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Luxus-Suite. Im Canis Resort übernachten Hunde in der Lodge mit Privatgarten.

© dpa

Haustiere: Leben wie Hund in Deutschland

Der Hund ist zum Wirtschaftsfaktor geworden. Deutsche geben mehr Geld für das Futter ihres Vierbeiners aus als für Babynahrung.

Seit einer Woche ist Chester schon hier. Als er ankam, nahmen sie ihm am Check-in das Gepäck ab und führten ihn zu seiner Lodge. Die misst 25 Quadratmeter, ein Architekt hat sie designt, die Außenfassade ist aus dunklem Holz, der Fußboden mit Epoxidharz versiegelt, ein aus dem Jachtbau bekanntes Material. Chester schläft in einem King-Size-Bett. An warmen Tagen kann er sich im Pool abkühlen oder in seinem Privatgarten chillen, bei zu viel Hitze wird das Sonnensegel ausgefahren. Zwischendurch geht er zum Friseur oder zum Physiotherapeuten. Das alles gibt es für 80 Euro die Nacht. Chester bezahlt das nicht, er ist ein Malteser. Die 560 Euro, die sein Aufenthalt im Canis Resort bei München bislang kostet, zahlt sein Herrchen.

In Deutschland leben 5,4 Millionen Hunde, in jedem zehnten Haushalt einer. Für Hundefutter zahlten die Deutschen 2010 rund 834 Millionen Euro, für Babynahrung lediglich etwa 556 Millionen. 2011 stieg der Umsatz mit Hundebedarfsartikeln auf 159 Millionen Euro, ein Plus von 2,6 Prozent. Laut dem Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) geben Hundehalter monatlich zwischen 50 bis 100 Euro für ihr Tier aus, jährlich werden rund fünf Milliarden mit der Hundehaltung umgesetzt. Das sind etwa 0,2 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes. Zum Vergleich: Die deutsche Land- und Forstwirtschaft brachte es 2011 auf nicht mal ein Prozent des BIP.

Der Hund sei die Tugend, die sich nicht zum Menschen machen konnte, soll der französische Schriftsteller Victor Hugo einmal gesagt haben. Inzwischen, mehr als einhundert Jahre nach dieser Erkenntnis, ist das doch irgendwie passiert: der Hund, fast Mensch. Ursache ist vor allem der gesellschaftliche Wandel. Jeder fünfte Deutsche lebt allein, da kommt ein Hund gerade recht. Einst galt der Hund als des Menschen bester Freund, heutzutage soll er den Partner oder das Kind ersetzen – oder am besten gleich beide.

Friederike Brych, die die Canis Resort AG leitet, sagt, das Geschäft laufe sehr gut, die Lodges seien fast immer belegt. 2008 eröffnete das Resort, angepriesen als „die erste Luxus-Hundehotel-Kette der Welt“. Inzwischen seien 85 Prozent der Kunden Stammkunden, sagt Brych. Das Canis Resort liegt in Freising, unweit von München. Die meisten Kunden kommen aus Bayern, aber es soll auch schon welche gegeben haben, die extra aus Frankreich angereist sind, um ihren Hund hier abzugeben.

Freising ist kein Einzelfall, in anderen deutschen Städten gibt es ähnliche Unternehmen, in Berlin etwa das Pfötchenhotel. Eine Nacht im Doppelzimmer kostet dort - je nach Hundegröße und Saison - zwischen 35 und 63 Euro. Wer eine Vip-Karte besitzt, bekommt Rabatt.

Der Hund menschelt – Nebenwirkungen wie Übergewicht, Arthrose oder Getreideunverträglichkeit bleiben da nicht aus. Das merkt auch Ernährungsberaterin Stefanie Fuchs. Vor anderthalb Jahren machte sich die damalige Werbekauffrau mit dem „Beutefuchs“ selbstständig, der ersten Metzgerei für Hunde. Der Laden in München-Laim ist überschaubar, hier gibt es weder Bussi noch Chichi. In den Kühltruhen mit dem Langnese-Schriftzug drauf lagern Lammknochen zur Zahnreinigung, Rehohren mit Fell und Bio-Hähnchenflügel. Stefanie Fuchs’ wichtigstes Produkt sind ihre Menüs, die hat sie selbst entwickelt: getreidefrei, dafür mit Biofleisch, Biogemüse und Bioobst. Einen zwanzig Kilogramm schweren Hund einen Monat lang mit diesen Menüs zu füttern, kostet zwischen 120 und 150 Euro. Das teuerste Gericht ist reines Muskelfleisch vom Lamm, das Kilo für 16,50 Euro.

Fuchs war eine der Ersten, die die Ernährungslücke für Hunde entdeckt hat. Das Lebensgefühl des Menschen wird immer grüner, bewusster, gesünder. Lebensmittelskandale wie BSE, Gammelfleisch und Schlachtabfälle unterstützen dieses Umdenken. Warum den Hund also benachteiligen? Fuchs aß acht Jahre lang kein Fleisch, auf die Idee mit der Metzgerei kam sie durch ihren Golden Retriever Jack, der vertrug das Industriefutter nicht. Das Fleisch bezieht Fuchs von Biohöfen aus der Region. Inzwischen gibt es viele Nachahmer, Fuchs hat sich daher den Namen, das Logo und alle ihre Menüs patentieren lassen – europaweit. Pro Patent zahlte sie zwischen 400 und 1200 Euro.

Der Mensch kann ein Hundeleben menschlicher werden lassen. Er kann ihn wie einen Menschen lieben – bis zum Tod. Denn wenn ein Hund in Deutschland stirbt, ist er, rechtlich gesehen, Abfall und muss entsorgt werden – zum Beispiel in der Tierkörperbeseitigungsanlage. Dort wird der tote Hund weiterverarbeitet, zu Mehl, manchmal auch zu Seife. Menschen, die ihre Hunde lieben, möchten das nicht.

Längst können auch Hunde menschenähnlich bestattet werden. Dem Bundesverband der Tierbestatter (BVT) zufolge gibt es in Deutschland derzeit 120 Tierbestatter und 18 Tierkrematorien. Eine Beisetzung auf einem der 80 Tierfriedhöfe kostet im Schnitt 125 Euro, hinzu kommen jährlich 75 Euro Pflegekosten. Wer möchte, kann das Tier auch verbrennen lassen, Urnen kosten zwischen 80 und 1000 Euro, je nach Material und Machart. Der BVT rät Hundebesitzern, jeden Monat „einfach fünf, zehn oder 20 Euro in ein Sparschwein zu stecken“. Für alle Fälle.

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