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Wirtschaft: "Ich hatte das Privileg, Spielräume ausnutzen zu können"

ALFRED RITTER (48) war Öko-Manager des Jahres 1997 und ist Vorsitzender des Beirats der Ritter Schokoladenfabrik in Waldenbuch.Bekanntestes Produkt der 1912 gegründeten Produktionsstätte ist die Marke "Ritter Sport".

ALFRED RITTER (48) war Öko-Manager des Jahres 1997 und ist Vorsitzender des Beirats der Ritter Schokoladenfabrik in Waldenbuch.Bekanntestes Produkt der 1912 gegründeten Produktionsstätte ist die Marke "Ritter Sport".Der Erbe engagiert sich in ökologischen Unternehmen.Das bekannteste, die von ihm unterstützte Hotzenblitz Mobile, ging vor zwei Jahren in Konkurs.Mit Ritter sprach Ursula Weidenfeld.

TAGESSPIEGEL: Herr Ritter, Sie leben von Ihrer Schokoladenfabrik, und Sie sind ein umweltorientierter Unternehmer.Wie geht das zusammen?

RITTER: Besser, als viele denken.Schokolade ist ein tolles Produkt, und es macht Spaß, der Chef der Ritter-Schokoladen zu sein.Aber es macht auch Spaß, Umweltunternehmer zu sein, seine Ideen von ökologischem Wirtschaften auch in Unternehmen umsetzen zu können.

TAGESSPIEGEL: Und das tun Sie so intensiv, daß Ihre Mitarbeiter in der Schoko-Fabrik, die das Geld verdienen, Sie kaum noch sehen?

RITTER: Zur Zeit bin ich nicht so viel in der Schokoladefabrik, da es der ausgesprochen gut geht.Und weil ich in den Unternehmen, in denen ich tätig bin, keine direkt operativen Aufgaben habe, habe ich den Freiraum, mich um das zu kümmern, was in einem Unternehmen entwickelt werden muß.Oder ich kann da sein, wenn Probleme auftreten.Ohne die Schokoladefabrik hätte ich die anderen Unternehmen allerdings nicht gründen können.

TAGESSPIEGEL: Warum nicht?

RITTER: Weil die deutschen Banken immer noch keine Kredite an Leute geben, die gute Ideen im Umweltbereich haben, aber kein Geld, sie zu realisieren.Das Risiko ist den Banken zu hoch, viele gute Ideen bleiben auf der Strecke.Jungen Unternehmen, die auf sich gestellt sind, geht zu schnell die Luft aus.Ich hatte das Privileg, Spielräume ausnutzen zu können.Die Ritter-Schokoladenfabrik ist meine eigene Bank gewesen.

TAGESSPIEGEL: Die Sie ausrauben, um unrentable Sonnenkollektorenfabriken zu finanzieren?

RITTER: Nein, ich bin kein Ökosponsor, sondern erwarte von den Unternehmen, die ich mitgründe, daß sie eine vernünftige Rendite erwirtschaften.In den ersten Unternehmen, die gegründet wurden, sind die Verlustphasen jetzt überwunden.Andere, jüngere Unternehmen sind auf dem Weg dahin.Ein Unternehmen, das mittelfristig keine Erfolgsaussichten hat, muß vom Markt auch wieder verschwinden.Das gilt für konventionelle Unternehmen genau so wie für Unternehmen, die im Umweltbereich tätig sind.

TAGESSPIEGEL: Auch wenn es dabei - wie beim schokoladenfinanzierten Ökoauto Hotzenblitz - um Symbole geht?

RITTER: Gerade dann.Wir hatten bei Hotzenblitz lediglich finanzielle Mittel, um bis zum Prototypen zu kommen.Das haben wir auch gemacht, hätten dann aber einen starken Partner gebraucht.Den haben wir leider nicht gefunden.Ich bin damals aus dem Projekt ausgestiegen.Das ist schade.Aber es war ein aussichtsloses Unternehmen, und deshalb mußte es aufgegeben werden.

TAGESSPIEGEL: Was haben Sie daraus gelernt?

RITTER: Daß es sich lohnen kann zu scheitern.Man lernt unglaublich viel in einem Projekt, das man dann aufgeben muß.Leider bin ich einer der wenigen Unternehmer, die die so erworbene Klugheit anschließend erneut unter Beweis stellen dürfen.Für die meisten jungen Existenzgründer ist die erste Erfahrung als Unternehmer auch die letzte.Weil wir - im Gegensatz zu den Amerikanern oder Engländern - jemandem, der einmal gescheitert ist, nicht noch eine Chance geben.

TAGESSPIEGEL: Wie sind Sie dazu gekommen, ökologische Anlagefonds oder Ökofirmen zu gründen, anstatt einen neuen Schokoriegel zu erfinden?

