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Wirtschaft: Hohe Strompreise kosten Arbeitsplätze

Teure Energie in Deutschland gefährdet Milliardeninvestitionen in der Chemie- und Papierindustrie

Berlin - Die hohen Strompreise in Deutschland gefährden immer mehr Arbeitsplätze. Nachdem bereits Aluminiumhütten mit Schließung gedroht haben, stehen auch in der Papier- und Chemieindustrie Milliardeninvestitionen auf der Kippe. „Unsere Vorhaben sind nur realisierbar, wenn die Strompreise im nächsten halben Jahr deutlich sinken“, sagte Hans-Peter Kramer, Geschäftsführer des Chemieunternehmens Ineos Chlor Atlantik, dem Tagesspiegel am Sonntag. Konkret gehe es dabei um den Chemiestandort Wilhelmshaven, den der britische Mutterkonzern Ineos für knapp eine Milliarde Euro ausbauen wollte. „Daran hängen 300 direkte und 1000 indirekte Arbeitsplätze“, sagte Kramer.

Auch der norwegische Papierhersteller Norske Skog sieht sein Engagement in Deutschland gefährdet. „Bleiben die Energiepreise dauerhaft auf dem derzeitigen Niveau, hat unser Werk in Walsum keine Perspektive“, sagte Martin Schröder, der bei dem Unternehmen für die Energiebeschaffung zuständig ist. In dem nordrhein-westfälischen Werk sind rund 600 Mitarbeiter beschäftigt.

In den vergangenen Wochen waren die Strompreise erheblich gestiegen. So kostete eine Megawattstunde (MWh) am Spotmarkt der Leipziger Energiebörse EEX in der Spitze bis zu 90 Euro – Anfang des Jahres waren es nur rund 45 Euro. Dies hat auch den für Industriekunden relevanten Mittelspannungsstrom verteuert: Allein im Monat Mai sind die Stromkosten gewerblicher Kunden um 7,6 Prozent gestiegen, meldete der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK), der die Interessen großer Stromabnehmer vertritt. Zwar ist international Energie ebenfalls im Schnitt teurer geworden, aber das Preisniveau für Strom in Deutschland ist im Vergleich – auch mit vielen anderen europäischen Ländern – besonders hoch.

Als erste Branche zog daraus die Aluminiumindustrie Konsequenzen: So will der norwegische Konzern Norsk Hydro seine Hütte im norddeutschen Stade und Teile der Hamburger Aluminium-Werke (HAW) schließen, sollten sich die Stromkosten nicht verringern. Der britisch-niederländische Aluminiumhersteller Corus erwägt wegen der Energiepreise ebenfalls einen Rückzug aus Deutschland.

Nun könnten auch Unternehmen aus anderen Branchen folgen. „Die Stromkosten fressen den Gewinn größtenteils auf“, sagte Martin Schröder von Norske Skog. Rund 25 Prozent der Gesamtkosten in der Papierindustrie entfielen auf den Strompreis, und allein in diesem Jahr sei die Stromrechnung des Unternehmens um 30 Prozent gestiegen.

Wie lange Norske Skog dem Druck standhalten kann, ist ungewiss. „Wenn wir Tiere wären, würde man von einer bedrohten Art sprechen“, sagte Schröder. Erst vor kurzem habe der Mutterkonzern eine Produktionsanlage für mehrere hundert Millionen Euro in China in Betrieb genommen. „Für Deutschland wurde so etwas nicht einmal in Erwägung gezogen.“

Noch dramatischer ist die Lage beim Chemiekonzern Ineos. Im Mai hatte das Unternehmen mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) eine gemeinsame Erklärung zur Erweiterung des Standorts Wilhelmshaven unterschrieben. Fast eine Milliarde Euro wollte Ineos investieren – unter anderem für eine Chlorelektrolyse-Anlage und für die PVC-Produktion. Doch mittlerweile hängt das Projekt wieder in der Schwebe. „Eigentlich sind wir mit allen Planungen durch“, sagte Geschäftsführer Kramer. „Es hängt jetzt nur noch an der Stromfrage.“

Im vergangenen Jahr hatte Ineos in Deutschland ein Ergebnis an der Nulllinie erwirtschaftet. „In diesem Jahr wird der Strompreis zu roten Zahlen führen“, sagte Kramer. Strom sei für die chemische Industrie ein unverzichtbarer Rohstoff. „Wir brauchen ihn in einer festen physikalisch-chemischen Relation. Da kann man nichts einsparen.“

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