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Pause statt Geld. Die freien Tage dienen dem Gesundheitsschutz und können nicht „verkauft“ werden. Nur wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig endet, darf der Arbeitgeber sie auszahlen. Foto: Kai-Uwe Heinrich

© Kai-Uwe Heinrich tsp

Wirtschaft: Ich bin dann mal weg

Demnächst steht für viele Arbeitnehmer der Sommerurlaub an. Doch wer bestimmt eigentlich, wann man ihn nimmt? Und kann er, einmal bewilligt, widerrufen werden? Ein Experte erklärt die Regeln

Herr Singer, wie viel Urlaub steht Beschäftigten zu?

Jeder Arbeitnehmer hat in einem Kalenderjahr einen Anspruch auf Erholungsurlaub von 24 Tagen (Sonn- und Feiertage nicht mitgerechnet), bei fortwährender Zahlung des Lohns. So schreibt es das Bundesurlaubsgesetz fest. Der festgeschriebene Zeitraum ist allerdings etwas missverständlich, da man bei der Schaffung des Gesetzes noch von einer Sechs-Tage-Woche ausging. Bei einer Fünf-Tage-Woche, wie sie heute üblich ist, besteht nur ein Anspruch von 20 Werktagen im Kalenderjahr.

Gilt das für Azubis genauso wie für Angestellte?

Ja, das gilt für alle Arbeitnehmer. Schwerbehinderte haben allerdings Anspruch auf fünf Tage mehr Urlaub. Auch Arbeitnehmer können allerdings auf zusätzliche Tage Anspruch haben – wenn für sie etwa entsprechende Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen gelten oder wenn in ihrem individuellen Arbeitsvertrag die Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit oder ihr Alter berücksichtigt wird.

Habe ich Anspruch auf Urlaubsgeld?

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf bezahlten Urlaub, das so genannte Urlaubsentgelt. Davon zu unterscheiden ist das Urlaubsgeld, das zusätzlich zur „normalen“ Lohnfortzahlung während der Urlaubszeit gezahlt wird. Dieses stellt rechtlich gesehen eine Prämie dar, wie Weihnachtsgeld. Ob Urlaubsgeld gezahlt werden muss, richtet sich danach, ob eine entsprechende Vereinbarung (Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) oder eine betriebliche Übung besteht: Zahlt der Arbeitgeber etwa seit Jahren regelmäßig freiwillig Urlaubsgeld, dann ist er dazu auch in Zukunft verpflichtet.

Kann ich den Urlaub beliebig stückeln?

Laut Gesetzgeber soll der gesamte Urlaub eigentlich an einem Stück genommen werden, um den Erholungseffekt zu gewährleisten. Der Arbeitgeber könnte darauf ebenso bestehen wie der Arbeitnehmer, solange keine dringenden betrieblichen Belange dagegen sprechen. Die Praxis sieht aber anders aus. Oft wird der Urlaub in mehrere Phasen aufgeteilt.

Kann man selbst bestimmen, wann man Urlaub nimmt?

Nein. Man darf sich vor allem nicht selbst beurlauben. Bleibt der Arbeitnehmer einfach der Arbeit fern, wenn sein Urlaubswunsch nicht berücksichtigt wurde, kann das die fristlose Kündigung bedeuten.

Was kann man machen, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt?

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, sofern nicht betriebliche Belange entgegenstehen. Urlaub wird aber allein durch die Erklärung des Arbeitgebers gewährt, den Arbeitnehmer für einen bestimmten Zeitraum freizustellen. Kann man sich partout nicht einigen, hilft nur, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Gibt es bestimmte Fristen, in denen man Urlaub beantragen muss?

Nein. In der Regel sollte man aber den Urlaub zu Beginn des Kalenderjahres beantragen. In vielen Firmen werden dazu Listen verteilt, in denen man sich einträgt, so dass der Urlaub der Mitarbeiter aufeinander abgestimmt werden kann.

Was, wenn der Arbeitgeber den Antrag nicht bearbeitet?

