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Wirtschaft: „Ich mache keinen Klüngel mehr“

Herr Späth, Sie wollen im Herbst Bundeswirtschaftsminister werden. Würden Sie der Eon-Ruhrgas-Fusion die Ministererlaubnis erteilen, wenn Sie jetzt Minister wären?

Herr Späth, Sie wollen im Herbst Bundeswirtschaftsminister werden. Würden Sie der Eon-Ruhrgas-Fusion die Ministererlaubnis erteilen, wenn Sie jetzt Minister wären?

In einem so komplizierten Fall kann ich mich nicht festlegen, ohne die Zusammenhänge geprüft zu haben. Grundsätzlich sehe ich allerdings, dass das Instrument der Ministererlaubnis in einer immer globaler agierenden Wirtschaft sinnvoll ist. In dem Maße, wie sich Wettbewerbsräume verschoben haben, reichen traditionelle Kontrollinstrumente, wie das deutsche - und vielleicht sogar das europäische Kartellrecht - nicht mehr aus.

Wollen Sie das Kartellrecht verändern?

Das deutsche Kartellrecht muss europäisch formuliert werden, es kann auf die Dauer nicht nationales Recht bleiben. Wettbewerbsrecht muss Antworten haben auf global wachsende Unternehmen. Die Änderung des Kartellrechts steht aber nicht ganz oben auf meiner Agenda der nötigen Veränderungen in Deutschland, auch weil wir da noch Erfahrungen sammeln müssen.

Was steht ganz oben?

Wir leiden darunter, dass alles zerredet wird, dass die Bedenkenträger regieren und die, die für jede Regel Ausnahmetatbestände formulieren. Das macht unsere Gesellschaft intransparent und pessimistisch. Das wichtigste ist, die Transparenz wieder herzustellen: Damit jeder zum Beispiel erfährt, warum ein Gesetz wirklich erlassen oder geändert wird - und nicht wie bisher verschwiemelte Begründungszusammenhänge erfunden werden, die doch niemand glaubt.

Werden Sie das Tariftreuegesetz, das in wenigen Wochen in Kraft treten soll, behalten?

Dieses Gesetz muss - so wie es jetzt ist - verhindert werden. Zum Wettbewerb in diesem Land kann es nicht gehören, dass ostdeutsche Bauunternehmen, die sich mühsam über Wasser halten, westdeutsche Tarifniveaus akzeptieren müssen. Es geht aber auch nicht, dass einige Länder durch Landesgesetze das Durcheinander noch vergrößern. Aus solchen Gesetzen wird Bürokratie und Verdruss geboren. Mit solchen Gesetzen stirbt unternehmerische Initiative, werden wirtschaftliche Kräfte gefesselt. Warum muss bei uns alles geregelt werden?

Warum erlässt man diese Gesetze dann?

Weil man den Gewerkschaften die Einhaltung ihres Tariflohnes gesetzlich garantieren will und dafür den Zusammenbruch vieler Klein- und mittelständischer Unternehmen riskiert.

Wollen Sie die Tarifautonomie abschaffen?

Nein, aber wir brauchen keine zusätzlichen Gesetze, um sie durchzusetzen. Tausende kleine mittelständische Unternehmen in diesem Land haben sich längst mit ihren Mitarbeitern darauf geeinigt, wie sie gemeinsam überleben. Deren Ziel ist es, Geld zu verdienen und die Jobs zu erhalten. Was maßt sich ein Staat an, mit Gesetzen die Interessen von Gewerkschaften und Verbänden zu bedienen und die der Beschäftigten zu negieren. Wo leben wir denn, wenn der Staat einem Unternehmer vorschreibt, wie er sein Unternehmen zu führen hat. Ich glaube, wir müssen uns wieder auf die Realität besinnen. Dasselbe gilt für die Bauabzugssteuer.

Wollen Sie die auch abschaffen?

Selbstverständlich. Die jetzige Bundesregierung redet unentwegt von Aufschwung. Gleichzeitig erlässt sie jedoch Gesetze, die den Gulliver fesseln und wirft ihm dann mit dem Job-Aktiv-Gesetz einige Brocken vor, damit er sich entfalten kann. Zählen Sie den Wust an Formularen, die ein kleiner Unternehmer auszufüllen hat, um einen älteren Mitarbeiter einzustellen. Es ist kein Wunder, dass die Arbeitslosigkeit so hoch ist.

Wären Sie als Wirtschaftsminister denn bereit, bedrohten Unternehmen zu helfen, um dort die Arbeitsplätze zu sichern?

Es kommt darauf an: Ein Unternehmen, das sich am Markt nicht bewährt und dem das Geld ausgeht, dem sollte der Staat nicht helfen. Aber wir müssen auch sehen, dass viele der kleinen Unternehmer im Augenblick überhaupt keine Chance mehr haben, von den Banken Geld zu bekommen. Da muss der Staat klar machen, dass er mit Bürgschaftsinstrumenten hilft, dass die Sparkassen- und Genossenschaftsstruktur die Finanzierung mittelständischer Unternehmen weiter führen kann. Und er muss dafür sorgen, dass die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel die Mittelstandsfinanzierung in Deutschland nicht zerstört.

Würden Sie dem brandenburgischen Luftschiffbauer Cargolifter einen Kredit geben?

Nein. Cargolifter hat eine hohe Subvention erhalten. Das Konzept ist nicht aufgegangen. Warum sollte der Staat nun noch einmal Geld geben, wo doch kein privater Investor an das Unternehmen glaubt?

