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Wirtschaft: Halbherziger Kampf gegen unseriöse Vertreter

Bundesregierung erhöht die Anforderungen an Versicherungsvermittler - doch Verbraucherschützer zweifeln am Erfolg

Berlin - Verbraucherschützer werfen der Bundesregierung vor, im Kampf gegen unseriöse Versicherungsvertreter nicht konsequent genug zu sein . Sie fordern, dass die gesetzlichen Anforderungen an Versicherungsvermittler höher geschraubt werden als bisher vorgesehen. „Ein Großteil der Vertreter bleibt außen vor“, sagte Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten dem Tagesspiegel. Nach dem Entwurf von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU), der kürzlich vom Kabinett verabschiedet worden ist, sollen die nebenberuflichen Agenten, die nach Feierabend Policen verkaufen, künftig so weitermachen dürfen wie bisher.

Dabei hatte die Bundesregierung sehr viel Zeit zu regeln, wer künftig in Deutschland Versicherungen verkaufen darf. Eine entsprechende EU-Richtlinie, die dem deutschen Gesetz zu Grunde liegt, hätte nämlich schon vor eineinhalb Jahren umgesetzt werden müssen. Erst als Brüssel mit einem offiziellen Vertragsverletzungsverfahren drohte, kam Bewegung in die Sache.

Nach dem Entwurf des Wirtschaftsministeriums sollen Versicherungskunden künftig ein ausführliches Beratungsgespräch mit dem Versicherungsvermittler führen, das auch dokumentiert werden muss. Geregelt werden muss auch, wer künftig die Haftung für Beratungsfehler übernimmt. Versicherungsmakler, die Policen unterschiedlicher Gesellschaften vertreiben, sollen eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen, für Vertreter, die nur die Versicherungen eines einzigen Anbieters verkaufen, haftet in aller Regel das Unternehmen. Und wichtig: Wer künftig neu in das Geschäft einsteigt, muss seine Sachkunde nachweisen und eine Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer ablegen.

Die Tücken stecken im Detail. „Die Liste der Ausnahmen erstreckt sich über eine ganze Seite“, kritisiert Verbraucherschützer Rudnik. Feierabend-Vertreter werden von dem Gesetz genauso wenig erfasst wie Versicherungsverkäufer, die vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits im Geschäft waren. Auch Drückerkolonnen könnten weiterhin Klinken putzen gehen. Sie alle dürfen erst einmal so weitermachen wie bisher. Auch die IHKen können noch nicht abschätzen, wie viele Prüfungskandidaten sie im Jahr haben werden. „Eine realistische Einschätzung ist derzeit nur schwer möglich“, räumt Klaudia Hüls vom Dachverband DIHK ein, die Schätzungen variieren zwischen 3000 bis 8000 Prüfungen im Jahr.

Das Problem: Die nebenberuflichen Vertreter stellen das Gros der Verkäufer. Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute gibt es in Deutschland derzeit rund 40 000 hauptberufliche Versicherungsvermittler, auf die das neue Gesetz Anwendung findet. Ihnen stehen gut 300 000 Nebenberufler gegenüber.

„In Deutschland gibt es pro Kopf zehn Mal so viele Vermittler wie in Frankreich oder England“, sagt Rudnik, „dennoch sind die Deutschen nicht besser versichert – im Gegenteil.“ Obwohl jeder deutsche Haushalt rund 2960 Euro jährlich für Versicherungen ausgibt, sind viele Menschen falsch versichert, kritisiert auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Der Abschluss falscher oder zu teurer Versicherungsverträge koste die Bundesbürger Jahr für Jahr Milliarden Euro. Das liegt nach Meinung der Verbraucherschützer auch an dem schrankenlosen Zugang zum Vermittlerberuf: Weil Personen ohne jegliche Fachkenntnis als Vermittler auftreten können, würden diese von so genannten Strukturvertrieben oder von Versicherern angeworben. Diese versprechen ihnen hohe Einkünfte und schicken die in Schnellkursen „geschulten" frisch gebackenen „Berater" auf Kundenfang.

Das neue Vermittlergesetz soll das ändern. Doch in der Praxis wird sich nicht viel ändern, fürchtet der Bund der Versicherten. So orientiere sich die Sachkundeprüfung nicht etwa an dem etablierten Ausbildungsberuf des Versicherungskaufmanns, sondern an dem von der Branche selbst geschaffenen „Versicherungsfachmann“. Diese Ausbildung kann man innerhalb von 222 Stunden erledigen. Und: Fast die Hälfte der Zeit entfällt auf Verkaufsschulungen.

Kein Wunder, dass die Branche dem Gesetz, das im nächsten Februar in Kraft treten soll, entspannt entgegen sieht. Die Huk Coburg, die überwiegend mit nebenberuflichen Vermittlern arbeitet, will diese künftig zwar noch stärker in Fragen der Schadensregulierung schulen, ansonsten „ist die Aufgeregtheit bei uns gering“, sagt Huk-Sprecher Alois Schnitzer. Für ihre haupt- wie nebenberuflichen Vertreter wird die Huk Coburg die volle Haftung übernehmen genauso wie das die Hamburg-Mannheimer für ihre Ausschließlichkeitsvermittler plant.

Auch die großen Finanzvertriebe AWD und OVB sehen kaum Handlungsbedarf. Die AWD-Berater legen bereits heute eine Prüfung zum „Fachberater für Finanzdienstleistungen“ ab und seien mit dieser Ausbildung „bereits seit Jahren auf die erhöhten Anforderungen hin ausgebildet“, heißt es bei AWD. Bei der OVB Vermögensberatung verweist auf man auf die Ausbildung zum „Certified financial consultant“, die über den gesetzlichen Anforderungen liege. Allerdings werde man künftig darauf achten, dass die rund 1400 haupt- und 1750 nebenberuflichen deutschen Berater ihre Ausbildung abgeschlossen haben, bevor sie in den Verkauf einsteigen. Bisher ist das auch parallel möglich.

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