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Wirtschaft: „Hartz IV macht die Armen ärmer“ Wohlfahrtsverbände kritisieren Reformen

Berlin - Bei einem Treffen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) haben die großen deutschen Wohlfahrtsverbände die Politik ermahnt, die Hartz-Reformen nachzubessern. In vielen Punkten würden sie „einige Bevölkerungsgruppen unzumutbar benachteiligen“, heißt es in einer Untersuchung der Verbände zu den Folgen von Hartz IV.

Berlin - Bei einem Treffen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) haben die großen deutschen Wohlfahrtsverbände die Politik ermahnt, die Hartz-Reformen nachzubessern. In vielen Punkten würden sie „einige Bevölkerungsgruppen unzumutbar benachteiligen“, heißt es in einer Untersuchung der Verbände zu den Folgen von Hartz IV. So bedeute die Zuzahlung zu Medikamenten für die Empfänger von ArbeitslosengeldII (ALGII) und Sozialhilfe eine „faktische Absenkung des Existenzminimums“, sagte Georg Cremer, Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, dem Tagesspiegel. „Leider ist es uns nicht gelungen, hier eine Neuregelung anzuregen.“ Das Thema bleibe so auch nach den Neuwahlen auf der Agenda der Wohlfahrtsverbände, sagte Cremer.

Seit Oktober 2003 überprüfen die Verbände die Folgen der Hartz-IV-Reformen für die Betroffenen in einem so genannten Sozialmonitoring. Dazu werden Hilfseinrichtungen vor Ort befragt. Die Ergebnisse besprechen die Verbände in Treffen mit den Staatssekretären der an den Reformen beteiligten Ministerien. „Diese Gesprächsbereitschaft war sehr konstruktiv, in einzelnen Punkten konnten wir so besondere Härten abbauen“, sagte Cremer. So wurde beispielsweise bei der Erstattung von Brillen für Epileptiker und Spastiker eine Sonderregelung erwirkt, da diese besonders sturzgefährdet sind. Und Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen, die vor ihren gewalttätigen Männern in Frauenhäuser flüchten, kann jetzt die Wohnung weiter finanziert werden.

Viele andere Punkte liegen aus Sicht der Wohlfahrtsorganisationen jedoch weiterhin im Argen. Zum Teil würden gar öffentliche Ankündigungen der Ministerien in den Gemeinden nicht umgesetzt. So habe die Bundesregierung versprochen, es werde Zwangsumzüge von Arbeitslosengeld-II-Empfängern in billigere Wohnungen nur in Ausnahmefällen geben. Die Wohlfahrtsverbände halten dem entgegen: „Es kommt sehr häufig vor, dass Hilfeempfänger in den ALGII-Bescheiden aufgefordert werden, ihre Mietkosten zu reduzieren – zum Beispiel durch Umzug oder Aufnahme eines Untermieters.“ In einigen Bezirken seien die Kriterien für angemessenen Wohnraum sogar gegenüber bisherigen Regelungen der Sozialhilfe abgesenkt worden. „Vielerorts sind zu den anerkannten Mietpreisen gar keine freien Wohnungen verfügbar“, kritisiert der Bericht.

Andere Regelungen sind aus Sicht der Verbände zu bürokratisch und nicht nachvollziehbar. So gebe es beispielsweise Hilfsleistungen für bedürftige werdende Mütter – die Hilfe werde aber nur für die Babybekleidung bezahlt, nicht auch für Kinderwagen, Bett oder Wickelkommode.

Grundsätzlich sei man mit dem Grundprinzip der Reformen, „Fördern und Fordern“ einverstanden, sagte Cremer. Doch die angekündigte verbesserte Vermittlung der Arbeitslosen in neue Stellen mache sich bislang kaum bemerkbar. „Bei den betroffenen Menschen kommen fast nur die Forderungen an“, so der Caritas-Generalsekretär.

In einer Erklärung lobte Bundeskanzler Schröder die „offenen und konstruktiven Gespräche“. Die Monitoring-Treffen hätten wichtige Anregungen für die Umsetzung der Reformen gebracht. In der Sache blieb der Kanzler jedoch hart. So sei bei den Zuzahlungsregeln für Gesundheitsleistungen die geringere Leistungsfähigkeit von sozial Schwächeren bereits berücksichtigt worden. Eine grundsätzliche Ausnahme von Zuzahlungen sei nicht möglich, heißt es in der Erklärung. „Denn diese Personengruppen haben den gleichen Leistungsanspruch wie alle anderen Mitglieder der gesetzlichen Krankenkasse.“

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