Als Sie für Jenoptik Geld erhalten haben, haben Sie das nicht so gesehen.

Das stimmt nicht. Wir haben einmal von der Treuhand Geld erhalten und dann nie wieder. In Jena gab es 27000 Mitarbeiter ohne Produkte, mit Millionenhaftungen in aller Welt. Die Treuhand hat mir das Geld gegeben, um die Insolvenz durchzuführen. Zehn Jahre später steht in Jena ein börsennotiertes erfolgreiches Unternehmen. Im Gegensatz zu vielen anderen namhaften ostdeutschen Unternehmen, die jahrelang saniert wurden und doch nicht überlebt haben, haben wir das Geld genutzt. Wir sind das unternehmerische Risiko eingegangen. Eine Chance, die Cargolifter durch Fördergelder auch hatte.

Der Transrapid wird auch gefördert, obwohl die privaten Investoren, die ihn bauen wollen, in Deutschland keinen Kunden finden.

Wer ein Massenverkehrsmittel wie den Transrapid entwickelt, der in Europa dringend gebraucht wird, und dann eine Referenzstrecke in China bauen muss, damit deutsche Bürger und Wälder nicht gestört werden, der muss sich nicht wundern, dass die Konjunktur lahmt. Wir brauchen die Referenzstrecke in Deutschland, um das Produkt erfolgreich verkaufen zu können.

Sie wollen nicht nur Wirtschaftsminister, sondern auch Arbeitsminister werden. Warum?

Weil der Wirtschafts- und der Arbeitsminister denselben Job haben: Sie müssen eine Wirtschaftspolitik machen, die Arbeitsplätze schafft. Dagegen schadet es, wenn der Arbeitsminister gleichzeitig Sozialminister ist, also auch die Rentenpolitik macht. Die Erfahrung lehrt, dass jeder Sozialminister die Sozialpolitik mit der Arbeitsmarktpolitik verquicken will. Und das ist falsch.

Wo wollen Sie älteren Arbeitslosen zu einer neuen Stelle verhelfen?

Indem wir uns sehr genau ansehen, wer auf dem Arbeitsmarkt eine Chance hat und wer nicht mehr. Ich halte nichts davon, einen 57- jährigen in mehreren Fortbildungen, Umschulungen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu demütigen, um ihn dann in den Vorruhestand zu schicken. Gerade ältere Menschen verfügen über eine hohe soziale Kompetenz. In einer alternden Gesellschaft gibt es sehr viele Aufgaben, die Unternehmen nicht leisten werden. Etwa die Betreuung alter Menschen oder Nachbarschaftshilfe oder die Betreuung von Sportplätzen.

Da werden Sie auf Protest der Handwerks-, Industrie- und Handelskammern stoßen, weil Sie reguläre Jobs vernichten.

Mit den Kosten des ersten Arbeitsmarktes können viele soziale Beschäftigungen nicht finanziert werden. Den Streit halte ich aus. Der Fehler des Systems liegt darin, dass wir auf der einen Seite die größtmögliche unternehmerische Freiheit fordern und andererseits immer lauter nach dem Fürsorgestaat rufen. Dazwischen gibt es aber eine ganze Menge. Man muss es nur organisieren.

Der Wirtschaftsminister Späth auf den Spuren Schulze-Delitzschs und Raiffeisens?

Ganz genau. Das Solidarsystem der Genossenschaften ist ein traditionelles deutsches System. Es lohnt sich, diese deutsche Tradition wiederzubeleben. Und wenn der Staat so etwas unterstützt, ist das immer noch billiger, als wenn er die Menschen ohne Aufgaben in den Vorruhestand schickt. Wir brauchen eine klare Trennung von Arbeit im Wettbewerb und marktfreier Beschäftigung.

Und wer einmal aus dem ersten Arbeitsmarkt herausgefallen ist, bleibt dann im genossenschaftlichen Beschäftigungssektor hängen?

Natürlich muss das erste Interesse der raschen Vermittlung von Arbeitslosen in neue Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt gelten. Aber wer dem Wettbewerb in der Wirtschaft nicht standhält, darf nicht ausgegrenzt werden. Für solche Menschen müssen Aufgaben gefunden werden. Auch das Mainzer Modell und andere Versuche gehören dazu. Wir müssen mehr versuchen.

Glauben Sie im Ernst, dass Sie die Interessen von Gewerkschaften oder Arbeitgebern nicht bedienen müssen?

Wohin uns die Harmoniegesellschaft gebracht hat, das sehen wir jetzt. Es verändert sich nichts.

Ist das auch das Ende des Bündnis für Arbeit?

Wenn in den Bündnisrunden über alle Fragen gesprochen werden kann, dann wird es weitere Gespräche geben.

Also auch über die Tarifpolitik?

Ja natürlich. Vielleicht sollten wir vereinbaren, dass es danach keine Pressekonferenzen mehr gibt. Dann werden wir wahrscheinlich eher Ergebnisse sehen als in den bisherigen Klüngelrunden, in denen nicht nur schon vorher feststand, wer die Pressekonferenz gibt, sondern auch, wann sie stattfindet.

Ausgerechnet Sie als der Großmeister der politischen Klüngelei haben etwas gegen Absprachen?

Ja. Ich mache keinen Klüngel mehr. Versprochen.

Das Gespräch führten Antje Sirleschtov und Ursula Weidenfeld

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