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Wirtschaft: Handy-Nutzer sollen für Kampf gegen den Terror zahlen

Datenschützer und Telekommunikationsunternehmen ziehen gegen den EU-Plan zu Felde, aus Sicherheitsgründen Telefon- und Internet-Daten zu speichern

Berlin – Diesmal sitzen sie in einem Boot: die Datenschützer und die deutsche Industrie. Beide Seiten fürchten, dass aus Brüssel großes Unheil auf sie zukommt. Das könnte passieren, wenn die EU sich auf einen Rahmenbeschluss einigt und Telekommunikations- und Internetfirmen verpflichtet werden, alle Daten über die Nutzung von Telefon, Handy und Internet mindestens zwölf Monate zu speichern. Es sind die Innen- und Sicherheitspolitiker, die diese Daten gern zur Verfügung hätten – zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Terror.

Doch die Datenschützer sehen die Grundrechte auf freie Meinungsäußerung in Gefahr und die Unternehmen fürchten, dass Kosten in dreistelliger Millionenhöhe und unbeherrschbare Datenmengen auf sie zukommen. Heute ist es technisch möglich, nicht nur Daten über jedes Telefongespräch, jede SMS und jede E-Mail zu erfassen. Jeder Schritt eines Mobilfunkkunden lässt sich überwachen. Ein eingeschaltetes Handy übermittelt permanent Signale, wo sich der Nutzer gerade befindet.

So lassen sich theoretisch lückenlose Bewegungsprofile erstellen. Heute schon können Strafverfolgungsbehörden solche Daten bei den betreffenden Firmen erfragen.

Aber bisher werden diese Daten nicht generell gespeichert. Die Unternehmen erfassen nur die Daten, die sie brauchen, um eine Rechnung schreiben zu können. Nach 80 Tagen werden die Daten gelöscht – so verlangen es die Datenschützer. So sieht es auch das neue Telekommunikationsgesetz vor, das am Sonnabend gerade erst in Kraft getreten ist.

Doch Frankreich, Großbritannien, Irland und Schweden haben einen europäischen Rahmenbeschluss vorgeschlagen, der eine Speicherung dieser Daten für mindestens zwölf bis maximal 36 Monate vorsieht. Hintergrund der Initiative ist eine am 25. März vom Europäischen Rat verabschiedete Erklärung zum Kampf gegen den Terrorismus. Würde der Rahmenbeschluss so wie vereinbart umgesetzt, müsste er auch von Deutschland in nationales Recht gegossen werden. Erste Sympathisanten gibt es: Bayern begrüßt die Initiative aus Ländern, die nicht so „überempfindlich in Datenschutzdingen sind“, wie ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums dem Tagesspiegel sagte. Die Vorratsdatenspeicherung sei aberwitzig teuer und unverhältnismäßig, kritisiert dagegen Hubertus Heil, telekommunikationspolitischer Sprecher der SPD, gegenüber dem Tagesspiegel.

Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) fürchtet vor allem die hohen Kosten. Dem „fraglichen Mehrwert“ der Informationen stünden auf der anderen Seite erhebliche Belastungen der Wirtschaft gegenüber, argumentiert der BDI in einem Positionspapier. „Nach ersten Schätzungen liegen allein die Investitionskosten bei größeren Festnetz- und Mobilfunkunternehmen zusammen in dreistelliger Millionenhöhe“, schreibt der BDI. Hinzu kämen die jährlichen Betriebskosten von insgesamt mindestens 50 Millionen Euro. Zudem würde ein Suchlauf durch die Daten bei der heute vorhandenen Technik ohne zusätzliche Investitionen cirka 50 bis 100 Jahre dauern, hat der BDI errechnet. Dass die Strafverfolgungsbehörden für die Kosten der Datenspeicherung aufkommen sollen, davon stehe im Rahmenbeschluss nichts.

„Wir wollen nicht der verlängerte Arm der Strafverfolgungsbehörden sein und Daten sammeln, die wir für unser Geschäft gar nicht brauchen – noch dazu ohne dafür bezahlt zu werden“, sagte Jürgen Grützner, Geschäftsführer des VATM (Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten). „Am Ende müsste das der Verbraucher mit höheren Telekommunikationsgebühren bezahlen.“

Die Datenschutzbeauftragten haben erhebliche Zweifel, ob der vorgeschlagene Rahmenbeschluss mit der europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar ist. „Die Telekommunikationsnetze sollten nur für Kommunikation und nicht für andere Zwecke genutzt werden“, sagte der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka dem Tagesspiegel. Menschen hätten das „Recht, ihre Kommunikation zu verschlüsseln und zu anonymisieren“.

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