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Hans-Jürgen Urban: "Westerwelle will Armutslöhne"

IG-Metall-Vorstand Hans-Jürgen Urban spricht über die Reform des Sozialstaats.

Herr Urban, die Kosten für Hartz IV tragen nicht zuletzt Ihre Leute, die Belegschaften in der Metallindustrie. Die dürften Verständnis haben für die aktuelle Debatte.



Die Leute verstehen sehr wohl, dass die Debatte schiefläuft. Ihnen ist auch klar, dass sie befürchten müssen, wenn sie arbeitslos werden, schon morgen vom Hartz-Regime betroffen zu sein. Guido Westerwelles Verhalten erinnert schon sehr an die Rechtspopulisten Blocher und Haider. Diese Art von Stigmatisierung von Arbeitslosen und Hilfsbedürftigen vergiftet die politische Kultur.

Wie erklären Sie die große Resonanz?


Diese Demagogen schaffen sich ihren eigenen Resonanzboden. Dabei geht es Westerwelle ja nur um Ablenkung vom katastrophalen Zustand der Regierung und dem Absturz der FDP.

Geht es nicht um die Hartz-IV-Sätze?

Der Kern des Urteils des Bundesverfassungsgerichts ist der Auftrag an die Politik, Hartz IV so zu gestalten, dass es dem Grundrecht auf Existenzsicherung und gesellschaftliche Teilhabe gerecht wird. Stattdessen versucht Westerwelle mit seiner Polemik dies ins Gegenteil zu verkehren. Die Debatte muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden.

Und wie?


Westerwelle kennt entweder die Fakten nicht oder will sie nicht zur Kenntnis nehmen. Die Zumutbarkeitsregeln sind so ausgestaltet, dass alle Arbeiten angenommen werden müssen, sofern sie nicht sittenwidrig sind. Wenn also Hilfeempfängern zum Schneeschippen geschickt werden sollen, dann ist das schierer Populismus, denn das gibt es ja längst.

Aber die Ausgaben für Soziales steigen.


Gemessen an unserem Sozialprodukt sind die Ausgaben ziemlich konstant geblieben. Der Trend geht nach oben, weil es Folgekosten einer verfehlten Politik gibt: Der riesige Niedriglohnsektor mit Armutslöhnen bringt es mit sich, dass Millionen zusätzliche Hilfe vom Staat brauchen. Westerwelle kritisiert jetzt Sozialstaatskosten, die er mit seiner Politik selbst erzeugt hat. Das ist grotesk.

Wie wollen Sie die Debatte drehen?

Die Angst vor Arbeitslosigkeit, und vor dem Absturz in Hartz IV, reicht bis in die Mitte der Gesellschaft. Wir setzen dagegen eine sozialstaatliche Reform für und nicht gegen die Menschen. Die Menschen in erbärmliche Arbeit zu zwingen, widerspricht dem Sozialstaatsgebot.

Also?

Es geht uns um eine sozialstaatliche Form des Wiedereinstiegs ins Erwerbsleben, indem wir uns auf Weiterbildung und Qualifizierung konzentrieren. Und in dem jede Arbeit entweder tariflich geschützt oder durch einen Mindestlohn abgesichert ist. Westerwelle will das System der Armutslöhne zementieren, indem er gegen Sozialleistungen polemisiert und Opfer zu Tätern macht.

Zur Person

Hans-Jürgen Urban (48) ist im geschäftsführenden Vorstand der IG Metall für Sozialpolitik zuständig.
Mit dem promovierten Sozialwissenschaftler sprach Alfons Frese.

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