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Wirtschaft: Henkel: Eigennützige Manager fallen BDI-Chef in den Rücken

Zwischen dem BDI und den Großunternehmern kracht es, weil die Manager Betriebs- und Aufsichtsräte lieb gewonnen haben

Von Antje Sirleschtov

Im Unternehmerlager ist heftiger Streit über die Haltung der Verbände und Einzelunternehmen zur Mitbestimmung ausgebrochen. Der Vize-Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, Hans-Olaf Henkel hat den Chefs der Großunternehmen „eigennützige Motive“ vorgeworfen, wenn sie die Mitbestimmung lobten „und Herrn Rogowski in den Rücken fallen“. Henkel sagte dem Tagesspiegel: „Die überwältigende Mehrheit der Unternehmer erzählt sich leise das, was Herr Rogowski in der Öffentlichkeit laut gesagt hat: Die Mitbestimmung ist ein historischer Irrtum.“ Bundeskanzler Gerhard Schröder verteidigte die Mitbestimmung am Freitag noch einmal ausdrücklich.

Hintergrund der Auseinandersetzung im Unternehmerlager ist eine Äußerung von BDI-Präsident Michael Rogowski, der die Abschaffung der Mitbestimmung gefordert hatte. Die Mitbestimmung regelt die Mitspracherechte der Arbeitnehmer in den Unternehmen und ist in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern vergleichsweise weitgehend. Dass es Erneuerungsbedarf gibt, ist allerdings weitgehend unbestritten. So ist es nach europäischem Aktienrecht längst möglich, in Deutschland Firmen nach niederländischem oder britischem Recht zu führen – und die Arbeitnehmervertretungen auszuhebeln.

Mit seiner Fundamentalkritik löste Rogowski allerdings nicht nur bei den eigenen Verbandsmitgliedern Kopfschütteln aus. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) reagierte ebenfalls verstört. Denn eigentlich wollen beide Verbände bis Mitte November ein Konzept zu „umfassenden Erneuerung der Mitbestimmung“ vorlegen, wie man das Projekt bei der BDA nennt.

NachTagesspiegel-Informationen steht im Entwurf des Abschlusspapiers, dass Betriebsräte mehr Rechte zur Vereinbarung betrieblicher Sonderwege bekommen sollen. Erstmals sollen die Betriebsparteien auch Betriebsvereinbarungen unterhalb der geltenden Tarifverträge abschließen dürfen. Außerdem sollen die Arbeitnehmer künftig nur noch ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder in börsennotierten Firmen stellen, wenn es nach der Kommission geht.

Ob diese umfassenden Vorstellungen allerdings überhaupt noch die Gremien passieren werden, ist nach der Aufregung der vergangenen Tage ungewiss. Rogowskis Äußerungen seien für das Vorhaben „kontraproduktiv“ ärgern sich Verbandsvertreter der anderen Seite. Und, schlimmer noch für den BDI: Im Getümmel der vergangenen Tage mussten auch Unternehmen öffentliche Bekenntnisse zur Mitbestimmung abgeben, die in der Mitbestimmungskommission zu den Vertretern der Reformfraktion gehört hatten.

Es sei abenteuerlich, wie schnell da in der vergangenen Woche die Seiten gewechselt worden seien, sagte ein Kommissionsmitglied dem Tagesspiegel. BDI-Vize Henkel glaubt sogar, dass in Einzelfällen die „individuelle Notwendigkeit“ bestanden habe, „die eigene angeschlagene Position im Aufsichtsrat zu stabilisieren“. Damit spielt der BDI-Vize auf Daimler-Chrysler-Chef Jürgen Schrempp an, dessen Vertragsverlängerung im Frühsommer von der Arbeitnehmerbank befürwortet wurde. Schrempp hatte sich in dieser Woche an die Spitze der neuen Freunde der Mitbestimmung gesetzt. Unklar ist nun allerdings, wie dieselben Unternehmer, die sich in dieser Woche zur Mitbestimmung bekannten, in wenigen Wochen die weitgehende Entmachtung der Arbeitnehmeraufsichtsräte und Gewerkschaften fordern sollen. In den kommenden Tagen wird jedenfalls nach Informationen dieser Zeitung an der umfassenden Erneuerung des Abschlussberichtes gearbeitet. Dagmar Rosenfeld, Antje

Sirleschtov, Ursula Weidenfeld

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