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Wirtschaft: Haushaltssünder Deutschland droht neues EU-Strafverfahren

Kommission rechnet mit Defizit von 3,4 Prozent / Eichel-Plan zur Übernahme der Pensionslasten von Telekom und Post verworfen

Brüssel/Berlin Der Druck auf die Europäische Kommission, das Defizitverfahren gegen Deutschland wieder einzuleiten, steigt. Denn Deutschland wird mit einem Haushaltsdefizit von 3,4 Prozent 2005 zum vierten Mal in Folge gegen den Stabilitätspakt verstoßen. Dies prognostiziert die EU-Kommission in ihrem Herbstgutachten zur europäischen Konjunktur, das sie am Dienstag in Straßburg vorlegte. Der Pakt schreibt vor, dass die jährliche Neuverschuldung nicht über drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen darf. Gleichzeitig darf der Schuldenberg eines Eurolandes nicht größer als 60 Prozent des BIP sein. Auch diese Grenze verletzt Deutschland 2005 mit einem Schuldenstand von knapp über 67 Prozent.

Währungskommissar Joaquín Almunia lehnt bisher eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen Deutschland, das die Mitgliedstaaten im vergangenen Herbst , gedrängt von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) ausgesetzt hatten, jedoch noch ab. Almunia erwartet von Berlin weitere Sparprogramme. Dies würde ihm ermöglichen, bei einer Wiederaufnahme des Verfahrens nicht so hart mit der Bundesregierung ins Gericht zu gehen. Deutschland würde im Falle einer Wiederaufnahme des Verfahrens gefährlich nahe an Sanktionen rücken. Die Strafe läge – in letzter Instanz – bei zehn Milliarden Euro. Eichel hat seinen Kollegen zugesichert, das Defizit 2005 wieder unter die zulässige Grenze zu drücken. An dem Ziel halte er weiter fest, sagte sein Sprecher am Dienstag. Er verwies zudem auf die Prognose der Bundesregierung vom Vortag. „Wir sind nicht so pessimistisch wie die Kommission bei den entscheidenden Größen Arbeitsmarkt und Sozialkosten“, sagte er. Grundlage der Defizitprognose der Kommission ist ein Wachstum von 1,5 Prozent im nächsten Jahr. Die Bundesregierung geht von 1,7 Prozent aus.

Vergangene Woche hatte Eichel angekündigt, dass es „zusätzlicher Maßnahmen“ bedürfe, um den Stabilitätspakt noch einzuhalten. Die „Maßnahmen“ will Eichel im November nach der Steuerschätzung vorlegen. Bisher gestaltet sich die Suche nach bis zu zehn Milliarden Euro, die nach Auffassung der Wirtschaftsforschungsinstitute Eichels Haushalt fehlen, schwierig. Die jüngste Idee aus dem Ministerium, den früheren Staatsunternehmen Telekom und Post den Rest ihrer künftigen Pensionslasten gegen eine Milliarden-Sofortzahlung abzunehmen, scheiterte an den Unternehmen: Eine mehrere Milliarden teure Sofortzahlung sei gegen ihr Interesse gewesen, hieß es in ihrem Umfeld. Zuvor waren Überlegungen an Gesundheitsministerin Ulla Schmidt gescheitert, die Krankenkassen zu zwingen, zuerst ihre Maastricht-relevanten Schulden abzubauen und dann erst, wie den Wählern versprochen, die Beiträge zu senken. Beim Subventionsabbau wiederum blockiert die Union im Bundesrat alle Vorschläge der Regierung. jh/dri/HB

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