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Wirtschaft: IBM streicht noch mehr Stellen in Deutschland

Kein Standort ausgeschlossen / Ankündigung lässt Aktienkurs zunächst deutlich steigen / IG Metall sieht Befürchtungen bestätigt

New York/Berlin – Der Computer- und Dienstleistungskonzern IBM forciert seinen Stellenabbau in Deutschland. Bereits vor zwei Monaten hatte IBM angekündigt, bis September 580 Arbeitsplätze in Schweinfurt und Hannover zu streichen. Nun sollen deutlich mehr Stellen abgebaut werden. „Davon kann man ausgehen,“ sagte IBM-Sprecher Peter Gerdemann dem Tagesspiegel am Donnerstag.

Die IG Metall hat nach eigenen Angaben bereits seit längerem die Erwartung, dass jeder zehnte der 25000 deutschen Arbeitsplätze gestrichen wird. „Es gibt noch nichts Greifbares. Aber damit bestätigen sich unsere Befürchtungen, die IBM noch vorige Woche als falsch zurückgewiesen hat,“ sagte der Stuttgarter IG-Metall-Sprecher Kai Bliesener dem Tagesspiegel. Es gehe um 2500 Jobs. „Das ist die Größenordnung, mit der wir rechnen.“ Woher die Zahl stamme, gebe er nicht preis.

Hintergrund ist die Ankündigung des US-Konzerns am Mittwoch nach Börsenschluss, weltweit 13000 Stellen zu streichen, vor allem in Deutschland, Frankreich und Italien. Gerdemann machte keine Angaben zu den betroffenen Standorten oder Betriebsteilen. „Ich schließe nichts ein, und ich schließe nichts aus.“ Ziel sei es, den Stellenabbau auf freiwilligem Weg hinzukriegen. Die Beratungen mit den Arbeitnehmervertretern liefen schon. „Wir werden in den nächsten Wochen sehr intensive Gespräche führen.“

IBM beschäftigt weltweit 320000 Mitarbeiter – und die Deutschland-Tochter mit Sitz in Stuttgart jeden vierten IBM-Mitarbeiter Europas. In Berlin sind es nach Angaben der Industrie- und Handelskammer (IHK) 1200 Beschäftigte. Damit ist IBM einer der 40 größten Arbeitgeber der Stadt. Dazu gehört auch die 100-prozentige IBM-Tochter csg Computer Service GmbH, die in Berlin ihre Zentrale und bundesweit rund 70 Standorte mit 1400 Mitarbeitern unterhält. Ferner gibt es in Berlin eine eigene Niederlassung von IBM Deutschland, einen Standort der IBM Business Services GmbH, das e-Government Center von IBM, das für Kunden im öffentlichen Dienst arbeitet, sowie ein IBM-Bildungszentrum.

Das Sparprogramm passt nahtlos ins Konzept des seit 2002 amtierenden Konzernchefs Samuel Palmisano, der das Unternehmen auf die rentabelsten Bereiche konzentrieren will. Der Stellenabbau soll bereits im Laufe des zweiten Quartals erreicht werden und das Quartalsergebnis vor Steuern mit 1,3 bis 1,7 Milliarden Dollar belasten. Auf Europa ist der Stellenabbau konzentriert, weil das neue dienstleistungsorientierte Geschäftsmodell dort unter hohen Lohnkosten und schwachen Wachstumsraten leidet.

Palmisano kündigte bereits vergangene Woche „aggressives Handeln“ als Reaktion auf die schwachen Ergebnisse des ersten Quartals an, die den Aktienkurs auf Talfahrt geschickt hatten. Mit der Nachricht vom Stellenabbau legte das Papier zunächst deutlich zu, gab aber einen Teil der Gewinne im Laufe des Donnerstagshandels wieder ab. Zuletzt hatte sich IBM im Jahr 2002 neu strukturiert. Damals stellte der Konzern die Produktion von Diskettenlaufwerken ein und reduzierte die Mitarbeiterzahl in der Chip-Produktion. Vor gut einem Vierteljahr verkaufte IBM für 1,25 Milliarden Dollar die Personal-Computer-Sparte an den chinesischen Konkurrenten Lenovo.

IBM will mit dem neuen Programm kleinere Betriebsgesellschaften schaffen. Von der dezentraleren Struktur verspricht man sich schnellere Entscheidungen. Die neuen regionalen Machtzentren sollen in Zürich und Madrid entstehen, nicht in Stuttgart. Leiten werden sie Dominique Cerutti und Coleen Arnold. Cerutti führte bisher den Dienstleistungsbereich in Europa, Arnold Teams in der Telekommunikationsbranche. IBM Deutschland veröffentlicht keine Zahlen, Finanzdirektor Mark Loughridge sagte jedoch jüngst, die Umsatzerlöse in Japan, Deutschland, Frankreich und Italien seien im ersten Quartal um fünf Prozent gesunken. IBM hat in Deutschland eine herausgehobene Stellung. So war der frühere IBM-Europachef Hans-Olaf Henkel von 1995 bis 2000 Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie.

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