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Wirtschaft: Hummer knapp gekocht

Wir Picknick-Fans sind Puristen. Silberbesteck und Gläser, aus denen man mit Anstand und Andacht trinken kann – das gebietet schon der Respekt vor den stilvollen britischen Erfindern des Essens unter freiem Himmel.

Wir Picknick-Fans sind Puristen. Silberbesteck und Gläser, aus denen man mit Anstand und Andacht trinken kann – das gebietet schon der Respekt vor den stilvollen britischen Erfindern des Essens unter freiem Himmel. Dazu noch ein akkurat geflochtener Korb für die Utensilien sowie eine geräumige Kühltasche für den Champagner und empfindiche Zutaten – dann ist es gut. Wer gleich sein Wohnmobil mitschleppt und warmes Essen zubereitet, der hat sich aus dem Kreis der Fans mutwillig verabschiedet. Und auch der Grill bleibt bitte zu Hause!

Sonst ist vieles erlaubt. Wir haben Sommer, das Essen ist also leicht. Leicht! Champagner ist nicht unbedingt leicht, deshalb haben alle Recht, die auf deutschen Riesling-Sekt setzen. Der schmeckt auch noch, wenn die Kühltasche nachlässt, wenn also auch der doofe Prosecco längst an eingeschlafene Füße erinnert. Sandwiches? Nicht falsch. Doch wenn sie wie deutsche Butterstullen aussehen, läuft was schief. Salat, Gemüse, Sprossen müssen dazwischen. Lachs, skandinavisch eingelegter Hering, Garnelen oder knapp gekochter Hummer sind immer gut. Aber wir haben die Zeit des asiatischen Essens, und kein Purist wird die Nase rümpfen, wenn ein Paket mit den guten Sushi- und Sashimi-Häppchen vom Experten um die Ecke mitreist. Kross ausgebackene Frühlingsrollen kriegen viele Hobbyköche auch selbst hin; wer sie mitnimmt, wird feststellen, dass die vorlauten Bouletten- und Schnitzelfreunde ganz leise die Seite wechseln und nicht einmal nach dem stereotypen Mostrich fahnden.

Andererseits gehen ja auch Bouletten. Wenn sie richtig gemacht sind, aufgepeppt mit Blauschimmelkäse, Nüssen und Mangochutney, wenn sie klein genug sind, um auf einen Happen im Mund zu verschwinden und dekorativ genug angerichtet mit Früchten und Gemüsen – dann sollen sie mitkommen dürfen. Ein Blattsalat schließlich ist Pflicht, allerdings nur, wenn er die Vinaigrette erst beim Anrichten reingedonnert bekommt und nicht schon Stunden vorher zu Hause. Wäre ja schrecklich! Olivenöl? Was sonst. Am besten gleich die Flasche mitnehmen, denn zum Brotbefeuchten ist das Zeug ja so viel besser als die gewohnte Butter. Und lassen Sie den Salzstreuer zu Hause – heute ist der Tag für körniges Meersalz oder bretonisches Fleur de Sel. Pfeffer aus der Mühle!

Bitte? Ach ja: der Nudelsalat. In Gottes n. Wenn die Nudeln nicht zu weich sind, wenn ein Kochkundiger ihn noch einmal entschlossen nachwürzt und vor allem die Sauce mit einem Schluck Milch oder Sahne aus der hier zu Lande üblichen Kleb- und Schmier-Konsistenz erlöst. Dann mag auch der Nudelsalat noch einen Platz an unserer Freiluft-Tafel finden. Bernd Matthies

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