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Wirtschaft: Hartz-Kompromiss gescheitert

Regierung und Opposition können sich nicht über die Betreuung von Langzeitarbeitslosen einigen

Berlin (ce/fw/HB). Regierung und Opposition haben sich am Dienstag gegenseitig dafür verantwortlich gemacht, dass die Verhandlungen um die Betreuung Langzeitarbeitsloser gescheitert sind. Die VizeFraktionschefin der Grünen, Thea Dückert, sagte, es „sei ärgerlich, dass die Opposition den angebotenen Kompromiss nicht akzeptiert habe. „Das ist eine Verweigerungsstrategie.“ Ziel der Union sei es, die Arbeitsmarktreformen zu verzögern. Dem SPD-Arbeitsmarktexperten Klaus Brandner zufolge habe die Regierung ein „faires Angebot“ gemacht und „den Rahmen des Grundgesetzes voll ausgeschöpft“.

Die Verhandlungen über die künftige Zuständigkeit für die Langzeitarbeitslose waren zuvor gescheitert. Beide Seiten konnten sich bei einem Spitzentreffen unter Leitung von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) nicht auf ein Modell für die Betreuung der Langzeitarbeitslosen einigen. Hintergrund ist die „Hartz IV“-Reform des Arbeitsmarkts, die die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe regelt. Die Opposition hatte dem Gesetz im Dezember unter der Bedingung zugestimmt, dass die Kommunen die Betreuung der Arbeitslosen übernehmen – und dafür Geld vom Bund bekommen.

Um dies zu ermöglichen, ist ein neues Gesetz nötig. Denn bisher gibt es in der Verfassung keine direkten Finanzbeziehungen zwischen Bund und Kommunen. Nachdem für eine Grundgesetzänderung keine Mehrheit zu finden war, hatte Rot-Grün das Instrument der „Organleihe“ vorgeschlagen, das eine Beauftragung der Kommunen mit der Langzeitarbeitslosen-Betreuung ermöglichen soll. Die Union lehnte dies jedoch ab, da die Kommunen damit ihrer Meinung nach nur „weisungsgebundene Handlager“ der Bundesagentur für Arbeit (BA) wären.

Die Regierung will ihren eigenen Gesetzentwurf jetzt trotzdem einbringen, sagte Minister Clement. Im Bundesrat wird das Gesetz vermutlich am Widerstand der Union scheitern. Das heißt, dass Arbeitslosen- und Sozialhilfe trotzdem wie geplant am 1. Januar 2005 zusammengelegt werden. Die Kommunen werden aber dann – wie ursprünglich von Rot-Grün vorgesehen – bei der Betreuung der Arbeitslosen mit der BA kooperieren.

Clement bedauerte das Scheitern der Gespräche. Er habe versucht, den Kompromiss aus dem Vermittlungsausschuss „nach bestem Wissen und Gewissen“ umzusetzen. Dabei gebe es leider nur „zweitbeste Lösungen“. Einen Vorschlag von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) für eine andere Art der Grundgesetzänderung als die von Rot-Grün favorisierte „Organleihe“ lehnte Clement als „nicht machbar“ ab.

Die Grünen-Expertin Dückert stimmte ihm zu, räumte aber auch dem rot-grünen Gesetz keine Chancen ein. Die BA müsse sich nun auf die Zusammenarbeit mit den Kommunen vorbereiten. Dückert befürchtet aber, dass die Opposition bei den Kommunen „Gegenwehr organisieren“ könne, indem sie ihnen empfiehlt, nicht mit der BA zu kooperieren. Das würde laut dem SPD-Arbeitsmarktexperten Brandner den Arbeitslosen schaden, weil es dann für unterschiedliche Leistungen unterschiedliche Anlaufstellen gebe.

Ein BA-Sprecher sagte, die Umsetzung des Arbeitslosengeldes II bis Anfang 2005 sei aus Zeitgründen problematisch. Die Kommunen kündigten Widerstand an. Sollte das Optionsmodell nun ad acta gelegt werden, „stehen wir für eine Arbeitsgemeinschaftslösung nicht zur Verfügung und lehnen eine Mitarbeit als verlängerter Arm der BA ohne Gestaltungsspielraum ab“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, Hans-Günter Henneke, dem Handelsblatt.

Union sieht Wortbruch der Regierung

Die Opposition warf der Regierung Wortbruch vor. Hessens Ministerpräsident Koch machte Clement für den Abbruch der Gespräche verantwortlich. Der Minister sei der Union kein Stück entgegengekommen. Koch und CDU-Chefin Angela Merkel sagten, Clement habe die Vereinbarung aus dem Vermittlungsausschuss ignoriert. „Wir fühlen uns getäuscht“, sagte der CSU-Politiker Johannes Singhammer. Die BA sei mit der Betreuung von 950000 zusätzlichen Erwerbslosen überfordert. Auch Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, übte Kritik. „Die Bundesagentur übernimmt sich“, sagte er. Die Bearbeitung vor Ort in den Kommunen sei „zwingend für einen Erfolg“.

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