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Wirtschaft: Gute Ideen zahlen sich aus

Im Februar 2000, der Großteil der Internet-Startups war von der Idee besessen, mit dem Online-Verkauf von Katzenfutter, Möbeln oder Last-Minute-Reisen steinreich zu werden, verschanzte sich Artjom Jukin in einem Moskauer Labor und forschte. Der heute 26-jährige suchte nach Möglichkeiten, dreidimensionale Software-Algorithmen für optische Geräte nutzbar zu machen.

Im Februar 2000, der Großteil der Internet-Startups war von der Idee besessen, mit dem Online-Verkauf von Katzenfutter, Möbeln oder Last-Minute-Reisen steinreich zu werden, verschanzte sich Artjom Jukin in einem Moskauer Labor und forschte. Der heute 26-jährige suchte nach Möglichkeiten, dreidimensionale Software-Algorithmen für optische Geräte nutzbar zu machen. Den Internet-Phantasten ist längst die Luft ausgegangen. Doch Jukin arbeitetet weiter an seinem Traum - einem Gerät für dreidimensionale Gesichtsscannung.

Jukins Forscherdrang hat sich ausgezahlt: Seine Startup-Firma A 4 Vision konnte zur Anlauffinanzierung im letzten Jahr umgerechnet 4,4 Millionen Euro Wagniskapital anziehen. Geldgeber waren die italienische My Qube und der Hersteller für Peripheriegeräte Logitech International SA. "Wir haben bei Investoren in Amerika nach Kapital gefragt, und niemand hat abgelehnt", sagt Jukin. "Wir konnten praktisch wählen, wer uns finanzieren soll."

Die Weltwirtschaft mag hinken, doch Innovation bleibt gefragt. Und wer die besten Ideen hat, ob als Mitarbeiter in Konzernen oder als Einzelkämpfer, hat nach wie vor gute Chancen, finanziert zu werden. Das Risikokapital fließt weiter, denn einige Investoren setzen auf bessere Zeiten. "Als Risikokapitalgeber ist man unverbesserlicher Optimist, wir denken weit in die Zukunft," sagt Paul Frew, Partner beim britischen Risikokapital-Investor Elderstreet Partners.

Investoren drückt der Dot-Com-Kater

Für Frew ist die Rezession eine ideale Zeit, um in Startups zu investieren. "Ein stagnierender Markt kann Entwicklungen voranbringen", sagt er, "Wo ohnehin kein Wachstum zu erreichen ist, können die Unternehmen die Feinabstimmung ihrer Konzepte vornehmen". Doch der Weg für die Gründer ist steiniger geworden. Nicht jeder wird das Glück von Jukin haben, Geldgeber von ausgefallenen Konzepten zu überzeugen. Investoren von Wagniskapital denken angsterfüllt an die Millionenverluste, die sie das Dot-Com-Debakel gekostet hat.

Auch die meisten Unternehmen müssen ihre Ausgaben zurückfahren und stellen Investitionen zurück. Viele gute Konzepte köcheln auf Sparflamme und werden erst zu Produkten oder Startups, wenn die Wirtschaft wieder in Schwung kommt. "Die meisten Innovationen werden in Krisenzeiten geboren, denn wer mit dem Rücken zur Wand steht, hat oft großartige Ideen", meint Philip Anderson, Professor an der französischen Wirtschaftsschule Insead. Nach seiner Schätzung warten in Europa derzeit schätzungsweise150 durchschlagende Konzepte auf eine Finanzierung. "Die neue Generation europäischer Erfolgsunternehmen lauert bereits."

Der bislang erfolgreichste Weg, eine neue Technologie oder Idee umzusetzen, war das Startup. Frei von Bindungen an ein Mutterunternehmen, sind Startup-Firmen flexibel genug, um neue Ideen zu verwirklichen - vorausgesetzt, sie werden gefördert. Doch dieser Teil im Zyklus der Innovationen hat in der letzten Rezession schwer gelitten: Die frostigen Marktbedingungen haben Investoren den Mut genommen, Geld in Gründer zu stecken. Im Vergleich zum Vorjahr brachen Investitionen von Venture Capial im Jahr 2001 in Europa um 51 Prozent und in den USA um 65 Prozent ein, so das Marktforschungsunternehmen Venture One.

