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Wirtschaft: HVB bringt Risiken an den Aktienmarkt

Hypo-Vereinsbank spaltet Immobilienfinanzierer Real Estate ab – erster Börsengang in diesem Jahr

München/Berlin (nad/mot). Dem neuen, von der HypoVereinsbank abgespaltenen Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate Group (HRE) ist ein überraschend guter Börsenstart gelungen. Die Aktie ging am Montag mit gut elf Euro am Morgen in den Handel, bei Handelsschluss notierte das Papier bei 12,30 Euro. Analysten warnten jedoch vor zu großem Optimismus. Sie rechnen in den kommenden Monaten mit deutlichen Kursabschlägen. Auch die Aktie der Hypo-Vereinsbank (HVB) notierte unerwartet stabil.

Von der erstmaligen Börsennotierung der Hypo-Tochter erhoffen sich Finanzmarktexperten eine Initialzündung für den in Deutschland brachliegenden Markt für Neuemissionen. In diesem Jahr ist bisher noch kein Unternehmen an die Börse gegangen, im vergangenen Jahr waren es nur fünf. Zum Vergleich: Im Boomjahr 2000 wagten mehr als 200 Firmen den Gang an den Kapitalmarkt. In den USA und Großbritannien ist das so genannte IPO-Geschäft (IPO=Initial Public Offering) schon angesprungen.

Die Aktionäre der HVB, denen das Papier automatisch zugeteilt wurde, konnten sich freuen: Zwar verlor die Aktie im Zuge der Abspaltung rund 11,6 Prozent auf gut 14,50 Euro. Dafür hatten die Anteilseigner für vier HVB-Anteilsscheine je eine Aktie der HRE erhalten, so dass sie am ersten Handelstag einen Gewinn von sieben Prozent machten. Eine Reihe von Analysten empfahl jedoch, das Papier des neuen Immobilienkonzerns zu verkaufen. „Ich sehe bei der HRE kaum Wachstumspotenzial“, sagte Georg Kanders von der WestLB. Auch Andreas Pläsier von der Berenberg Bank rechnet damit, dass die HRE wegen der bevorstehenden Restrukturierung kräftige Kursabschläge hinnehmen muss. „Ich sehe den fairen Wert bei höchstens elf Euro“, sagte er dem Tagesspiegel.

Analyst Konrad Becker von Merck Finck rät ebenfalls zum Verkauf. Er erwartet, dass sich viele Investoren von der Aktie trennen werden, da sie das gewerbliche Immobiliengeschäft als zu riskant einschätzen. Dass die Münchener Rück ihren 25,7-Prozent-Anteil noch vor dem Börsenstart in der vergangenen Woche verkauft hat, wertet er als Zeichen dafür, dass sie „kein großes Vertrauen in den neuen Konzern“ hat.

Mit der Abspaltung der HRE hat sich die HVB im Zuge ihres Konzernumbaus von etwa einem Fünftel ihres Geschäfts getrennt. Das finanziell angeschlagene Kreditinstitut hat rund 57 Milliarden Euro Risikoaktiva in den neuen Konzern ausgelagert und will damit wieder profitabel werden. „Beim Abbau der Risikoaktiva und der Stärkung unserer Kapitalbasis haben wir bereits erhebliche Fortschritte erzielt“, sagte HVB-Vorstandschef Dieter Rampl am Montag. Auch nach der Abspaltung der HRE verbleiben aber noch gewerbliche Immobilien im Wert von etwa 30 Milliarden Euro in den Büchern; die HVB rechnet für 2003 noch einmal mit einer Risikovorsorge von rund drei Milliarden Euro (Vorjahr: 3,8 Milliarden Euro).

Die HRE tritt als einer der größten europäischen Anbieter von gewerblichen Immobilienfinanzierungen an. In dem Konzern sind drei operative, voneinander unabhängige Einheiten gebündelt: Hypo Real Estate Bank International (internationales Geschäft), Württembergische Hypothekenbank (pfandbriefgestütztes in- und ausländisches Geschäft) und Hypo Real Estate Bank (Deutschland-Geschäft). Wachsen will der Konzern künftig vor allem mit dem Auslandsgeschäft, das bereits profitabel ist. Im defizitären Deutschland-Geschäft hat die HRE dagegen einen strikten Sparkurs angekündigt.

Die HVB bleibt auch nach der Abspaltung der Immobilientochter zunächst die zweitgrößte deutsche Bank hinter der Deutschen Bank und vor der Commerzbank. Der Abstand ist jedoch knapp: Am Montag hatten die Münchner eine Marktkapitalisierung (siehe Lexikon, Seite 16) von etwa 7,8 Milliarden Euro; die Commerzbank wies einen Wert von 7,65 Milliarden Euro auf. Die Deutsche Bank kommt auf einen Börsenwert von 32,1 Milliarden Euro. Analyst Becker zufolge wird in nächster Zeit wieder verstärkt über Fusionen spekuliert, da die HVB nach der Auslagerung der Immobilienrisiken „attraktiver für potenzielle Käufer geworden“ sei.

Der gelungene Start der HRE-Aktie dürfte weitere Börsenanwärter ermutigen. So kündigte die Deutsche Post AG vor gut einer Woche an, sie wolle 50 Prozent der Postbank in etwa einem Jahr an die Börse bringen. Post-Chef Klaus Zumwinkel rechnet mit einem Erlös von bis zu 2,5 Milliarden Euro. In den Startlöchern steht auch der Sanitärarmaturenhersteller Grohe. Das Unternehmen beauftragte jüngst die Investmentbank Merrill Lynch mit der Prüfung aller Optionen für den Ausstieg der Investorengruppe BC Partners. Oberste Präferenz: der Börsengang. Auch der Generikahersteller Hexal will bis Jahresende eine Entscheidung über einen möglichen Börsengang gefällt haben. Dann sollen eventuell einmal bis zu 30 Prozent der Aktien gelistet sein.

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