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Hohe Preise: Irland versetzt Finanzmärkte in Aufruhr

Die irische Schuldenkrise hat die Finanzmärkte aufgeschreckt. Das hoch verschuldete Land muss derzeit Rekordzinsen für Geld vom Kapitalmarkt bezahlen. Schlüpft Irland schon bald unter den EU-Rettungsschirm?

Einst galt Irland als „keltischer Tiger“, als wirtschaftliches Vorzeigeland in der EU. Heute liefert die Grüne Insel Zahlen, die die Finanzmärkte in Aufruhr versetzen. Im Oktober wurden Schätzungen publik, denen zufolge das irische Staatsdefizit in diesem Jahr auf den schwindelerregenden Wert von 32 Prozent des Bruttoinlandsproduktes hochschnellen dürfte – Dublin bezahlt einen hohen Preis für die Rettung der irischen Banken. Zudem droht die Beschaffung frischen Geldes auf dem Kapitalmarkt für die Iren immer teurer zu werden. Am Donnerstag verlangten Investoren für zehnjährige irische Anleihen eine Rekord-Rendite von 8,8 Prozent. Damit muss der Inselstaat verglichen mit deutschen Anleihen derzeit einen Aufschlag von sechs Prozent zahlen.

Die Nervosität an den Finanzmärkten hat aber nicht nur mit der Schieflage des irischen Haushalts zu tun, sondern auch mit einem Beschluss, den die Staats- und Regierungschefs der EU vor zwei Wochen fassten. Der Gipfel hatte sich darauf geeinigt, den EU-Ratschef Herman Van Rompuy mit der Sondierung für einen dauerhaften Mechanismus bei möglichen künftigen Euro-Krisen zu beauftragen. Dies geschah in erster Linie auf Drängen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die darauf pocht, einen solchen Krisenmechanismus im Lissabon-Vertrag festzuschreiben. Damit soll gewährleistet sein, dass der gegenwärtige Euro-Rettungsschirm, der bis zum Jahr 2013 gilt, durch eine Neuregelung ersetzt wird. Merkel fordert, dass in Zukunft auch private Gläubiger zur Kasse gebeten werden, wenn es zu einer Staatspleite kommt.

Obwohl der dauerhafte Krisenmechanismus erst im Jahr 2013 wirksam werden soll, löste der Beschluss des EU-Gipfels erhebliche Unruhe an den Märkten aus: In höheren Risikoaufschlägen für Länder wie Irland und Portugal spiegelt sich die Sorge der privaten Investoren wider, im Fall einer Rettungsaktion möglicherweise auf einen Teil der Anleihen verzichten zu müssen. Der irische Premierminister Brian Cowen ging denn auch scharf mit Merkel ins Gericht, die bei ihren Plänen für eine Restrukturierung der Schulden zunächst den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy auf ihre Seite gezogen hatte. „Das war nicht hilfreich“, urteilte der Regierungschef über den deutsch-französischen Vorstoß.

Die Bundesregierung war am Freitag nach Kräften bemüht, den Spekulationen gegen Irland die Spitze zu nehmen. Für mögliche Krisenfälle seien Vorkehrungen getroffen worden, sagte Merkel am Rande des G-20-Gipfels in Seoul. Sprich: Sollte Irland tatsächlich die Hilfe der Euro-Partner in Anspruch nehmen müssen, dann steht der bestehende 750-Milliarden-Rettungsschirm bereit, der im Mai gewissermaßen über Nacht aus der Taufe gehoben wurde. Marktgerüchten zufolge könnte das klamme Land rund 80 Milliarden Euro aus dem Rettungsfonds von EU und IWF abrufen.

Deutschland und Frankreich stehen für einen großen Teil des Rettungspakets ein. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wies darauf hin, dass die Diskussionen über den neuen Krisenmechanismus ab 2013 nichts daran ändern, dass Irland im Fall eines akuten Finanzbedarfs unter den bestehenden Rettungsschirm schlüpfen könnte. Der vor zwei Wochen gefasste Beschluss des EU-Gipfels werde „ab 2013 seine Wirkung entfalten“, sagte der Minister – wenn sich denn die 27 EU-Staaten auf einen neuen Mechanismus einigen.

Bislang hat noch kein Euro-Mitglied das 750-Milliarden- Rettungspaket in Anspruch genommen. Nach Angaben der EU-Kommission macht Dublin bislang auch keine Anstalten, die Hilfe der Euro-Partner zu beantragen. „Irland hat keine Anfrage gestellt“, sagte EU-Kommissionssprecherin Amelia Torres am Freitag. Würde Irland Geld bei der EU beantragen, wäre zudem ein Vorlauf von gut einem Monat nötig, bis die Hilfen überwiesen wären. Allerdings hieß es am Freitagabend aus Brüsseler Kreisen, Irland stehe kurz davor, Hilfen aus dem Rettungsschirm zu beantragen. Dazu führe die Regierung bereits Gespräche.

Für einen Hilferuf spricht, dass die Regierung mit EU-Garantien über drei Jahre sicher finanzierte Staatsetats hätte und in aller Ruhe sparen und reformieren könnte. Dafür würde Dublin allerdings einen hohen Preis bezahlen. In der Wirtschafts- und Finanzpolitik müsste das Land einen beträchtlichen Teil seiner Souveränität abgeben. Zudem könnte ein solcher Notfall die Investoren auf lange Sicht verschrecken, warnte Christoph Weil, Anleihe-Experte bei der Commerzbank.

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