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Heuschrecken: In der Kreditklemme

Die Banken leihen Beteiligungsgesellschaften und Hedgefonds kein Geld mehr. Nun droht vielen Unternehmen das Aus.

Der Vorsitzende hat sich in Rage geredet. Es geht um das Grundsatzprogramm der SPD. In der globalisierten Wirtschaft müsse die Politik „die Rechte derer schützen, die hilflos sind, wenn anonyme Aktionäre ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen“, ruft Franz Müntefering seinem Publikum zu. Dann, kurz vor Ende der Rede, kommt der Satz mit den Heuschrecken – Finanzinvestoren, „die Substanz absaugen und Unternehmen kaputtgehen lassen, wenn sie sie abgefressen haben“.

Das ist vier Jahre her. Die Rede hielt Müntefering am 19. November 2004. Heute ist er wieder SPD-Chef, über den Kapitalismus wird heftiger diskutiert als je zuvor, und die Heuschrecken sind zu einer bedrohten Art geworden.

Die Finanzkrise nimmt Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften (so genannte Private-Equity-Fonds) in die Zange. Zum einen droht ihnen die Regulierung durch staatliche und überstaatliche Aufsichtsbehörden. Zum anderen steht ihr Geschäftsmodell auf der Kippe. Jahrelang haben die Fonds ihre Investitionen über großzügige Bankkredite finanziert. Oft reichten fünf oder zehn Prozent Eigenkapital für den Kauf eines mittelständischen Unternehmens. Der Rest kam per Kredit. Das hatte für die Investoren den Vorteil, dass sich die Rendite über einen Hebeleffekt maximieren ließ („Leveraged Buyout“). Für die übernommenen Unternehmen bedeutete es vor allem hohe Schulden, weil sie letztendlich den Kaufpreis tragen mussten.

Das kann ihnen nun zum Verhängnis werden. „Firmen, die von den Finanzinvestoren hohe Schulden aufgebürdet bekommen haben, stehen jetzt im Abschwung viel schlechter da als Firmen mit viel Eigenkapital“, sagt Alexandra Krieger, Finanzierungsexpertin bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Vor allem Autozulieferer sind unter Druck. Sie leiden besonders unter der Krise der Realwirtschaft und ächzen unter der Last ihrer Schulden. „Rund 100 Autozulieferer in Deutschland sind in Besitz von Private-Equity-Fonds“, sagt Richard Burton, Partner bei Pricewaterhouse-Coopers (PwC) und Leiter des Bereichs Private Equity. „Einige von ihnen werden die Krise nicht überleben.“

Auch vielen Finanzinvestoren selbst droht der Ruin. Ihnen geht das Geld aus. „Vor allem dort, wo jetzt Anschlussfinanzierungen anstehen, könnte es Probleme geben“, sagt Krieger. Selbst bestehende Kredite drohen zu platzen, wenn die Investoren nicht die in den Verträgen vereinbarten Ziele erreichen. „Die Ertragslage vieler Gesellschaften hat sich deutlich verschlechtert“, sagt PwC-Experte Burton. „Das kann dazu führen, dass die Banken vorzeitige Rückzahlungen ihrer Kredite verlangen.“ Expertin Krieger sieht Pleiten auf die Branche zukommen: „Einige Fonds – vor allem Hedgefonds – werden wohl ihr gesamtes Kapital verbrennen und insolvent gehen.“

An Neugeschäft ist derzeit ohnehin nicht zu denken. „Wir werden in diesem Jahr und wohl auch in den ersten Monaten 2009 fast keine neuen Transaktionen sehen“, erwartet Burton. Auch bei den Fonds selbst ist man pessimistisch. „Die Zurückhaltung der Banken bei Krediten führt dazu, dass es quasi nur noch eigenkapitalfinanzierte Übernahmen gibt“, sagt Albert Wahl, Vorstand des Finanzinvestors GCI. „In der Branche sagt man zurzeit, der Leveraged Buy-out ist tot.“

Stefan Kaiser

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