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Wirtschaft: Guter Service, orientierungslose Küche

Kulmbacher Str. 15, 10777 Berlin-Wilmersdorf, Tel.

Kulmbacher Str. 15, 10777 Berlin-Wilmersdorf, Tel. 214 12 84, geöffnet: nur Abendessen, Kreditkarten: EC-LastschriftBernd Matthies

Alle reden von Globalisierung - die feine Küche hat sie längst durchgesetzt. Wer heute noch darauf beharrt, er koche französisch oder deutsch oder isländisch, der gibt damit bestenfalls zu erkennen, daß er nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist, sondern sein Heil im Wiederkäuen traditioneller Rezepte sucht. Allerdings ist Modernität um jeden Preis auch kein Allheilmittel, weil im Durcheinander der Stile leicht jeder eigene Stil verlorengeht. Deshalb können regionale Akzente durchaus richtig sein, wenn sie nur kundig und modern gesetzt werden. Zum Hecht in Mehl-Dillsauce wollen wir allerdings bitte nicht mehr zurück. Stoßseufzer eines geplagten Restaurantkritikers: Leicht müssen die Sachen sein und trotzdem einen erkennbaren, kräftigen Geschmack haben - alles andere ist fast schon Nebensache.

Wo war ich gleich stehengeblieben? Bei der Globalisierung. Und einem Restaurant, das mir in seiner orientierungsarmen Speisekarte typisch zu sein scheint für den Stil der gegenwärtigen Mittelklasse, die einfach jedem Gast irgendetwas nach seinem mutmaßlichen Geschmack bieten will. Es heißt "Die Eselin von A. " und ist noch in guter Erinnerung als Startrampe von Gottfried Specker, der sich vor einem guten Jahr nach Potsdam zurückgezogen hat, was sich aus seiner Sicht als gute Idee erwies. Er hat seinerzeit mit exotischen Aromen experimentiert, und auch seine Nachfolger tun es, allerdings mit weniger kulinarischem Erfolg. Gewiß: Die Preise sind niedriger, die Portionen größer, und das mag vielen Gästen Qualitätsnachweis genug sein. Wir gingen sehr beschwert von dannen und fanden nicht, daß die Von-jedem-etwas-und-alles-auf-einmal-Küche ein Konzept mit Zukunft sei.

Beispiel: Der Müritz-Zander (Müritz? Na hoffentlich). Der Fisch in drei gewaltigen, korrekt gebratenen Stücken, darauf eine gehaltvolle Riesling-Sahne-Sauce, dazu schwarze Nudeln und rote Linsen, offenbar eine Neuinterpretation der rätselhaften Kombination von Spätzle und Linsen, die der Schwabe schätzt. Nichts war mißlungen, aber die Kombination absolut beliebig, der Umfang schon beim Betrachten appetitverschlagend. (Schwarze Nudeln scheinen mir im übrigen ohnehin eine sinnfreie Art kulinarischer Reizwäsche zu sein. ) Ebenso schwer waren die zarten gebratenen Kalbsschnitzel, die unter einer mächtigen Kerbel-Hollandaise ächzten. Dazu gute Bamberger Hörnchen und irgendetwas, was sich hinter dem berüchtigten Stichwort "Marktgemüse" versteckte und sofort nach dem Essen aus meiner Erinnerung verschwand.

Die Speisekarte, die nur ein rundes Dutzend Positionen umfaßt, hält die Gäste vor allem bei den Vorspeisen knapp - im Zusammenhang mit den heftigen Hauptgängen hat das Sinn, wenn auch keinen erfreulichen. Die "Polpetti" erwiesen sich als überraschender, ganz gelungener Brückenschlag über die Kontinente, kleine Fleischklopse mit indischem Kreuzkümmel-Aroma. Die begleitenden Zucchini hätten freilich ein wenig fettärmer ausfallen dürfen. Außerdem kosteten wir eine klare Spitzkohl-Suppe mit Speck, die sehr - wir fanden: zu sehr - auf der deftigen Seite lag, ein bißchen in Richtung Jugendherberge. Versöhnlicher Schluß waren kompetent gemachte, brave Desserts wie Panna Cotta mit Beerenmark sowie Grießflammeri mit Rhabarber (Hauptgerichte um 30, Vorspeisen 15, Desserts 10 Mark).

Schließlich ist es leider so, daß das Restaurant auch beim Weinangebot hinter das Specker-Niveau zurückgefallen ist. Dennoch ist es kein Problem, gute und preiswerte Weine wie den Veltliner von Prager (Wachau) und andere europäische Standards zu finden. Guter Service. Generell schippert diese Küche noch ein wenig orientierungslos durch die Welt und scheint ihre Zukunft vor allem bei jenen Gästen zu suchen, die mit einem einzigen Hauptgericht tagelang zurechtkommen wollen. Man sitzt angenehm, nichts geht wirklich schief - aber das ist angesichts der großen Konkurrenz, etwa am Gendarmenmarkt, auf Dauer zu wenig. Der alte Westen muß mehr bieten als Küchendienst nach Vorschrift.

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