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Wirtschaft: „Ich bin ein Patriot“

Der Schraubenmilliardär Reinhold Würth über Kapitalisten, Investitionen in Deutschland und die Agenda 2035

Herr Würth, Sie gehören zu den zehn reichsten Bürgern dieses Landes. Was macht einen Kapitalisten aus?

Ach, ein Kapitalist ist ein ganz normaler Mensch mit Nase, Ohren und Augen. Ich unterscheide mich überhaupt nicht von anderen. Ich fahre vielleicht ein größeres Auto als andere, einen Audi A8, und ich habe zwei Ferienhäuser. Ich weiß nicht, wie der Duden einen Kapitalisten beschreibt. Aber wenn Sie Kapital haben, sind Sie eben ein Kapitalist.

Bei weitem nicht alle Kapitalisten sind so reich wie Sie. Was machen Sie anders?

Das sind natürlich verschiedene Dinge. Ich hatte das Glück, in der richtigen Zeit meine Berufskarriere beginnen zu können, gerade zu Beginn des deutschen Wirtschaftswunders. Und dann habe ich natürlich viel gearbeitet. Ich habe heute noch meistens zwölf, vierzehn, sechzehn Arbeitsstunden an sieben Tagen in der Woche. Ich habe mit Sicherheit schon zwei Arbeitsleben hinter mich gebracht, wenn ich die gewerkschaftlich zulässigen Arbeitszeiten rechnen würde.

Fühlen Sie sich von der Kapitalismuskritik Franz Münteferings angesprochen?

Im Gegenteil, ich bin von Bundeskanzler Schröder erst kürzlich gelobt worden, als einer von denen, die den Standort Deutschland toll vorangebracht haben. Wir sind hier in Künzelsau der größte Steuerzahler. 63 Prozent der Gewerbesteuer kommt von Würth. Ich fühle mich da Nullkomma gar nicht angesprochen.

Die Kapitalismus-Kritik ist also völlig unangemessen?

Die Aussagen von Herrn Müntefering finde ich einfach dumm. Man kann nicht alle Leute über den gleichen Leisten scheren. Ich habe mit meiner Arbeit 50000 Arbeitsplätze geschaffen. Und das soll der Staat erst einmal nachmachen. Nur ein Beispiel: Ich habe mein Leben lang die Höchstsätze in die Sozialversicherung einbezahlt und bekomme jetzt eine Rente. Wenn ich das eingezahlte Geld selbst verwaltet hätte, liebe Zeit, dann hätte ich heute das Zehnfache an Rente. Fazit: Die staatlichen Systeme, die ganzen Umverteilungsorgien, führen schlicht dazu, dass das Geld den Reichen genommen wird, aber bei den Bedürftigen nicht ankommt.

Gibt es keine Manager oder Unternehmer, auf die Münteferings Kritik zutrifft?

Es mag ein paar Fälle geben, wo Vorstände fast im Stil des Manchester-Kapitalismus vorgehen. Aber das sind extrem wenige Ausnahmen, auf die sich die Medien und die Öffentlichkeit stürzen. Dabei sind 98 Prozent aller Unternehmer, Kaufleute oder Vorstände anständige, stinknormale Vertreter ihres Berufsstandes, die das tun, was notwendig ist, um ihr Unternehmen voranzubringen.

Und dabei trotz dicker Gewinne Mitarbeiter entlassen?

Bei vielen ist das schlicht eine Überlebensfrage. Wenn die Deutsche Bank nicht ihre Profitabilität erhöht, dann wird sie selbst von den Heuschrecken gefressen. Dann schreien die Bürger, dann ist wieder das Management schuld. Die müssen jetzt ganz schnell ihren Börsenkurs verbessern und das geht nur, wenn die Rendite steigt. Und die Rendite steigt eben nur, wenn Arbeitsplätze abgebaut werden. Das ist eine knallharte Kausalität im Rahmen der Globalisierung.

Man kann es sich also als Unternehmer gar nicht leisten, ein Patriot zu sein?

Das habe ich nicht gesagt. Alle, die Arbeitsplätze abbauen müssen, sind deswegen noch keine schlechten Deutschen. Fiat baut in Italien auch zehntausende Arbeitsplätze ab. Trotzdem würde kein Italiener auf den Gedanken kommen, die Agnellis seien schlechte Italiener. Bei uns wird immer übertrieben. Ich warte nur darauf, dass der erste Kapitalist körperlich angegriffen wird. Die Folge wird sein, dass sie das Land verlassen.