Er ist verpflichtet, sich zu entscheiden. Lässt er sich dennoch nicht dazu bewegen, hat man nur die Möglichkeit, den Betriebsrat einzuschalten – oder eine Klage auf Urlaubsgewährung zu erwägen. In der Praxis kommt es aber selten dazu. Glücklicherweise, denn das könnte den Betriebsfrieden gravierend gefährden.

Was, wenn die Kollegen sich nicht einigen?

Dann muss der Arbeitgeber nach sozialen Gesichtspunkten entscheiden. Dabei spielen etwa die Schulferien eine Rolle, wenn der Arbeitnehmer ein schulpflichtiges Kind hat, die Urlaubsmöglichkeiten seines Partners, die Erholungsbedürftigkeit, das Alter oder die Frage, wie die Urlaubsvergabe bisher geregelt wurde. Welche der sozialen Gesichtspunkte höher gewichtet werden, bestimmt der Arbeitgeber. Seine Entscheidung muss allerdings gerichtlich nachvollziehbar sein.

Kann der Arbeitgeber bereits gewährten Urlaub widerrufen?

Der Arbeitgeber ist an seine Freistellungserklärung gebunden. Sie ist rechtlich verbindlich, ähnlich wie ein Vertrag. Ausnahmen können nur gemacht werden, wenn sich die Geschäftsgrundlage des Unternehmens geändert hat oder die Existenz der Firma auf dem Spiel steht. „Einfache“ betriebsbedingte Gründe, wie zum Beispiel ein drohender Produktionsausfall, reichen hingegen nicht aus.

Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auffordern, den Urlaub abzubrechen?

Das ist nur in absoluten Ausnahmefällen möglich, etwa wenn die Existenz des Betriebes gefährdet ist. Ansonsten kann der Arbeitnehmer nicht verpflichtet werden, seinen Urlaub abzubrechen. Der Urlaub ist für den Arbeitgeber tabu. In der Praxis kehren Arbeitnehmer, die sich mit dem Unternehmen solidarisch fühlen, aber dennoch oft zurück, wenn die Lage es aus ihrer Sicht erfordert. Doch diese Entscheidung ist freiwillig – und hängt wohl auch von der Firmenkultur ab.

Was, wenn man im Urlaub krank wird?

Krankheit wird nicht auf den Jahresurlaub angerechnet. Der Arbeitnehmer muss allerdings, auch wenn er sich im Ausland aufhält, ein ärztliches Attest vorlegen. Der Urlaub gilt dann für die ausgewiesene Zeit als nicht genommen.

Kann man im Urlaub arbeiten?

Einer Erwerbstätigkeit darf man nur nachgehen, wenn sie dem Urlaubszweck nicht widerspricht. Das wäre etwa bei einer Nebentätigkeit der Fall, die man auch während des regulären Arbeitsverhältnisses ausübt, nicht aber bei einem Vollzeitjob. Auch Beschäftigungen wie Aus- und Weiterbildung sind zulässig.

Verfällt der Anspruch, wenn man ihn nicht im laufenden Kalenderjahr nimmt?

Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr genommen werden. Nur dringende betriebliche Gründe, die Auftragslage der Firma oder die Krankheit des Arbeitnehmers, rechtfertigen, den Urlaubsanspruch bis zum 31. März ins nächste Kalenderjahr zu übertragen.

Kann man sich den Urlaubsanspruch auszahlen lassen?

Nein, auch nicht aus dringenden betrieblichen Gründen. Der Urlaub muss gewahrt bleiben, schließlich gilt er dem Gesundheitsschutz. Nur wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig endet, muss der Arbeitgeber die freien Tage auszahlen.

Was, wenn der Arbeitgeber insolvent ist?

Der Anspruch auf Urlaub bleibt davon unberührt. Der Insolvenzverwalter kann den Arbeitnehmer freistellen. Die Ansprüche auf Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld könnten allerdings als normale „Masseverbindlichkeiten“ der Insolvenz zum Opfer fallen.

Die Fragen stellte Marion Hartig

Reinhard Singer

ist Professor und

geschäftsführender

Direktor des Instituts

für Anwaltsrecht,

Arbeitsrecht und Rechtssoziologie

an der Humboldt-

Universität zu Berlin.

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