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Hertie: Kaufhaus ohne Haus

Die traditionsreiche Warenhauskette Hertie hat seit zwei Wochen keinen Mietvertrag mehr - die Chancen einer Rettung sinken.

Berlin - Die Chancen auf eine Sanierung des traditionsreichen Warenhauskonzerns Hertie stehen offenbar noch schlechter als bislang bekannt. Das insolvente Unternehmen, das gerade die Schließung von 19 der 73 Häuser angekündigt hat, hat schon seit knapp zwei Wochen keinen gültigen Mietvertrag mehr, wie jetzt bekannt wurde. Der britische Eigentümer Dawnay Day hat die Verträge für 56 von 73 Hertie-Häusern bereits am 16. Januar mit Wirkung zum 19. Januar fristlos gekündigt. „Die Mietverträge sind am Ende“, bestätigte Christoph Meyer vom Immobilienberater Atisreal dieser Zeitung. Schon seit Mai 2008 seien keine Mieten mehr gezahlt worden. Atisreal ist seit dem vergangenen Jahr mit dem Verkauf von 64 Hertie-Standorten beauftragt. Unternehmensnahe Kreise bestätigten die Informationen.

Damit dürfte die Voraussetzung für eine Fortführung des Geschäftes auch für die anderen Hertie-Häuser mehr als schwierig sein. Die Warenhauskette, die bis 2005 zum damaligen Karstadt-Quelle-Konzern gehörte und auch in Berlin drei Häuser hat, musste im vergangenen Sommer Insolvenz anmelden. Zuvor war Dawnay Day, der britische Investor und Eigentümer der meisten Warenhäuser, wegen der Finanzkrise selbst in Schwierigkeiten geraten. In der vergangenen Woche kündigte Hertie nun an, dass 19 der 63 Filialen endgültig dichtgemacht werden. Auch für die übrigen Häuser sei bald Schluss, wenn die Briten die Mieten bis Ende Februar nicht drastisch senkten. Der Ausverkauf werde dann noch im März beginnen.

Warum die Hertie GmbH eine Nachfrist bis Ende Februar gesetzt habe, sei ihm nicht klar, kommentiert Atisreal-Manager Meyer. „Die 19 Häuser, die jetzt geschlossen werden, sind wahrscheinlich erst der Anfang“, meint er. Ein Sprecher von Hertie wollte sich am Freitag ebenso wenig dazu äußern wie der vorläufige Insolvenzverwalter Biner Bähr. Auch der Hertie-Betriebsrat und Investor Dawnay Day waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Ende der Woche hatte Insolvenzverwalter Bähr die Vorwürfe gegenüber dem britischen Investor noch einmal verschärft. „Dawnay Day hat als Gesellschafter Hertie Mieten aufgebürdet, die nicht zu finanzieren sind.“ Hertie zahle in vielen Filialen bis zu 20 Prozent des Umsatzes nur für Miete. „Das ist von keinem Kaufhaus der Welt zu erwirtschaften“, sagte der Rechtsanwalt. Marktüblich seien fünf Prozent.

Die Miethöhe sei seit dem Verkauf von Hertie nur unwesentlich gestiegen, „höchstens auf Höhe der Inflation“, kommentiert dagegen Atisreal-Manager Meyer. Weil Hertie aber ein Drittel weniger umsetze als damals, sei die Mietbelastung im Verhältnis höher geworden. Hertie setzte mit rund 3400 Mitarbeitern zuletzt 680 Millionen Euro um.

Bei Hertie ist die Verbitterung über den britischen Investor groß. Seitdem Dawnay Day die Warenhäuser 2005 übernommen habe, hätten die Briten nur Rendite sehen wollen, heißt es im Unternehmen. Über die Mieten hätten sie Geld aus dem Unternehmen abgezogen. Das nötige Geld, um die Filialen für Kunden wieder attraktiv zu machen, habe es aber nicht gegeben. Wegen des Investitionsstaus seien heute viele Häuser in einem so schlechten Zustand, dass es sogar durchs Dach regne – was Immobilienverkäufer Meyer nicht bestreitet.

Insolvenzverwalter Bähr nährt dennoch die Hoffnung, dass es für Hertie eine Zukunft gibt. Die „Gespräche“ über eine Anpassung der Miethöhe dauerten an, beteuert er. „Bis dato“ habe es keine Gespräche zwischen Dawnay Day und der Hertie GmbH gegeben, behauptet dagegen Meyer. Erst für den kommenden Freitag sei ein „persönliches Gespräch“ in London verabredet. Was es da noch zu berede gebe, wisse er allerdings auch nicht, meint er lapidar.

Die Skepsis gönnt er sich von Geschäfts wegen. Seit dem vergangenen Jahr ist der Makler gerade einmal sechs Hertie-Filialen losgeworden. Dass sein Geschäft infolge der Mietvertragskündigung einfacher wird, während Hertie langsam die Luft auszugehen droht, bestreitet er gar nicht. „Ich gehe davon aus, dass die Hertie-Häuser jetzt sogar besser zu verkaufen sind als vorher.“ Die Nachfrage sei jedenfalls „erstaunlich gut“, versichert Meyer.

 Maren Peters

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