zum Hauptinhalt
Einmal im Jahr findet in Berlin die internationale Tourismusmesse ITB statt.

© dpa

Harter Konkurrenzkampf: Berlin ringt um neue Strategie im Kongressgeschäft

Der internationale Wettbewerb um Kongresse ist hart. Berlin mangelt es an attraktiven Kongressflächen. Will die Hauptstadt weiterhin Kongress- und Messestadt sein, muss schnell eine neue Strategie her.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Noch im März muss der Chef der Berliner Messe, Christian Göke, dem Wirtschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses Rede und Antwort stehen. Es geht um die „wachsende Kongressstadt Berlin“. Die Koalitionsfraktionen SPD und CDU haben die Anhörung beantragt, der Diskussionsbedarf ist groß. Die Kongress- und Messestadt Berlin soll sich im harten internationalen Wettbewerb weiterentwickeln, dafür müssen alte Standorte modernisiert und neue geschaffen werden.

Das kostet viel Geld und ein Konzept, auf das sich alle einigen könnten, gibt es nicht. Bisher stehen nur schwierige Fragen im Raum. Wird auf dem traditionellen Messegelände in Charlottenburg ein zweiter City Cube, also eine weitere Kongress- und Ausstellungshalle benötigt? Wie sanierungsbedürftig sind die bestehenden Hallen? Was wird aus dem Internationalen Congress Centrum (ICC) am Messedamm? Soll das Flughafengebäude in Tempelhof in das Berliner Kongressgeschäft stärker einbezogen werden? Muss sich die öffentliche Hand auch finanziell mehr engagieren oder kann der freie Markt die zweifellos wachsende Nachfrage nach Kongresskapazitäten regeln?

Berlin könnte lukrative Veranstaltungen verlieren

Unklar ist auch, ob der Mangel an Kongressflächen jetzt schon dazu führt, dass Berlin in den kommenden Jahren lukrative Veranstaltungen verlieren könnte. Eine interne Studie, die von der Messe und Visit Berlin in Auftrag gegeben wurde, deutet daraufhin. Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) verweist aber darauf, dass es sich bei den Daten, die öffentlich gehandelt werden, noch um eine nicht belastbare „Trendprojektion“ handele. Die fertige, „valide“ Studie soll dem Wirtschaftsausschuss Ende März zur Verfügung gestellt werden.

Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Jörg Stroedter sieht aber jetzt schon die Gefahr, „dass viele große Kongresse verloren gehen“. Vorstandschef Göke mache einen Fehler, wenn er sich hauptsächlich auf die Messen konzentriere und das Kongressgeschäft vernachlässige. Es gibt hier wohl einen Interessenkonflikt: Aus den Messen kommen die Haupterlöse für das Landesunternehmen. Kongresse wiederum bringen Kaufkraft in Milliardenhöhe in die Stadt, das findet der Senat sehr attraktiv. Senatorin Yzer ist allerdings der Meinung, dass „es nicht primär die Aufgabe des Landes Berlin ist, für zusätzliche Kongresskapazitäten zu sorgen“. Das Geschäft werde jetzt schon großenteils durch private Veranstalter betrieben. Auch der CDU-Experte Michael Dietmann sagt: „Wir müssen nicht immer nur nach der Messe GmbH schreien.“

Das Estrel Center in Neukölln gilt als vorbildhaft

Als positives Beispiel nennt die Wirtschaftsverwaltung in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen das Estrel Center in Neukölln, das mit dem Bau einer weiteren Convention Hall ab September 2015 zusätzlich 25 000 Quadratmeter Veranstaltungsfläche schaffe. Außerdem verweist Yzer auf privates Engagement im Bereich des Westhafens für neue Kongresskapazitäten. Die öffentliche Hand sei trotzdem nicht untätig, „bis hin zum Humboldt-Forum“, das 2019 eröffnet wird.

Dann gibt es noch das ICC, das seit 2014 geschlossen ist. SPD und CDU haben bislang nur einen Minimalkonsens: Der Senat stellt für die Sanierung des ehemals wichtigsten Kongressgebäudes der Hauptstadt 200 Millionen Euro zur Verfügung, es soll künftig eine „Mischnutzung“ des ICC geben, wobei 5000 Quadratmeter Nutzfläche für Kongresse reserviert werden. Das wäre nur ein Drittel der früheren Kapazitäten und alles, was darüber hinausgeht, ist senatsintern strittig. So schlägt der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) vor, das ICC wieder schwerpunktmäßig zu einem Kongresszentrum auszubauen, er will das Problem dem Vernehmen nach vor der Wahl 2016 abräumen.

Allein die Sanierung von Tempelhof würde 156 Millionen Euro kosten

Die Frage ist, ob Müller die SPD-Fraktion für seine Ziele gewinnen kann. Einen zweiten Kongress-Neubau als Ergänzung zum City Cube, eine Idee des Messevorstands, lehnt er übrigens strikt ab. Die CDU wiederum will beim ICC private Investoren mit ins Boot nehmen und der Wirtschaftssenatorin Yzer schwebt vor, im alten Flughafengebäude Tempelhof neue Kongressräume zu schaffen und die Bewirtschaftung des Gebäudes der Messe zu überlassen. Der CDU-Fraktionschef Florian Graf unterstützt dies sehr.

Müller und Yzer lassen aber offen, ob und wie ihre Vorschläge bezahlbar sind. Der Sanierungsbedarf in Tempelhof wird auf mindestens 156 Millionen Euro geschätzt, eine sehr konservative Annahme. Eine komplette Wiederverwendung des ICC als landeseigenes Kongresszentrum würde mindestens 500 Millionen Euro kosten. Und es gibt noch weitere Finanzprobleme, die im Zusammenhang mit der Messepolitik stehen.

Denn im Sommer dieses Jahres wird die Messe GmbH einen Masterplan vorlegen, der den Investitionsbedarf auf dem Gelände am Funkturm darlegen soll. Mit Ausnahme des City Cube sind die Hallen und technischen Anlagen in die Jahre gekommen, die jüngsten Gebäude wurden in den neunziger Jahren fertiggestellt. Zwar ist es dem Senat gelungen, mit dem Grundlagenvertrag von 2013 bis 2017 den jährlichen Zuschuss für die Bewirtschaftung des Geländes von 14 auf zehn Millionen Euro zu drücken – verbunden mit der Erwartung, dass die Messe ihren laufenden Betrieb mittelfristig selbst tragen soll. Doch mit dem Masterplan drohen hohe Investitionsausgaben, die den Berliner Haushalt deutlich belasten werden. In welcher Höhe, ist offen.

Zur Startseite