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Wirtschaft: Gutes Betriebsklima – hohe Rendite

Unternehmen, die ihre Mitarbeiter fair behandeln und motivieren, haben einen Wettbewerbsvorteil

Profitgier, mangelnder Patriotismus, Verachtung der Mitarbeiter – die deutschen Unternehmen müssen in diesen Tagen viele Vorwürfe einstecken. Sehr zum Ärger derer, die sich eigentlich nicht betroffen fühlen. „Es werden einige wenige negative Beispiele herangezogen und damit alle Unternehmer in Misskredit gebracht“, sagt Klaus Hofer, Personalvorstand bei B. Braun Melsungen.

Der Hersteller von Medizinprodukten ist laut einer Studie der Corporate Research Foundation (CRF) der beste Arbeitgeber in Deutschland. Untersucht wurden dabei unter anderem Arbeitsbedingungen, Vergütung und Unternehmenskultur, aber auch die Arbeitsplatzsicherheit. Braun Melsungen hat die Zahl seiner Mitarbeiter in Deutschland in fünf Jahren um mehr als elf Prozent gesteigert – auf 8600. „Die Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital eines Unternehmens“, sagt Hofer. „Ich verstehe nicht, warum einige Unternehmen das nicht begreifen.“

Dabei ist die Mitarbeiterorientierung keine Sozialromantik, sondern ein wirtschaftlicher Erfolgsfaktor. „Für uns in Deutschland kann der Wettbewerbsvorteil nur in den Humanressourcen liegen“, sagt Erika Regnet, Professorin für Personalmanagement an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt. Und dafür sei ein gutes Betriebsklima wichtig. „Wenn die Leute nur mit Druck und Angst arbeiten, muss man sie ständig kontrollieren“, sagt Regnet, und das koste Zeit und Geld. „In kreativen und innovativen Bereichen kommen Sie mit Druck sowieso nicht weiter.“ Besonders wichtig sei deshalb der „psychologische Kontrakt“, der all das regelt, was nicht im Arbeitsvertrag steht. Der Arbeitgeber erwarte vom Mitarbeiter nicht nur Pünktlichkeit und eine gewisse Stundenzahl, sondern auch neue Ideen. Umgekehrt erwarte der Mitarbeiter eine faire Behandlung. „Wenn ein Unternehmen Riesengewinne macht und gleichzeitig Leute entlässt, wird das nicht als fair empfunden“, sagt Regnet, „da wird der psychologische Kontrakt gebrochen.“ Wissenschaftliche Studien hätten gezeigt, dass sich das Betriebsklima in vielen Bereichen verschlechtert habe.

Bei Braun Melsungen ist fehlende Motivation eher die Ausnahme. „Wir haben schon eine andere Kultur als viele andere Unternehmen“, bestätigt auch Betriebsratschef Peter Hohmann. Die „Braunianer“, wie sich die Mitarbeiter nennen, sind stolz auf das offene Betriebsklima. Das drückt sich nach außen vor allem im neuen Bürokonzept aus. Feste Arbeitsplätze gibt es nicht. Jeder Mitarbeiter hat einen Rollwagen, mit dem er sich einen Platz im Großraumbüro sucht – auch die Vorstandsmitglieder. „Das Konzept soll unsere flachen Hierarchien betonen“, sagt Vorstand Hofer, „auch wir wollen für die Mitarbeiter immer ansprechbar sein“.

Das rät auch Martin Spilker, Leiter des Kompetenzzentrums Unternehmenskultur und Führung bei der Bertelsmann-Stiftung. „Es sollte ein Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmensführung und Mitarbeitern bestehen“, sagt Spilker. „Die Betriebe, die eine partnerschaftliche Unternehmenskultur haben, sind mittel- und langfristig wirtschaftlich erfolgreich.“ Als Beispiel nennt er BMW. Der Autokonzern ist vor zwei Jahren für den Carl-Bertelsmann-Preis für Unternehmenskultur und Führungsverhalten nominiert worden. BMW hat nach eigenen Angaben in den vergangenen vier Jahren rund 11000 Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen, pflegt ein gutes Verhältnis zu den Arbeitnehmervertretern und motiviert seine Mitarbeiter durch erfolgsorientierte Bezahlung. „Unser Umgang mit den Mitarbeitern beruht auf dem Prinzip Leistung und Gegenleistung“, sagt Sprecherin Martina Hatzel. „2004 haben alle Mitarbeiter einen Zuschlag von 154 Prozent auf ihr Gehalt bekommen.“

Auch die Drogeriekette dm setzt auf motivierte Mitarbeiter. Ein finanzielles Anreizsystem gibt es hier nicht. „So etwas würde mit der Eigeninitiative der Mitarbeiter kollidieren“, sagt Manfred Stoffel-Kehry, der für Mitarbeiter verantwortliche Geschäftsführer. Genau darauf setzt das Karlsruher Unternehmen, das in Deutschland rund 13000 Mitarbeiter in 700 Filialen beschäftigt und dabei mehr als 2,2 Milliarden Euro Umsatz macht. „Wir stellen die Rahmenbedingungen dafür, dass die Mitarbeiter freiwillig mitmachen und eigenverantwortlich handeln können“, sagt Stoffel-Kehry. Um den Kontakt zu den Mitarbeitern nicht zu verlieren, packen die Geschäftsführer auch mal selbst in den Filialen mit an. „Erst letztes Jahr habe ich einen Tag lang eingepackt und kassiert“, sagt Stoffel-Kehry.

Stefan Kaiser

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