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Bauarbeiter sind oft direkt der heißen Sonne ausgesetzt.

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Hitzewelle: Forderungen nach "Schwitzzuschlag"

Bauarbeiter sollen bei sengender Sonne nach Hause gehen dürfen, fordert die Gewerkschaft. Die Arbeitgeber spendieren lieber kühle Getränke. Arbeiten im Sommer: Was bei hohen Temperaturen hilft.

Berlin - Es liegt eine anstrengende Woche hinter Hivzi Kalayci von der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt: Bei sengender Sonne hatte der Gewerkschaftssprecher zahlreiche Baustellen in Berlin besucht und an die Bauarbeiter sogenannte UV-Cards verteilt. Ein Feld auf der Karte zeigt den Arbeitern an, welchen Lichtschutzfaktor sie bei den Sonnenschutzmitteln wählen müssen. Passend dazu verteilt die Gewerkschaft Sonnenmilch.

Trotz der kurzen Regenintermezzi am Samstag hält die Hitzewelle in Deutschland an. Viele Beschäftigte leiden unter den Arbeitsbedingungen. Bauarbeiter sind oft direkt der heißen Sonne ausgesetzt. Zurzeit gebe es zwischen 5000 bis 8000 Baustellen in Berlin, vermutet Kalayci. Um die Bauarbeiter zu entlasten, fordert er Arbeitgeber auf, „Baumaschinen mit Klimaanlagen“ anzuschaffen. In Hochkränen könne es bis zu 60 Grad heiß werden. Außerdem sollten die Beschäftigten hitzefrei bekommen, und auch die Tarife für solche Extrembedingungen müssten neu geregelt werden.

Ein Schwitzzuschlag für Bauarbeiter? Arbeitergeber belächeln diese Forderung. „Sommerzeit ist Bauzeit – zu dieser Zeit wird das meiste Geschäft gemacht“, sagt Axel Wunschel, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbands Berlin-Brandenburg. „Irgendwann ist die Hitzewelle auch wieder vorbei. Und bis dahin tun die Arbeitgeber alles, um den Bauarbeitern das Leben zu erleichtern.“ Bei großer Hitze werden die Arbeiter mit Getränken versorgt und die Arbeitszeiten in den frühen Morgen und in die Abendstunden gelegt, berichtet Wunschel. „Die Baufirmen sind im Moment in hohem Maße mit den liegen gebliebenen Aufträgen während des harten Winters beschäftigt. Die können ihren Angestellten im Moment kein Hitzefrei geben.“

Ist Hitzefrei also nur eine Forderung von Faulpelzen, die den Sommer lieber am Badesee verbringen würden? Studien zufolge hängt die Arbeitsproduktivität auch von der Temperatur ab: In südeuropäischen Ländern sinkt sie während der heißen Mittagstunden um bis zu 30 Prozent. Deshalb gibt es in Spanien noch immer die Traditon der „Siesta“, der traditionellen Mittagsruhe.

Nach der kurzen Abkühlung am Wochenende soll es wieder heiß werden, und die Bauarbeiter müssen schwitzen. Büroangestellte haben es oft besser: In vielen Büros gibt es Klimaanlagen. Claus Händel, technischer Referent des Fachinstituts Gebäude-Klima, schätzt, dass inzwischen rund 40 Prozent der Flächen aller kommerziellen Gebäude klimatisiert sind. Dazu gehören Kaufhäuser, Theater und Büros.

Dumm nur, wenn die Klimaanlage ausfällt. „Natürlich gibt es in Hitzeperioden vergleichsweise häufig Störungen“, sagt Händel. „Die meisten Anlagen in Deutschland sind nicht auf Temperaturen über 38 Grad ausgelegt – die verwendeten Kältemittel stoßen hier schlicht an ihre Grenzen.“ Außerdem seien die Geräte oft schlecht gewartet und somit anfälliger für Störungen. Ein Rechtsanspruch auf klimatisierte Arbeitsräume bestehe ohnehin nicht, sagt Berlins Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke). Sie bezeichnet die Hitze als „besondere Belastung“, auf die sich die Menschen einstellen sollten. Dazu gehöre: viel trinken, leichte Kost zu sich nehmen sowie direkte Sonne und körperliche Anstrengung vermeiden. Arbeitgeber stünden aber in der Pflicht, im Sinne des Arbeitsschutzes für die gesundheitliche Unversehrtheit ihrer Beschäftigten zu sorgen, mahnt die Senatorin – zum Beispiel müssen sie ihr Personal vor extremer Sommerhitze schützen.

Die Charité in Berlin versucht, die „Belastungen möglichst gering zu halten“, sagt eine Sprecherin des Klinikums. Seit Mittwoch darf das Personal „die Trinkwasservorräte auf den Stationen, die normalerweise nur für die Patienten bestimmt sind, mitbenutzen“, berichtet die Sprecherin. „Außerdem werden alle Mitarbeiter in der Pflege mit gekühlten Melonen versorgt.“ Noch spendabler ging es in der vergangenen Woche in einigen Abteilungen der Mineralölgesellschaft Total zu, deren Deutschlandzentrale ihren Sitz in Berlin-Mitte hat: Dort wurde in der vergangenen Woche Speiseeis an die Mitarbeiter ausgegeben.

Für Menschen ist dies eine Erleichterung. Doch Technik und Maschinen lassen sich nicht mit Melonen und Eis abspeisen und ruhig stellen. Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) meldete nach einer Umfrage unter seinen Mitgliedern, dass die Nachfrage nach Klimaanlagen für Rechenzentren stark gestiegen sei.

Die Serverräume seien oft nicht auf hohe Außentemperaturen ausgelegt. Nach Angaben des Verbands gibt es in Deutschland derzeit rund 53 000 Rechenzentren. Der Stromverbrauch aller Klimatisierungen in deutschen Rechenzentren betrage rund drei Terawattstunden jährlich – so viel, wie ein mittelgroßes Kohlekraftwerk in einem Jahr produziert. Mindestens 20 Prozent des Energieverbrauches werden in den meisten Rechenzentren bereits für die Kühlung ausgegeben, bei größeren sogar bis zu 60 Prozent.

Dennoch empfiehlt Holger Shurk, Sprecher des Bitkom, vor allem den kleinen Unternehmen, sich den „veränderten Klimabedingungen anzupassen“, da extreme Hitzewellen voraussichtlich zunehmen würden. Viele Rechenzentren legten die Klimatisierung inzwischen für eine Außentemperatur von 40 Grad aus – und nicht mehr wie bisher üblich auf 32 Grad. Der Klimawandel, er ist jetzt auch in deutschen Büros, Rechenzentren und auf den Straßen angekommen.

Patrick Weber

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