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Teil des Teams werden Zeitarbeitnehmer in der Regel nur, wenn sie länger bei ein und derselben Entleihfirma bleiben. Junge Berufsstarter stört das oft nicht – im Gegenteil. Sie lernen auf diese Weise verschiedene Unternehmen und Einsatzfelder kennen. Foto: picture-alliance/dpa

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Wirtschaft: Gutes Geld für kluge Köpfe

Den Personaldienstleistern gehen die Fachkräfte aus. Wer qualifiziert ist, kann manches aushandeln

Linda Owoo hat den Sprung in die Arbeitswelt geschafft. Ohne lange Wartezeit hat die 27-Jährige nach ihrem „Bachelor für internationale Kulturwissenschaften“ die Leitung der Event-Abteilung einer großen Stuttgarter Wirtschaftsprüfungsgesellschaft übernommen – allerdings nur für sechs Monate als Elternzeitvertretung. Linda Owoo wurde von der Zeitarbeitsfirma Adecco Personaldienstleistungen in die Baden-Württembergische Landeshauptstadt vermittelt. „Ich wäre selbst nie auf den Gedanken gekommen, mich bei Wirtschaftsprüfern als Event-Managerin zu bewerben“, gibt die Göttingerin zu. „Dafür fehlte mir der Einblick in die Branche.“ Über die Zeitarbeit schlüpfte sie wie selbstverständlich in die neue Rolle. Gerade mal vier Wochen dauerte es vom ersten Kontakt mit Adecco bis zu ihrem Einsatz.

Linda Owoo ist kein Einzelfall. Immer mehr junge, gut ausgebildete Akademiker betreten über Zeitarbeitsfirmen den Arbeitsmarkt. Anders als ihre weniger qualifizierten „Verleih-Kollegen“ werden sie oft nach Tarif oder sogar besser bezahlt – und schätzen ihre Einsätze als spannend und abwechslungsreich.

Der Grund für die gute Entlohnung ist vor allem der akute Fachkräftemangel. Wegen der positiven konjunkturellen Entwicklung werde es „immer schwieriger, qualifizierte Mitarbeiter zu finden und sie dann auch noch von der Zeitarbeit zu überzeugen“, sagte Andreas Dinges, Vorstandsmitglied des Bundesarbeitgeberverbands der Personaldienstleister (BAP) Ende Juli der Zeitung „Die Welt“. In einigen Gegenden in Süddeutschland finden Zeitarbeitsunternehmen laut Dinges „definitiv keine Leute mehr“. Dies gelte nicht nur für Akademiker, sondern auch für Facharbeiter. Die Firmen müssten sich deshalb wirklich anstrengen, für die Mitarbeiter attraktiv zu sein.

Linda Owoo empfindet es als angenehm, dass sie während ihrer Einsätze ein gleichmäßiges Gehalt erhält – egal, wo sie gerade arbeitet. Im November will sie aber trotzdem wieder die Schulbank drücken und einen Bachelor in Public Relation und Kommunikation machen, „um meinen Horizont zu erweitern und meine Chancen zu verbessern.“ Die junge Frau wird dafür bei Adecco kündigen. Allerdings kann sie sich gut vorstellen, nach dem Zusatzstudium wieder zurückzukehren und als Zeitarbeiterin ihr Geld zu verdienen – um dann unter Umständen von einem zufriedenen Auftraggeber übernommen zu werden.

Das „Sprungbrett in die Festanstellung“, der viel beschworene „Klebeeffekt“ – wie hoch ist er derzeit wirklich? Laut Petra Timm vom Personaldienstleister Randstad in Eschborn liegt „die Übernahmequote bei uns im Durchschnitt bei 30 Prozent, variiert allerdings stark nach Region und Qualifikation des Arbeitnehmers.“ In München beispielsweise bliebe jeder zweite über Randstad vermittelte IT-Spezialist nach Beendigung des Auftrags bei der Entleiherfirma. Wer sich mit Bits und Bytes auskenne, könne sich unter vielen Angeboten einen Job aussuchen: „Wir haben derzeit rund 9000 offene Stellen.“ Gebraucht werden laut Timm aber auch Biologen, Kommunikationswissenschaftler, technische Einkäufer und Maler.

BAP-Vorstandsmitglied Andreas Dinges sucht als Deutschland-Manager bei Adecco in Düsseldorf „händeringend“ Ingenieure. Außerdem haben Finanzbuchhalter, Softwareentwickler, HR-Manager und Konstrukteure gute Karten. Allein in Berlin hat der Personaldienstleister mehr als 300 offene Stellen. Wer eine gesuchte Qualifikation besitze, könne derzeit als Leiharbeitnehmer nicht nur gutes Geld verdienen, sondern auch Weiterbildungsmöglichkeiten aushandeln.

Zur Adecco-Gruppe gehört auch die Deutsche Industrie Service AG (Dis AG). Ein Viertel ihrer 8000 Mitarbeiter besitzt einen Hoch- oder Fachhochschulabschuss, sagt Unternehmenssprecher Andreas Lehmann und berichtet von einem promovierten Informatiker, der bereits seit 17 Jahren für die Dis AG im Einsatz ist. Mal komme er für ein paar Tage als „IT-Feuerwehr“ in eine Firma, mal bleibe er fünf Jahre bei einem Entleiher. Für den Klebeeffekt habe er sich bisher nicht interessiert, ihn reize die Abwechslung. Wäre er bei einer Firma fest angestellt, müsste er sich für einen Schwerpunkt entscheiden. „Dann heißt es entweder IT-Systeme oder Datenbanken oder Analyse.“ Von allem etwas, das gebe es nur bei der Zeitarbeit. In seiner Laufbahn als IT-Leiharbeiter habe er schon zwölf Übernahmeangebote abgelehnt. Warum? Er hätte umziehen müssen und das Gehalt wäre auch nicht besser gewesen.

Außerdem interessant: Die Anstellungsverträge zwischen einer Zeitarbeitsfirma und ihren Angestellten sind fast immer unbefristet, während in der Industrie oft nur noch befristete Stellen ausgeschrieben werden. Ist Zeitarbeit für Akademiker und Facharbeiter also das Modell der Zukunft? Andreas Dinges glaubt das. In Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden sei das bereits Gang und Gebe: „Für viele Branchen ist Zeitarbeit die Antwort auf die sehr schwankende Auftragslage auf einem globalisierten Markt.“ (mit AFP)

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