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Wirtschaft: Herlitz will wieder in Russland produzieren

Neuer Anlauf nach Desaster vor sieben Jahren

Berlin - Nachdem der Berliner Büroartikelhersteller Herlitz vor wenigen Tagen seine Expansion nach England angekündigt hat, sieht das Unternehmen nun auch wieder Russland als Expansionsmarkt. „Herlitz ist heute schon in Russland eine bekannte Marke“, sagte der Herlitz-Vorstand Norbert Strecker dem Tagesspiegel. „Deshalb macht es bei weiter steigenden Geschäften Sinn, dort auch zu produzieren.“ Möglich sei ein eigenständiges Engagement oder eine Finanzierung zusammen mit einem Investor. Eine kurzfristige Entscheidung stehe aber nicht an, sagte Strecker.

Schon einmal hatte sich Herlitz auf dem russischen Markt versucht – und war dabei kläglich gescheitert. 1994 war das Unternehmen über seine Tochtergesellschaft, die Herlitz International Trading AG (Hit), mit 33 Prozent bei der AO Wolga, einem russischen Zeitungspapierhersteller, eingestiegen. Auch die Weltbank war an der AO Wolga beteiligt. Wegen sinkender Papierpreise und wegen Managementfehlern geriet die russische Papierfabrik jedoch ins Trudeln. Nach nur drei Jahren, 1997, zog sich Herlitz aus dem verlustbringenden Geschäft wieder zurück. Für seinen Ausflug nach Russland musste das Unternehmen mehr als 100 Millionen Mark (rund 51 Millionen Euro) abschreiben.

Doch davon lässt sich Herlitz nun nicht mehr abschrecken. Strecker sagte, eine Produktionsstätte sei vor Ort nötig, weil beim Export nach Russland hohe Transportkosten und Zölle anfielen. Derzeit vertreibt das Unternehmen in Russland seine in Mitteleuropa hergestellten Produkte. Genauere Angaben wollte Strecker zu den Russland-Plänen aber nicht machen.

Herlitz hatte in der vergangenen Woche bekannt gegeben, nahe der englischen Stadt Manchester in Eigenregie Ordner und Registraturen fertigen zu lassen. Im April 2005 soll das neue Werk in Betrieb genommen werden. Die Investitionssumme gab das Unternehmen nicht bekannt, sie soll aber ohne Fremdmittel aus den Einnahmen des laufenden Geschäfts finanziert werden.

Für Beobachter war die Ankündigung, nach England zu gehen, überraschend. So schreibt Herlitz erst seit zwei Jahren wieder schwarze Zahlen. Auch hatte der Vorstand stets darauf verwiesen, dass man ohne einen finanzkräftigen Investor kaum Expansionschancen sehe. Seit dem Insolvenzverfahren, das erst im März dieses Jahres endete, befinden sich zwei Drittel des Aktienkapitals in den Händen der Gläubigerbanken.

Eine Ausweitung der Kapazitäten in Deutschland als Alternative zum neuen Werk in England stand offenbar nicht zur Debatte. „Es gab keine Standortentscheidung“, sagte Strecker. „Wer in England verkaufen will, muss auch dort produzieren.“ Die deutschen Produktionsstätten würden aber von dem Engagement im Ausland mit profitieren. So werde das Werk in Peitz bei Cottbus Vorprodukte herstellen, die dann in England montiert würden. Strecker zufolge will Herlitz seinen Umsatz in Großbritannien verdoppeln. Genaue Zahlen nannte er aber keine.

Derzeit produziert Herlitz in Peitz bei Cottbus, im tschechischen Most, im polnischen Poznan sowie am Heimatstandort Berlin. Das Unternehmen beschäftigt insgesamt rund 2800 Mitarbeiter. Der Umsatz im vergangenen Jahr belief sich auf 347 Millionen Euro. An diesem Sonnabend feiert Herlitz sein 100-jähriges Bestehen.

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