Die Debatte schadet dem Land?

Und wie! Stattdessen müssten wir darüber diskutieren, wie lange wir noch brauchen, bis wir die 38-Stunden-Woche abgeschafft haben. Ein Land, das prinzipiell kürzer arbeiten will, wird in der Globalisierung gnadenlos untergehen. Das ist die Debatte, die zu führen ist: Wie wir wieder 40 Stunden pro Woche arbeiten – ohne Lohnausgleich.

Kann man überhaupt Cent-Artikel wie Schrauben profitabel hier produzieren?

Natürlich. Die Schraubenproduktion funktioniert heute fast vollautomatisch. Da spielen die Lohnkosten fast keine Rolle mehr. Das ist ja die Kehrseite der hohen Lohnstückkosten in Deutschland. Ich würde schätzen, dass zehn Prozent unserer ganzen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit in Deutschland nur für arbeitssparende Verfahren verwendet wird. Bei uns werden Dinge automatisiert, an die in Amerika kein Mensch denken würde. Die setzen einfach Arbeiter ein. Das ist dort zum Teil vorsintflutlich.

Und was funktioniert besser?

Die Gewerkschaften haben die Löhne so hochgetrieben, da muss ich automatisieren, um Lohnkosten zu sparen. Damit rationalisiere ich Arbeitsplätze weg. Wenn ich nicht ganz so hohe Kosten habe, kann ich es machen wie in Amerika.

Wo investiert Würth aktuell?

Wie investieren 50 bis 60 Millionen Euro in Schwäbisch Hall für eine Solarzellenfabrik. Und es entstehen 80 bis 100 Arbeitsplätze. Wenn ich das in den neuen Bundesländern gemacht hätte, hätte ich von den 60 Millionen 35 Prozent von der EU subventioniert bekommen. Wenn ich nach Polen gegangen wäre, hätte ich noch mehr bekommen. Da soll einer sagen, ich sei kein Patriot.

Sie investieren aus patriotischen Gründen in Schwäbisch-Hall?

Ja, eigentlich schon. Ich bin hier Vorsitzender der Bürgerinitiative „Pro Region Heilbronn-Franken“. Und ich bin dabei, unter den elf Regionen im Land Baden- Württemberg diese Region bis nach oben zu katapultieren.

Sind Sie stolz auf unser Land?

Aber natürlich. Ich bin stolz, Deutscher zu sein. Das können wir ja auch.Wir sind seit drei Jahren wieder mit Abstand Exportweltmeister. Man sollte mal in jeder Zeitung einen Leitartikel schreiben und erklären, dass wir 80 Millionen Deutsche deutlich mehr exportieren als die 290 Millionen Amerikaner oder die 130 Millionen Japaner.

Wo liegen unsere Stärken?

In der Innovationskraft, im Erfindergeist, in der Qualität der Produkte, in der Lieferzuverlässigkeit.

Bundeskanzler Schröder versucht Deutschland mit der Agenda 2010 zu modernisieren. Stimmt der Kurs?

Gerhard Schröder hat viel zu kurz gegriffen, wenn er von der Agenda 2010 spricht. Er hätte Sie Agenda 2035 taufen müssen. Bis wir das Land in Ordnung haben, geht es bis zum Jahr 2035 – mindestens. Das ist übrigens nicht anders als in Großbritannien. England ist heute der Star, aber das haben wir nicht Tony Blair zu verdanken, sondern Margaret Thatcher. Das braucht eben 20, 25 Jahre.

Sind wir denn auf dem richtigen Weg?

Natürlich. Im Jahr 2050, wenn die Leute zurückschauen, wird man in den Geschichtsbüchern lesen, Gerhard Schröder war der erste Kanzler dieser Republik, der verstanden hat, um was es geht, und er war der, der die Weichen gestellt hat. Was dann später von der CDU-Regierung wahrscheinlich fortgesetzt und noch verstärkt wird. Aber wir sind auf dem vollkommen richtigen Weg.

Das Gespräch führte Corinna Visser.

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