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Wirtschaft: Heraus aus dem tiefen Tal

Nach dem Boom 2010 könnte die deutsche Wirtschaft 2011 wieder das Vorkrisenniveau erreichen

Wiesbaden - Vor allem der Export, aber auch Investitionen und die gestiegenen Ausgaben der öffentlichen Hand und der Verbraucher haben Deutschland im vergangenen Jahr das höchste Wachstum seit der Wiedervereinigung beschert. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und damit der Wert aller in Deutschland produzierten Güter und erbrachten Dienstleistungen preisbereinigt um 3,6 Prozent. Trotz der damit verbundenen höheren Steuereinnahmen kletterte das Defizit von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen dennoch auf den Rekordwert von knapp 88,6 Milliarden Euro. Gemessen am BIP lag das Defizit bei 3,5 Prozent. Damit verletzt Deutschland zum ersten Mal seit fünf Jahren die Vorgabe der Währungsunion, die eine Neuverschuldung von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts vorsieht. Nach Angaben von Roderich Egeler, dem Präsidenten des Statistischen Bundesamtes, musste der Steuerzahler 2010 allein zehn Milliarden Euro für die Stützung der Banken aufbringen.

„Die deutsche Wirtschaft hat sich erstaunlich gut und schnell von den Folgen der Wirtschaftskrise erholt“, sagte Egeler am Mittwoch in Wiesbaden. „Sie hat 2010 einen rasanten Aufschwung erlebt. Auf die stärkste Rezession der Nachkriegszeit folgte der größte Aufschwung seit der Wiedervereinigung.“ In Europa sei das BIP 2010 nur in Schweden und der Slowakei stärker gestiegen. Auch Japan mit 3,5 und die USA mit 2,7 Prozent lägen hinter Deutschland. Drei Viertel des dramatischen Einbruchs von 2009, als die deutsche Wirtschaft um 4,7 Prozent schrumpfte, sind nach Angaben der Statistiker wieder aufgeholt.

Die Chancen, dass das Wirtschaftsniveau von 2008 schon in diesem Jahr wieder erreicht wird, stehen gut. „Läuft die Wirtschaft auf dem Niveau des vierten Quartals 2010 weiter, dann haben wir allein dadurch 2011 ein Wachstum von 1,0 Prozent.“ Trotz des Wintereinbruchs im Dezember lag das Wachstum im vierten Quartal gegenüber dem dritten Quartal bei 0,5 Prozent und gegenüber dem Schlussquartal 2009 sogar bei vier Prozent. Ein Zuwachs von 1,3 Prozent wäre 2011 nötig, um den Einbruch von 2009 komplett auszugleichen.

Viele Volkswirte erwarten für 2011 ein Wachstum von zwei Prozent, einige sogar von mehr als drei Prozent. Die Regierungsprognose liegt noch bei 1,8 Prozent. Es wird erwartet, dass Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) diese am 19. Januar nach oben korrigieren wird. Besonders optimistisch sind die Experten von M.M. Warburg. „Schon im Laufe des ersten Halbjahres 2011 dürfte das reale BIP in Deutschland wieder das Vorkrisenniveau erreichen“, meint der Chefökonom des Bankhauses, Carsten Klude. Jahrelang sei Deutschlands Abhängigkeit vom verarbeitenden Gewerbe international belächelt und die Fokussierung auf den Export kritisiert worden. „Doch genau diese vermeintlichen Schwächen sind es, die Deutschland schneller als die meisten anderen Industrieländer aus der Krise herausgeführt haben“, meint er.

In absoluten Zahlen erwirtschafteten Unternehmen, öffentliche Hand und Bürger 2010 ein Bruttoinlandsprodukt von 2498 Milliarden Euro. Der stärkste Impuls kam mit einem Plus von 14,2 Prozent vom Export, der 2009 noch um 14,3 Prozent abgesackt war. Der Import legte um 13 Prozent zu. Die Konsumausgaben des Staates stiegen um 2,2 Prozent, die der Bundesbürger um 0,5 Prozent. Dabei gaben sie lediglich für Autos weniger aus als 2009, als die Abwrackprämie Autokäufe massiv angeheizt hatte.

Unter dem Strich erhöhte sich das Volkseinkommen 2010 um sechs Prozent auf 1899 Milliarden Euro, so stark wie seit 1992 nicht mehr. Bei den Arbeitnehmern lag das Plus aber nur bei 2,6 Prozent auf 1258 Milliarden Euro. Dagegen stiegen die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen um 13,2 Prozent auf 641 Milliarden Euro. „Die Schere hat sich damit 2010 wieder vergrößert“, sagte Egeler. Mitarbeit: Corinna Visser

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