Viele der Wagniskapitalgeber, die heute überhaupt noch in Startups investieren, suchen nach sicheren Kandidaten. "Die meisten Investoren geben nur noch Mittel für Startups mit ausgereiften Ideen", erzählt Gary Smith, Analyst beim Marktforscher Gartner Inc in San José, Kalifornien. Die Venture Capitalists haben sich zurückgezogen und unterstützen Gründer nur noch, wenn sie binnen drei Jahren die Gewinnschwelle erreichen können. "Um ein innovatives Produkt auf den Markt zu bringen, braucht man aber sechs Jahre. Damit gehen die meisten Startups leer aus", erzählt Smith.

Doch nicht alle Investoren haben den Geldhahn abgedreht: Die Pariser Investmentfirma Sofinnova Partners investierte in den letzten zwölf Monaten in vierzehn Startups in den Bereichen Technologie und Biotechnologie. Für Unternehmenschef Jean-Bernard Schmidt ist klar, dass die jungen, forschungsorientierten Firmen risikoreiche Unterfangen sind. Doch bereits eine Erfolgsquote von zehn Prozent, so glaubt er, werde die Verluste mehr als wettmachen. Obwohl die Startup-Finanzierung nur auf halber Kraft läuft, bleiben die bedeutenden Unternehmen großzügig mit ihren Ausgaben für Forschung und Entwicklung.

Mit guten Produkten aus der Rezession

Gerade in Zeiten, in denen Umsätze und Aktienkurse schrumpfen, setzten viele Firmen darauf, dass sie durch Innovationen aus der Krise gezogen werden. Die Halbleiterhersteller ST Microelectronics, Motorola und Philips haben im vergangenen Monat angekündigt, zusammen 1,4 Milliarden Dollar in ein Forschungszentrum im französischen Crolles investieren zu wollen. Trotz des Einbruchs auf dem Halbleitermark hat ST Microelectronics seinen Forschungsetat seit 1999 nicht reduziert und gab im letzten Jahr 978 Millionen Dollar für die Entwicklung aus. "Wer mit den richtigen Produkten aus der Rezession kommt, kann sich von allen anderen absetzen", sagt Andrea Cuomo, die Vizechefin des Unternehmens.

STMicroelectronics ist nicht der einzige Produzent, der trotz schwacher Verkäufe seine Forschung antreibt. In der von Zyklen geprägten Technologiebranche ist dies ein vertrautes Bild. "In guten Zeiten braucht keiner seine Technik zu überdenken", meint der Analyst Smith. Alles was dann zählt, sind Produktion und Verkauf. Erst in schweren Phasen müssen die Unternehmen nach Wegen suchen, sich durch Innovation aus der Rezession zu retten.

"Als großes Unternehmen können wir unsere Anstrengungen in der Forschung nicht zurückfahren", sagt auch der Direktor der Entwicklungsabteilung von France Télécom, Jean-Jaques Damlamian. Nach dem dramatischen Absturz der Telekom-Branche müsse man vor allem an der neuen Generation für Mobiltelfone arbeiten. "Es ist einfach, Forschung abzubrechen, doch sehr schwer, sie wieder in Gang zu bringen", sagt Damlamian.

Für Erfinder, denen die starren Firmenstrukturen zu eng geworden sind, gab es bisher immer den Ausweg in die Selbstständigkeit. Solange sich die wirtschaftlichen Vorzeichen nicht bessern, werden die frustrierten Genies allerdings auf ihren Posten verharren und dem Markt Innovation vorenthalten, sagt Insead-Professor Anderson. "In den Unternehmen schmoren viele innovative Ideen, doch an ihre Umsetzung ist erst zu denken, wenn sich die Kapitalmärkte an den Börsen wieder öffnen."

Kristi Essick

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