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Wirtschaft: Hedgefonds haben ein neues Zuhause

Manhattan ist out. Die Firmen zieht es in das beschauliche Städtchen Greenwich

Mehr als 35 Jahre lang war die Hausnummer Greenwich Plaza Nummer 2 eine Adresse für kleine Spediteure, Produzenten und Anwaltsfirmen. Heute gehören die Räume in dem bescheidenen vierstöckigen Bürogebäude zu den gefragtesten Gewerbeflächen der Finanzindustrie. Hedgefonds mit einem gesammelten Anlagevermögen von 16 Milliarden Euro haben sich im Gebäude ausgebreitet und die alt eingesessenen Mieter fast vollständig verdrängt. Die Fonds sind private Anlagegesellschaften, die Gelder von Großinvestoren und Organisationen verwalten.

Wenn der derzeitige Boom der Hegdefonds ein Zuhause hat, dann ist es in Greenwich im US-Bundesstaat Connecticut. In dem noblen Wohnort, 48 Kilometer außerhalb der Finanzmetropole Manhattan, haben sich inzwischen mehr als 100 Hegdefonds-Gesellschaften angesiedelt. Mehr als 100 Milliarden Dollar werden von hier aus verwaltet – ein Zehntel des weltweit in Hedgefonds investierten Kapitals. Der Zuzug in das kleine Städtchen zeigt, wie wichtig den großen Fondsmanagern Status und Bequemlichkeit sind. Noch ist Greenwich mit seinen 62000 Einwohnern vor allem eine Wohngegend, mit sehr begrenztem Angebot an Büroflächen. Doch weil viele der Manager hier wohnen und den kurzen Weg zur Arbeit schätzen, verwandeln sie den Ort kurzerhand in ein Mekka der Hedgefonds-Industrie.

Die Hedgefonds-Firmen und andere Finanzdienstleister belegen bereits 65 Prozent der Büroflächen in Greenwich. Gefüllt mit Computertechnik und riesigen Flachbildschirmen stellen die geschäftigen Büros das örtliche Stromnetz regelmäßig auf eine harte Probe. Einige Hedgefonds-Firmen sichern sich bereits mit gasbetriebenen Elektrogeneratoren vor Ausfällen ab. An den Abenden legen die Schnellboot-Fähren am Steg des Delamar-Hotels an, um die Finanzmanager zu ihren Häusern auf der anderen Seite der Meerenge zu befördern. Das Hotel selbst war einst eine runtergekommene Rasthof-Herberge. Jetzt hat man es im Stil einer Mittelmeer-Villa hergerichtet. Eine Suite kostet bis zu 1500 Dollar pro Nacht.

Mit Paul Tudor Jones, Steven Cohen und Edward Lampert wohnen drei der zehn reichsten Hedgefonds-Milliardäre in Greenwich. Allein Cohen, Manager des Fonds SAC Capital Advisors, verdiente im vergangenen Jahr 450 Millionen Dollar. Nach eigenen Angaben hat er sein 2000-Quadratmeter-Haus jetzt um ein Basketball-Feld, eine Skater-Bahn und eine Schwimmhalle erweitert.

Greenwich hat schon immer ein erlesenes Publikum angelockt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war diese Ansammlung von Wohnvierteln an den Ufern der Meerenge von Long Island vor allem ein Seebad. Viele der einstigen Industriebarone bauten sich riesige Anwesen und füllten die fünf Yachtclubs und mehr als neun Golfclubs. Heute hängen Blumentöpfe mit Stiefmütterchen von den Laternenmasten. Die Hauptstraße säumen Antiquitätenläden, Modegeschäfte und Gourmet-Restaurants.

Die Flut der Hegdefonds begann in den frühen 90er Jahren, als einige Wall- Street-Broker mit Wohnsitz in Greenwich ihre Jobs aufgaben, um eigene Hedgefonds zu gründen. Die neue Technik erlaubte ihnen einen Handel fernab von den Büros der Wall Street. Und weil Connecticut schon immer eine prestigeträchtige Adresse war und auch die Grundsteuern und Einkommenssteuern niedriger als in New York sind, eröffneten viele ihr Büro vor der eigenen Haustür.

Die Auswirkungen treffen vor allem den Immobilienmarkt: Ein kleines mit Hedgefonds besetztes Bürogebäude verkaufte sich vor kurzem für 97,8 Millionen Dollar. Die Quadratmeterpreise liegen mittlerweile deutlich über denen von Zentral-Manhattan.

Der strenge Bebauungsplan der Stadt erschwert die Erweiterung von Gewerbeflächen und drängt viele Finanzfirmen in alte Fabriken und Ladenlokale. Laut Immobilienmaklern müssen Hedgefonds-Firmen fast ein Jahr warten, bis sie nach Greenwich ziehen können. Wer sich gedulden muss, ändert schon mal seinen Namen. So operiert der Fonds Old Greenwich Capital Partners noch von Manhattan aus, bis Fondschef Jeff Arsenault in Greenwich ein Büro gefunden hat. „Der Ortsname strahlt einen gewissen Reiz aus“, sagt Arsenault, dessen Fonds zehn Millionen Dollar verwaltet.

Für die Manager der Hedgefonds gibt es auch geschäftliche Gründe für einen Firmensitz in Greenwich: Wie Silicon Valley ist die Stadt ein Zentrum der Branche, das immer mehr Investoren, Pensionsfonds, Industriebosse und Finanzfirmen anzieht. „Säßen wir irgendwo anders, kämen unsere Anleger immer nur dann zu uns, nachdem etwas schief gelaufen ist“, sagt Cliff Asness, Gründungsmitglied des Hedgefonds AQR Capital Management. Doch bei den gestiegenen Immobilienpreisen können sich nur die Topmanager Häuser in Greenwich leisten. Die angestellten Händler und einfachen Gesellschafter müssen pendeln. Bis Ende des Jahres wird die Zahl der täglichen Berufspendler aus Manhattan auf mehrere hundert steigen. Morgens sind die Züge von Manhattan nach Greenwich bereits genauso voll wie in der Gegenrichtung, der traditionellen Pendlerrichtung.

Die Hedgefonds belebten auch die Wirtschaft der Stadt. „Die Fonds rufen an und wollen einen 1000-Dollar-Auftrag innerhalb weniger Stunden ausgeführt haben“, sagt Frank Carpenteri, dessen Gartenbetrieb zuletzt einen Umsatzschub verzeichnete. „Geld ist dabei kein Problem, Hauptsache es geht schnell.“

Auch wohltätige Organisationen profitieren von der Nähe der Fondsmanager, von denen einige zu den großzügigsten Spendern der Stadt gehören. „Kaum jemals hatte eine wohltätige Veranstaltung in einer Nacht eine Million Dollar Spenden eingebracht“, sagt Jim Lash, Greenwichs höchstes Mitglied des Stadtrates. „Neuerdings erlebt man das häufig.“

Ianthe Jeanne Dugan, Robert Frank

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