RITTER: Am Anfang stand eigentlich immer ein persönliches Bedürfnis.Ich wollte zum Beispiel ein Haus mit einer solarunterstützten Heizung bauen, habe aber niemanden gefunden, der ein vernünftiges Energiekonzept dafür macht.Also habe ich dafür Paradigma gegründet.Das Unternehmen verdient jetzt sein eigenes Geld.Ähnlich ist es bei den Geldanlagen.Es gibt viele, die Geld vernünftig und ökologisch einwandfrei anlegen wollen, und es gibt viele, die dieses Geld brauchen können.Aber es gab bisher niemanden, der beides zusammenführt.Also habe ich ein Unternehmen dafür gegründet.So kam eins zum anderen.

TAGESSPIEGEL: Sind Ökounternehmer oder Ökoanleger bereit, für die politische Korrektheit ihrer Anlage auf Zinsen und Rendite zu verzichten?

RITTER: Im Augenblick ist es wirklich noch so, daß es oft mit etwas weniger Rendite geht.Über kurz oder lang aber werden sich alle diese Unternehmen genau so bewähren müssen wie konventionelle Betriebe.Die Anleger erwarten dann auch eine ähnliche Belohnung wie bei normalen Investments.Das ist auch gut so, denn ökologisch orientierte Unternehmen müssen sich genau so bewähren wie andere.

TAGESSPIEGEL: Ist das deshalb besonders schwierig, weil sich Umweltunternehmen nicht rechnen?

RITTER: Umweltunternehmen rechnen sich.Es ist allerdings schade, daß der Staat weiterhin Folgekosten von Industrieproduktion, zum Beispiel die Emission von Kohlendioxid, in zu großem Maß der Allgemeinheit aufbürdet und nicht den Unternehmen als Kosten zurechnet.Dadurch haben es umweltorientierte Unternehmen wie Solaranlagenhersteller oder Windkraftanlagenbauer schwerer, als es sein müßte.

TAGESSPIEGEL: Schneiden die schlecht ab, weil sie diskriminiert werden - oder weil Idealisten nicht mit Geld umgehen können?

RITTER: Das mag in einigen Fällen so gewesen sein.Und es war früher wohl etwas häufiger als heute.Unternehmen, die nicht gut geführt werden, müssen zwangsläufig scheitern.Das ist aber keineswegs der Hauptgrund, warum viele junge Unternehmen scheitern.Viele sind nämlich sehr gut geführt.

TAGESSPIEGEL: Warum gehen sie dann nicht an die Börse?

RITTER: Mit der Solarstrom AG sind wir jetzt an eine breite Öffentlichkeit gegangen.Das war überraschend erfolgreich.

TAGESSPIEGEL: Sind Sie froh über die Ökosteuer?

RITTER: Für meine Begriffe ist die Ökosteuer zu vorsichtig und zu niedrig begonnen worden.Dadurch fällt die Entlastung der Lohnnebenkosten auch nur gering aus.Das wird wenige Unternehmer animieren, Mitarbeiter einzustellen.Die geringe Belastung der Energiekosten wird in bezug auf den Verbrauch von Energie wenig bewirken.Doch das ist erst der Anfang.Ich hoffe, daß schärfere und stärkere Ökosteuern kommen.

TAGESSPIEGEL: Reden Ihre Unternehmerkollegen noch mit Ihnen?

RITTER: Es passiert auch in konventionellen Unternehmen schon viel mehr, als viele denken.Es gibt kaum noch Unternehmer, die bestreiten, daß sich Energiespar-Investitionen oder Investitionen in sparsamere Verpackung lohnen.Natürlich investiert man in einem Unternehmen nur in Vorhaben, von denen man glaubt, daß sie sich rechnen.Das hängt auch mit den Rahmenbedingungen zusammen, die der Staat setzt.

TAGESSPIEGEL: Die deutsche Wirtschaft argumentiert, daß eine Ökosteuer, die nur für Deutschland gilt, zum Verlust von Wettbewerbsfähigkeit führe.

RITTER: Daß Umweltsteuern in Deutschland ein Alleingang sein sollen, ist ein Irrtum.Zum Beispiel gibt es in Italien erheblich höhere Energiesteuern.Dies schadet der italienischen Wirtschaft keineswegs.Gott sei Dank sieht es jetzt so aus, daß die Bevorzugung von Großkraftwerken gegenüber den kleineren, meist ökologischer wirtschaftenden Energieerzeugern nachlassen wird.

TAGESSPIEGEL: Wir können uns kaum noch retten vor Begeisterung über die Windräder, die jedes Mittelgebirge verschandeln.Werden die gebaut, weil sie wirtschaftlich sind - oder weil es schicker ist, Windräder abzuschreiben statt Schiffsbeteiligungen.

RITTER: Mir ist es allemal lieber, ein Windrad zu sehen, als mir vorzustellen, daß all das Geld in sinnlose Projekte im Ausland gesteckt wird.Bei uns wird nun in die Windenergie investiert, und die Technik dafür wird immer besser.Ich erwarte vom Staat, daß er diese Anlageformen wenigstens nicht diskriminiert.

TAGESSPIEGEL: Essen Sie überhaupt noch Schokolade?

RITTER: Können Sie sich etwas Besseres vorstellen als Schokolade?

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