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Wirtschaft: „Ich will keine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes“

Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber, Dieter Hundt, über den Streit im Arbeitgeberlager und die Gefahren für den Betriebsfrieden

Herr Hundt, Sie lagen über Monate im tarifpolitischen Clinch mit dem Industriepräsidenten Rogowski und dem Maschinenbaupräsidenten Klingelnberg. Wer hat gewonnen?

Es gab in Einzelfragen zeitweise Meinungsunterschiede, die teilweise auch auf Missverständnisse zurückzuführen waren. Herr Klingelnberg hat sich von mir meine Position ausführlich erläutern lassen und diese anschließend gutgeheißen.

Wie ist das Missverständnis mit BDI-Chef Rogowski entstanden?

Da gibt es keins. BDI und BDA haben in tarifpolitischen Grundsatzfragen eine identische Position. Dass Herr Rogowski bisweilen in Interviews mit seiner persönlichen Meinung etwas weiter geht, ist etwas anderes. Die Positionen von BDI und BDA stimmen überein.

Und wie sehen die aus?

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände will über die Klarstellung des Günstigkeitsprinzips betriebliche Abweichungen von Tarifverträgen zulassen, wenn dadurch Arbeitsplätze gesichert oder neue geschaffen werden.

Dann könnte etwa die Arbeitszeit eines Beschäftigten verlängert oder das Einkommen gekürzt werden. Was aber ist mit dem kollektiven Recht, also der Erleichterung von betrieblichen Bündnissen für die gesamte Belegschaft?

Wir wollen nicht an das Kollektivrecht. Deshalb soll auch das Betriebsverfassungsgesetz unverändert bleiben; eine Änderung des Paragraphen 77 (3) ist realitätsfern und wirtschaftsschädlich. Wichtig ist dagegen die Erweiterung des Günstigkeitsprinzips im Tarifvertragsgesetz. Vom Tarifvertrag darf abgewichen werden, wenn es für den Beschäftigten „günstiger“ ist. Bislang gilt dies aber nur, wenn er weniger arbeitet oder mehr verdient; künftig soll auch die Beschäftigungssicherung eine Rolle spielen.

Was halten Sie von dem Paragraphen 88 (a), mit dem die Union betriebliche Bündnisse im Betriebsverfassungsgesetz aufnehmen will?

Das ist unschädlich, führt aber nicht weiter. Bereits heute sind Abweichungen vom Tarifvertrag möglich, wenn die Tarifparteien zustimmen. Der wesentliche Punkt bei meiner Position zum Günstigkeitsprinzip ist doch, dass dazu nicht die Zustimmung der Tarifvertragsparteien erforderlich ist.

Warum scheuen Sie davor zurück, auch den Betrieben mehr Freiheit zu geben?

Ich will keine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, weil das zu Tarifrunden im Betrieb führt. Dann hätten wir in den Betrieben Tarifverhandlungen über Arbeitszeiten und Entgelte. Dies führt zu Koppelungsgeschäften, und die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und der Betriebsfrieden wären gefährdet.

Was meinen Sie mit Koppelungsgeschäft?

Wenn mit dem Betriebsrat Sonderschichten vereinbart werden müssen, weil ein großer Auftrag eingegangen ist, könnte die Zustimmung mit der Forderung nach höheren Entgelten oder kürzeren Arbeitszeiten gekoppelt werden.

Es würde komplizierter in den Betrieben?

Ja. Deshalb sind wir für die branchenweite Regelung der wesentlichen Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit und Entgelt. Dabei wollen wir Öffnungsklauseln mit einer erweiterten Gestaltungsmöglichkeit für die Betriebe. Der Tarifvertrag darf nur ökonomische Mindestbedingungen enthalten.

Wegen der Konjunkturkrise und der Umsetzung des neuen Entgeltrahmentarifs will die IG Metall in diesem Jahr eine reine Lohnrunde. Also keine Chance für eine Tariföffnung?

Das würde ich außerordentlich bedauern. Ich wünsche vielmehr, dass in den Verhandlungen auch die Themen Öffnungsklauseln, erweiterte Gestaltungsspielräume und mehr Flexibilität eine Rolle spielen.

Die Forderung „bis zu vier Prozent“ deutet auf Realismus bei der IG Metall hin.

Diese Beurteilung kann ich nicht teilen. Diese Empfehlung des Vorstands wird der Realität in der Branche nicht gerecht, denn der überwiegende Teil der Firmen befindet sich in einer sehr schwierigen Situation.

Müssen alle länger arbeiten? DIHK-Präsident Braun meint, wenn jeder 500 Stunden im Jahr drauflegt, kommen wir aus der Krise.

Wir werden in Deutschland mehr arbeiten müssen, daran führt kein Weg vorbei. Wir müssen in jedem Unternehmen, an jedem Arbeitsplatz aber vor allem so viel arbeiten, wie es die Beschäftigungslage erfordert. Deshalb plädiere ich für mehr Flexibilität bei der Verteilung und der Dauer der Arbeitszeit. Bei Opel, wo die Arbeitszeit aus konjunkturellen Gründen verkürzt wird, bringen 500 Stunden zusätzlich nichts. In anderen Betrieben kann die Situation aber anders sein.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

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