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Wenig Spielraum. US-Notenbankchef Bernanke hat nicht mehr viele Instrumente zur Verfügung, um die Wirtschaft zu stimulieren. Foto: AFP

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Wirtschaft: „Helikopter Ben“ bleibt am Boden

Der US-Notenbankchef steht bereit für weitere Konjunkturhilfen – doch spontane Geldspritzen versagt er den Märkten

Berlin - US-Notenbankchef Ben Bernanke hat die Erwartung der Finanzmärkte enttäuscht, die Notenbank Fed starte kurzfristig ein weiteres Programm zur Ankurbelung der amerikanischen Wirtschaft. Bernanke sagte allerdings am Freitag in einer mit Spannung erwarteten Rede, der Offenmarktausschuss der Fed werde über geeignete Konjunkturhilfen bei seinem nächsten Treffen Ende September beraten. Das Treffen werde von einem auf zwei Tage verlängert. Die Fed sei „bereit“ zu handeln, um die Konjunktur zu stärken, versicherte Bernanke auf dem traditionellen jährlichen Zentralbankertreffen in Jackson Hole in den Rocky Mountains.

An den Aktienmärkten kamen die Aussagen des Notenbankers zunächst nicht gut an. Der Dow-Jones-Index fiel an der New Yorker Börse, drehte dann aber wieder ins Plus. Die europäischen Börsen gaben dagegen nach. Der Dax ging 0,8 Prozent schwächer mit 5537 Punkten aus dem Handel. Schon am Donnerstag hatte er seinen Erholungskurs mit einem plötzlichen Kursrutsch abgebrochen und deutlich im Minus geschlossen. Heftige Kursausschläge gab es am Freitag auf dem Devisen- und Goldmarkt. Der Dollar verlor im Verhältnis zum Euro leicht an Wert. Die Feinunze Gold kostete nach einem hektischen Auf und Ab am Abend 1792 Dollar.

Die Sorge, die größte Volkswirtschaft könnte in die Rezession stürzen, wurde am Freitag von aktuellen Wachstumsdaten aus Washington untermauert. Denn die US-Wirtschaft ist im zweiten Quartal noch langsamer gewachsen als gedacht. Das Bruttoinlandsprodukt stieg zwar von April bis Juni mit einer auf das Jahr hochgerechneten Rate von 1,0 Prozent, wie das Handelsministerium in einer zweiten Schätzung mitteilte. In einer ersten Prognose war das Wachstum noch auf 1,3 Prozent veranschlagt worden.

Ökonomen und andere Fed-Beobachter waren zuletzt immer skeptischer geworden, ob Bernanke seinem Spitznamen „Helikopter Ben“ gerecht werden und nochmals Dollars regnen lassen würde. Bernanke selbst hatte einmal vorgeschlagen, im Fall einer hartnäckigen Krise Geld über Amerika abzuwerfen, um Konjunktur und Arbeitsmarkt zu beleben. Für Bernanke selbst war seine Zurückhaltung vom Freitag wohl schlicht eine Kosten-Nutzen-Abwägung: Eine echte Enttäuschung der Märkte hätte am Freitag wohl einen Crash der Aktienkurse zur Folge gehabt. So wählte Bernanke eine Formulierung, die keine verbindliche Ankündigung enthielt.

Der tatsächliche Nutzen der bisherigen zwei Runden von Stützungsmaßnahmen durch die Fed (QE und QE2 genannt) war umstritten – in- und außerhalb der Fed. Das letzte Anleihenkaufprogramm – QE2 – lief bis Ende Juni. Die insgesamt 600 Milliarden Dollar der Fed halfen der US-Wirtschaft allerdings nicht auf die Beine. Von außen bekam Bernanke für die Politik des billigen Geldes heftige Schelte vom republikanischen Gouverneur in Texas, Rick Perry, der unlängst seine Präsidentschaftskandidatur bekannt gab. Und auch in der Fed wächst die Zahl der Kritiker. Zuletzt stimmten gleich drei Mitglieder des geldpolitischen Komitees FOMC gegen Bernankes Kurs – so viele wie seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr.

Bernanke zeigte sich bei seiner Rede am Freitag vor zahlreichen anderen Notenbankern und Wissenschaftlern aus aller Welt enttäuscht, dass die US-Konjunktur nicht anspringt. „Es ist klar, dass die Erholung viel schwächer ausgefallen ist als erhofft“, sagte Bernanke. Sollte sich der zermürbende politische Streit über die Schuldenobergrenze und das Staatsdefizit wiederholen, könne dies die ohnehin schwache Erholung der US-Wirtschaft „ernsthaft in Gefahr bringen“, warnte er. Die Verhandlungen im Sommer hätten „die Finanzmärkte und wahrscheinlich auch die Wirtschaft zum Erliegen gebracht“, kritisierte er den Streit zwischen der Republikanischen und der Demokratischen Partei über die Anhebung der Schuldenobergrenze und Sparmaßnahmen.

Die Fed hat nur noch einen begrenzten Handlungsspielraum, um noch in das Wirtschaftsgeschehen einzugreifen. Einen großen Schritt konnte Bernanke noch vor ein paar Wochen tun. Am 9. August legte sich die Notenbank unter dem Eindruck der Börsenturbulenzen darauf fest, den Leitzins noch für mindestens zwei Jahre bei nahe null Prozent zu lassen. Sie stoppte damit zwar zunächst die Talfahrt an den Börsen, doch die Selbstbindung könnte nach Ansicht vieler Fachleute etwa im Falle einer plötzlich anziehenden Teuerung zum Problem werden. mit rtr

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