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Euro für alle. Hans-Olaf Henkel wähnt sich in der „Maulkorb-Republik“. In den Medien dürfe er nicht ausreden, sagt er, deshalb zieht es ihn nun in die großen Hallen.

© dapd

Hans-Olaf Henkel: Der Euro-Abwracker

Einst war Hans-Olaf Henkel BDI-Präsident und glühender Verfechter der gemeinsamen europäischen Währung. Nun fordert er ihr Ende – und geht damit auf Tournee.

Howard Carpendale kommt. Hansi Hinterseer, Udo Jürgens, die Höhner, das Russische Staatsballett. Sie singen und tanzen demnächst in Berlin und hoffen, dass viele Leute sich von ihnen zerstreuen lassen wollen, in der O2-World oder im Friedrichstadtpalast.

Hans-Olaf Henkel kommt auch. Sein Konterfei prangt mancherorts über dem der Höhner. Singen kann er auch. „Stardust – fast so gut wie Nat King Cole, sagt meine Frau.“ Doch Henkel kommt nicht, um zu singen. Er hat anderes im Sinn. „Rettet unser Geld!“, schreit sein Plakat. Der 71-Jährige ist auf einer Mission. „Die Alternative zur Europolitik“ will er erklären. Ein Ex-Manager auf Tournee – „wie die Künstler, das ist neu“, grinst Henkel. Für 15 Euro Eintritt gibt es klare Worte. „Unabhängig! Ehrlich! Verständlich!“ hat der Veranstalter auf die Poster drucken lassen.

Henkel, ausgerechnet. Er ist so etwas wie der perfekte Neoliberale, zumindest für die Marktskeptiker, die sich obenauf fühlen in diesen Tagen. Jahrelang hat er den Deutschen erklärt, warum ihre Wirtschaft nicht funktioniert, warum sie den Gürtel enger schnallen müssen. Erst als Deutschlandchef von IBM, dann als BDI-Präsident, zuletzt als Dauergast in Talkshows. Jetzt hat er Größeres vor: Henkel kämpft für das Ende des Euro. „Wir laufen in die Transferunion hinein. Wenn wir für die Schulden anderer mithaften, sinkt am Ende der Wohlstand in ganz Europa“, doziert er am Freitag in Berlin in seiner unterkühlten, norddeutschen Art.

Der Mann hat sich eine komplexe Materie ausgesucht. Bei der Rettung des Euro kommen schon lange nur noch Fachleute mit, selbst die Abgeordneten im Bundestag tun sich schwer. Doch die Regierung bleibt bei ihrer Linie, das Einheitsgeld um jeden Preis zu bewahren. „Scheitert der Euro, scheitert Europa“, sagt Angela Merkel. Alternativen gebe es nicht.

Henkel bringt das auf die Palme. „Natürlich gibt es Alternativen“, ruft er. Die würden aber von Politik und Medien niedergebügelt, „mit fadenscheinigen Totschlagargumenten“, wie er findet. „Es gibt sofort Reflexe.“ Gegen den Euro zu sein, sei politisch eben nicht korrekt. Nicht einmal das Verfassungsgericht hat dem Treiben Einhalt geboten. Auf die Ökonomen könne man erst recht nicht zählen. Denen fehle der Mut, und sie seien abhängig von den Politikern, die ihren Instituten Geld bewilligten. „Das frustriert mich wahnsinnig“, bekennt Henkel. Schon früher hat er verächtlich von der „Maulkorb-Republik“ gesprochen. Er kennt das Gefühl, mit seiner Meinung recht allein dazustehen.

So wie jetzt. Henkels Alternative ist der Austritt der nordeuropäischen Staaten aus dem Euro. Deutschland, Finnland, Österreich und die Niederlande sollten eine eigene Währung aufmachen – Europa wäre geteilt. Aber nicht am Ende. „Es hat Europa auch schon vor dem Euro gegeben. Wenn es möglich war, aus 17 Währungen eine zu machen, sollte es möglich sein, aus einer Währung zwei zu machen.“

Doch Henkel hat ein Problem, und das heißt Hans-Olaf Henkel. Er gehört zur „Das-wird-man-doch-noch-sagen-dürfen-Fraktion“ – so wie Thilo Sarrazin. Dem hat er einen offenen Brief geschrieben, als vor einem Jahr dessen umstrittenes Buch erschien. Er unterstütze seine Äußerungen „ohne jedes Wenn und Aber“, er habe sich „auch in der Ausdrucksweise nicht vergriffen“. Wie Sarrazin glaubt er sich dem Bürger nah, schließlich sähen zwei Drittel der Deutschen die Euro-Frage kritisch. „Es gibt keine Demokratie auf der Welt, wo Parteien so mächtig sind und der Bürger so wenig zu sagen hat, wie bei uns.“ Solche Sprüche kommen an in einer Mediendemokratie, in der die Gewählten jedes Wort wägen, um ihr Fortkommen nicht zu gefährden.

Er ist der Populist, den die Krise bislang nicht hervorgebracht hat, einer, der aus komplexen Tatsachen Wahrheiten macht, die nicht einmal abstrus klingen. Für ihn spricht, dass er auf niemanden Rücksicht nimmt, ihn niemand bezahlt. Und dass er selbstkritisch ist. „Die größte Fehleinschätzung meiner Laufbahn“ nennt er seinen Kampf für den Euro in den neunziger Jahren. Diese Erkenntnis kostet er aus bis zur Arroganz. Es sei „in Deutschland leichter, Fehler zu machen, als Fehler einzugestehen“, tönt er. Vielleicht wird man so, wenn man unbeirrt an Marktwirtschaft und Effizienz glaubt und von den Krisen des Systems überrollt wird.

Warum die Tournee, gerade jetzt? Ist er der Gründer der Anti-Euro-Partei, die die Politiker fürchten? Zunächst seien die Auftritte ein Test, wiegelt er ab. Drei Stationen sind geplant, Münster, Hamburg, am 29. Oktober Berlin. Womöglich folgen weitere Termine. Und dann? „Eine neue Partei ist wie ein reife Pflaume am Baum – Sie müssen nur noch dagegentreten, dann fällt sie runter“, sagt er. Doch deren Galionsfigur will er nicht sein. „Wenn es eine Partei gibt, die ein akzeptables Programm hat, unterstütze ich sie.“ Die FDP, einst seine Leib-und-Magen-Partei, wird das nicht sein. „Unwählbar“ sei sie, wegen Libyen und eben der Euro-Politik. Dabei habe die Partei eine Chance, wenn sie ihre Haltung zum Euro ändere. „Sie lässt hier ein riesiges Potenzial liegen.“

Immerhin, auch einen Tipp will er den Leuten mitgeben – schließlich spricht er über die Rettung des Geldes. „Verschulden Sie sich, kaufen Sie eine Immobilie“, rät Henkel. Vielleicht zieht das. Howard Carpendale und Hansi Hinterseer werden sich anstrengen müssen.

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