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Eintrag ins Goldene Buch der Stadt. Chinas Premier Li Keqiang zu Gast bei Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz.

© dpa

Hamburg Summit: China will die Lösung sein

Der deutsch-chinesische Wirtschaftsgipfel in Hamburg mit Premier Li Keqiang zeigt Perspektiven für eine Zusammenarbeit auf – nicht zuletzt für Familienunternehmen.

Richard Weber ist mit einer bedrohlichen Nachricht für Deutschlands Biertrinker zum „Hamburg Summit“ gekommen. Der Präsident des Dachverbandes der europäischen Kammerorganisation Eurochambres berichtet auf der Wirtschaftskonferenz von einer insolventen Brauerei aus dem Sauerland, die von einem chinesischen Geschäftsmann gerettet worden ist. Dieser lässt das Bier nun nicht mehr für den lokalen Markt produzieren, sondern verschifft es nach China. Auch eine französische Brauerei mache das so. „Der Markt in China ist so groß“, sagt Weber, vielleicht sogar zu groß. „Wenn sich der Bierkonsum in China verdoppeln würde, gäbe es für den Rest der Welt keinen Hopfen mehr – dann können wir aufhören mit dem Biertrinken“, sagt Weber.

Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen China und Europa bietet eben beides: Chancen und Herausforderungen. Das war beim mit 550 Teilnehmern hochrangig besetzten deutsch-chinesischen Wirtschaftsgipfel der Hamburger Handelskammer gut zu beobachten, der am Samstag auch vom deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und dem chinesischen Premierminister Li Keqiang besucht wurde. Der chinesische Regierungschef machte dabei deutlich, dass sein Land am Wachstumsziel von 7,5 Prozent in diesem Jahr festhalte – trotz nachlassender Weltkonjunktur.

China will Technologiestandort werden

„Man sieht mehr und mehr gegenseitige Abhängigkeiten“, sagte der scheidende europäische Handelskommissar Karel de Gucht. „China ist jetzt in einer anderen Position als vor fünf Jahren: Das Wachstum verlangsamt sich, die Chinesen haben ernsthafte Probleme mit ihrem Bankensystem und sie haben wie Europa Probleme mit der Verlangsamung der globalen Wirtschaft.“

Gegenwärtig baut die chinesische Regierung das eigene Wirtschaftssystem um. Die nach den USA zweitgrößte Volkswirtschaft will weg von einem auf Investment und Export basierendem Wachstum, hin zu inländischem Konsum und Dienstleistungen. Die Werkbank der Welt soll sich in einen Standort für hochwertige und nachhaltige Technologien wandeln. „Dafür wird Know-how gebraucht“, sagt Axel Schweitzer, Chef des auch in China tätigen Berliner Recyclingunternehmens Alba, „und die Chinesen wissen, wo das Know-how sitzt.“ Oft in Europa, manchmal auch in Berlin. So hat am Freitag der Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof im Rahmen der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen einen Kooperationsvereinbarung mit der Sino-German Metal Ecocity in Jieyang in der Provinz Guangdong unterzeichnet.

Das China-Bild der Deutschen ist oft negativ

Doch es gibt auch Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit. Wie Meinungsumfragen zeigen, existieren auf beiden Seiten Vorurteile. Der Berliner China-Thinktank Merics berichtet, dass Chinesen Europa als absteigende Macht betrachten, die nicht bereit ist, China als gleichberechtigten Partner zu akzeptieren. Europäer hingegen sehen China als aufstrebende Macht, die nicht nach den europäischen Regeln spielt. In Deutschland ist das China-Bild besonders schlecht, 2014 hatten nur 28 Prozent eine positive Meinung (Frankreich 47 Prozent). Der Europaparlamentarier Reinhard Bütikofer (Grüne) macht mangelndes Wissen über China in Europa als einen Grund dafür aus. Der kritischen Medienberichterstattung, die oft von chinesischer Seite moniert wird, will er nicht die Schuld geben. „Man sollte nicht den Überbringer der Nachricht umbringen“, sagte er, „wir müssen sauber bleiben und weiter auf Dialog setzen.“ Auch daran fehlt es gelegentlich, wie Karel de Gucht im jüngst beigelegten Solarstreit erkannt hat. „Es gab keine wirklichen Verhandlungen und Diskussionen“, sagte er, „aber wir brauchen Verhandlungen, denn China ist eine globale Macht geworden und muss auch Verantwortung für die Weltwirtschaft übernehmen.“

Chinas Investitionen in Deutschland nehmen zu

Längst ist auch das Interesse chinesischer Investoren an Übernahmen und Zusammenschlüssen mit deutschen Firmen gestiegen. Wie die neue chinesische Handelskammer in Deutschland berichtet, gibt es inzwischen 2000 chinesische Firmen, die in Deutschland eine Firma übernommen haben oder als Joint Venture betreiben. Die meisten sind kleine oder mittelständische Unternehmungen, insgesamt tragen die Chinesen in Deutschland bereits für 12 000 Jobs die Verantwortung. In erster Linie siedeln sich die chinesischen Firmen in Nordrhein-Westfalen (800), Hessen (530) und Hamburg (516) an, die neuen Bundesländer inklusive Berlin (55) sind auffallend unterrepräsentiert. Womöglich spiegelt sich ein genereller europäischer Trend wider. „In Westeuropa setzen die Chinesen auf hochwertiges Investment“, sagt Margot Schüller, Asien-Direktorin des Giga-Politikinstituts, „in den osteuropäischen Ländern stehen oftmals die Fabriken.“ Die Chinaexpertin prognostiziert eine weitere Zunahme chinesischer Investitionen in Europa.

Der Mittelstand ist besonders interessant

Für die Finanzinvestitionen ist He Linbo zuständig, der Manager verantwortet den europäischen Privat-Equity-Bereich des riesigen chinesischen Staatsfonds CIC. Nach seiner Auskunft ist CIC auch in Dax-Unternehmen investiert, in welchen, will er auf Nachfrage nicht sagen. Dax-Unternehmen hätten nicht seine Priorität. „Mich interessieren die kleinen und mittelgroßen Unternehmen, der deutsche Mittelstand“, sagte He Linbo. Familienunternehmen hätten mitunter beim Übergang auf die nächste Generation ein Problem beim Verkauf. „Und vielleicht liegt ja die Lösung ihres Problems in China“, sagt He Linbo.

So denken auch die europäischen Firmen, die in China aktiv sind. Dabei setzen sie auf den ambitionierten Reformprozess in der chinesischen Wirtschaft und hoffen auf besseren Marktzugang. „Wir werden unsere Probleme nicht lösen, wenn wir weitere Handelsbarrieren errichten“, sagte der Hamburger Handelskammerpräsident Fritz Horst Melsheimer, „wir brauchen mehr Handel mit China nicht weniger.“ Zumindest darin waren sich alle Konferenzteilnehmer einig.

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