zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Guter Rat für Schröder

Bertelsmann-Berater: Die Politik muss auf die Wissenschaft hören

Von Werner Eichhorst und

Ole Wintermann

Die Diskussion über die Haushaltslage der Bundesrepublik offenbart ein dramatisches Defizit des deutschen Gesetzgebungsprozesses, das sich auch auf die kommende Reformgesetzgebung auswirken werden, wenn nichts geschieht: In Deutschland wird kurzfristiges politisches Taktieren stärker belohnt als langfristig orientierte politische Arbeit.

Das Beispiel Maastricht-Kriterien zeigt: Während die zunächst unsichtbaren finanzpolitischen Lasten der Zukunft skrupellos den kommenden Generationen aufgebürdet werden, kommt es in der tagespolitischen Diskussion allein auf die Frage an, ob die zulässigen drei Prozent Defizit im Haushalt über- oder unterschritten werden. Das müsste nicht so sein. Schließlich wissen die Politiker, wie eine nachhaltige Politik aussehen müsste. Oder besser: Sie könnten es wissen, wenn sie die regelmäßig veröffentlichten Gutachten ihrer eigenen Berater lesen und beachten würden.

Die Beratung klappt in Deutschland in der Regel nicht, weil die Voraussetzungen nicht stimmen: Es müsste sicher gestellt sein, dass die Berater sachlich und neutral sind. Andererseits müssen sich die Berater möglichst im Konsens auf eine Linie verständigen. Nur dann und wenn es außerdem eine Verpflichtung für die Politik gibt, die Beratung in den Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigen, kann sie erfolgreich sein. Die Bedeutung der Rürup-Kommission aber wird wegen ihrer unverbindlichen institutionellen Einbettung systematisch klein gehalten.

Schweden und die Niederlande leisten sich sehr viel mehr wissenschaftlichen Rat. Die erfolgreiche Reform des schwedischen Wohlfahrtsstaates seit Anfang der neunziger hat innerhalb weniger Jahre zur Halbierung der Arbeitslosigkeit und zu einem ausgeglichenen Staatshaushalt geführt. Der Erfolg wurde möglich, weil sich in der Politik parteiübergreifende Koalitionen für Reformen bildeten. Auf der anderen Seite aber profitierten die Schweden auch davon, dass sie Wissenschaftler der so genannten Königlichen Kommissionen in die Gesetzgebung eingebunden haben.

Auch das niederländische Erfolgsmodell ist durch eine weitaus stärkere Berücksichtigung des Sachverstandes als in Deutschland geprägt. Das so genannte Zentrale Planbüro hat auf Grund seiner hervorragenden Analysen eine Quasi-Monopolstellung in der Politikberatung. Ergänzt wird das Büro durch den Sozialökonomischen Rat. Darin sitzen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und eine unabhängige Gruppe. Für die Regierung ist er das Beratungsgremium bei Entscheidungen, die die Tarifpartner berühren könnten. Ist sich der Rat einig, darf die Regierung seine Meinung nicht ignorieren.

Für Deutschland heißt der Erfolg der niederländischen und schwedischen Modelle: Die Rolle der wissenschaftlichen Politikberater muss stärker institutionalisiert werden als bisher, wenn sie erfolgreich werden soll. Die Politik muss sich überlegen, ob sie sich nicht verbindlich festlegen müsste, den Rat von Wissenschaftlern zu hören und zu akzeptieren. Nur das könnte der Kurzsichtigkeit politischer Entscheidungen wirklich entgegen wirken. Im Fall des Maastrichtkriteriums hieße das: Politische Entscheidungen würden sich nicht nur am eindimensionalen Kriterium der drei Prozent messen lassen, sondern auch an ihrer langfristigen Wirkung auf die Staatsfinanzen und die Sozialversicherungen. Und damit auf die Steuer- und Beitragszahler – ein Aspekt, der von der Politik nur allzu gern unberücksichtigt bleibt.

Werner Eichhorst und Ole Wintermann sind Mitarbeiter der Bertelsmann Stiftung.

Werner Eichhorst, Ole Wintermann

Zur Startseite