, ist grundsätzlich nicht viel auszusetzen, aber diejenigen, die die Scripte bewerten, sind oft recht junge Anfänger im Geschäft, die sich für die Stoffe nicht richtig einsetzen können. "Und genau das ist unsere Stärke, wir haben ein Team von zehn Analysten, die alle schon Jahre im Geschäft sind, wer von uns empfohlen wird, hat ein eindeutiges Qualitätssiegel."

Natürlich weiß Warrington, dass es viele gibt, die das versuchen und versprechen, aber er ist sich sicher, daß Storybay das auch wirklich halten kann. Er hat zehn Jahre Erfahrung im Filmgeschäft, sein Mitbegründer, Bill Papariella, 28, hat in den letzten fünf Jahren fünf Filme produziert. Beide hatten zudem vor einem Jahr bei ihrem ersten Versuch, die Effizienz der Drehbuchentwicklung zu erhöhen, einen ordentlichen Zusammenprall mit der Industrie. GoCoverage.com war eine ganze Woche lang online, dann wurde der Widerstand zu groß. Warrington und Papariella hatten die Idee, alle neuesten Drehbücher, die Produktionsfirmen gelesen hatten, selber zu beurteilen und diese Beurteilung auf der Webseite für alle anderen Produktionsfirmen zugänglich zu machen, um den Firmen die Arbeit und Kosten des erneuten Lesens zu ersparen. Aber die Agenten, die die Drehbücher von Firma zu Firma tragen, liefen Sturm. "Es war eine irre Erfahrung, der beste Beta-Test, den man sich wünschen kann. Da haben wir die Grenzen des Insidergeschäftes getestet."

Mit Storybay will Warrington nun denjenigen helfen, die noch draußen sind und nicht mehr innerhalb des Systems für Effizienz sorgen. Ideaspring, ein Venture-Capital-Fonds aus Denver, hat Storybay mit 3,5 Millionen Dollar in der ersten Runde finanziert. Bis zum Jahresende hat Warrington das Ziel, 500 Zusendungen pro Monat zu bekommen. Und nicht wenigen soll es dann so ergehen wie Jonathan Danziger und seinem ersten Drehbuchversuch "Dead Pool". Nachdem der Autor aus New York 50 Agenturen auf eigene Faust kontaktiert hatte, ohne eine Rückmeldung zu bekommen, stellte Storybay das Script nach einer Überarbeitung auf die Website - mit phänomenalem Erfolg. Kurz darauf flog Danzinger nach Los Angeles, hatte 19 Treffen innerhalb von Tagen mit interessierten Firmen. Nun hat er einen Agenten, der sein Script verkauft, und arbeitet an einem neuen Projekt. Filmdrehbücher sind der Anfang, Bücher und Prosa sollen folgen, und natürlich auch internationale Verknüpfungen. "Wer weiß, vielleicht schreibt gerade jemand einen großen potentiellen Hit in Deutschland, und keiner merkt es. Wir haben erste Kontakte nach China geknüpft und sind offen in alle Himmelsrichtungen."

Dagmar Hovestadt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false