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Gute Bilanz, mäßige Stimmung. Daimler-Chef Dieter Zetsche sah sich auf der Hauptversammlung in Berlin heftiger Kritik der Aktionäre ausgesetzt. Dabei hat der Konzern 2016 nach vielen Jahren BMW als bislang größten Premiumhersteller überholt.

© Soeren Stache/dpa

Hauptversammlung in Berlin: Aktionäre stören die Daimler-Party

Nach einem Rekordjahr stößt sich die Hauptversammlung in Berlin an Diesel-Ermittlungen gegen den Konzern, Lkw-Kartellstrafen und an der gestiegenen Aufsichtsratsvergütung.

Daimler beschleunigt seinen Aufbruch in die Elektromobilität. Bis 2022 will der Konzern mindestens zehn neue E-Fahrzeuge unter dem neuen Markendach EQ auf den Markt bringen – drei Jahre früher als bislang geplant. Dies kündigte Vorstandschef Dieter Zetsche am Mittwoch auf der Hauptversammlung in Berlin vor rund 6000 Aktionären an. Zehn Milliarden Euro lässt sich der Konzern die elektromobilen Investitionen kosten. Die Aktionäre zeigten sich davon allerdings wenig beeindruckt.

Obwohl der Autokonzern ein Rekordjahr hinter sich hat und Milliarden in die Digitalisierung, autonomes Fahren, neue Technologien und Geschäfte investiert, treiben die Anteilseigner andere Themen um: Diesel-Ermittlungen, die Lkw-Kartellstrafe von einer Milliarde Euro, die um 20 Prozent gestiegene Vergütung für Aufsichtsräte, die trotz Rekordgewinn bei 3,25 Euro stagnierende Dividende.

„Im Kern zufrieden“, zeigte sich Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW). Tatsächlich ist Daimler auch ins Jahr 2017 mit steigenden Absatzzahlen gestartet, man erwartet die höchsten Verkaufszahlen in einem Quartal. Der Februar war der 48. Rekordmonat in Folge – auch wegen der starken Nachfrage nach großen Modellen wie der E-Klasse oder SUV. Weil dies 2016 auch schon so war, kommt Daimler bei der Reduzierung der CO2-Werte nicht voran. Forschungschef Ola Källenius zufolge stagniert der Flottendurchschnittswert bei 123 Gramm pro Kilometer – 100 muss Daimler aber bis 2020 in Europa erreichen. Dies sei eine „ernst zu nehmende Herausforderung“, räumte Källenius ein.

Zetsche: Beides stärken - Neues und Bewährtes

Nicht nur der schnellere Aufbau der Elektroflotte soll weiterhelfen, auch die Diesel-Technologie will Daimler ausbauen. Denn Diesel stoßen deutlich weniger CO2 als Benziner aus. „Wir stärken beides: Neues und Bewährtes“, sagte Zetsche. Doch der Diesel ist in Verruf geraten – nicht nur bei Volkswagen. Auch gegen Daimler ermittelt die Staatsanwaltschaft, weil vermutet wird, dass bei der Abgaskontrolle getrickst wurde. Zetsche wies den Vorwurf am Mittwoch erneut zurück: „Weder das Kraftfahrtbundesamt noch das Bundesverkehrsministerium haben im Rahmen ihrer Messungen bei unseren Fahrzeugen einen Verstoß gegen geltendes Recht festgestellt.“ Ansonsten kooperiere man „vollumfänglich“ mit allen Behörden. Mehr mochte Daimler zu den Verfahren in Stuttgart und in den USA nicht sagen. Die US-Justiz hatte den Hersteller aufgefordert, das Zustandekommen überhöhter Abgaswerte auf der Straße zu erklären. Auch gegen Zetsche persönlich läuft in den USA eine Klage.

„Es wäre unerträglich, wenn Daimler ein Volkswagen 2.0 würde“, kommentierte Aktionärsvertreter Tüngler und verlangte mehr Aufklärung. „Transparenz ist die Währung, mit der Sie unser Vertrauen bezahlen“, sagte er. Auch Jens Hilgenberg von der Umweltorganisation BUND, die vergeblich für einen Diesel- Verkaufsstopp vor Gericht gezogen war, griff den Vorstand an: „Hersteller wie Daimler tragen die Verantwortung dafür, dass Städte zu Fahrverboten greifen müssen“, sagte er. Ola Källenius zufolge reagieren die Kunden bislang nicht auf die Diesel-Krise, „wesentliche Verschiebungen“ bei der Nachfrage gebe es nicht.

Aufsichtsräte bekommen 20 Prozent mehr

Buhrufe aus dem großen Saal des Berliner City Cubes kassierte Aufsichtsratschef Manfred Bischoff, als er ankündigte, dass die Vergütung der Aufsichtsräte um 20 Prozent auf 144 000 Euro pro Jahr angehoben werden solle. Viele Aktionäre verstehen nicht, warum nicht auch die Dividende erhöht wird. „Wenigstens fünf Cent mehr wären angemessen gewesen“, sagte Hans-Martin Buhlmann von der Vereinigung Institutioneller Privatanleger. Daimler-Finanzchef Bodo Uebber verwies auf 3,5 Milliarden Euro, die das Unternehmen an seine Aktionäre ausschütte – damit liege der Konzern an der Spitze aller Dax-Konzerne.

Mehr als alle anderen Unternehmen zahlt Daimler auch im Strafverfahren der EU gegen ein internationales Lkw-Kartell: eine Milliarde Euro. Die EU hatte 2016 vier führende Lastwagenhersteller wegen unerlaubter Preisabsprachen über einen Zeitraum von 14 Jahren zu einer Strafe von insgesamt 2,9 Milliarden Euro verurteilt. „Mehr als erstaunlich“ sei, dass der Aufsichtsrat keinen Anlass sehe, Ansprüche an frühere oder amtierende Vorstände zu prüfen oder personelle Konsequenzen zu ziehen, rügte Markus Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Schadenersatzansprüche müssten „zwingend geprüft“ werden. Der Kapitalmarkt erwarte, dass Fehlerquellen beseitigt würden. „Warum hat das Compliance-Management-System im Fall des Lkw-Kartells versagt?“, fragte Kienle.

Strafe zahlen die Aktionäre, nicht die Manager

Aufsichtsratschef Bischoff hatte gesagt, Daimler habe die Untersuchung von Haftungsansprüchen gegen Vorstandsmitglieder noch nicht abgeschlossen. Der Aufsichtsrat habe nach eingehender Prüfung durch Experten „gegenwärtig“ davon abgesehen, Schadenersatz von Vorstandsmitgliedern zu fordern. „Eine abschließende Entscheidung ist damit nicht getroffen.“ DSW-Vertreter Tüngler rechnete vor, die von Daimler zu zahlende Strafe entspreche einem Euro je Aktie. „Diese Strafe haben wir Aktionäre gezahlt, die Manager hingegen keinen Cent“, kritisierte er. Dabei würden weltweit Sammelklagen gegen Daimler vorbereitet. Tüngler: „Wir kommen wieder und werden im kommenden Jahr Fragen stellen.“

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