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Nach der Krise. Die Gewerkschaft fordert sechs Prozent mehr Lohn.

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IG Metall: Heiße Tarifrunde

Leiharbeit in der Stahlbranche: IG Metall will gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Sechs Prozent mehr Lohn sind das erklärte Ziel.

Berlin - Ohne Aussicht auf Erfolg zieht kein Stratege in die Schlacht. Auch nicht die IG Metall, die größte und offensivste deutsche Gewerkschaft. „Wichtige Spiele gehen wir mit einer starken Mannschaft an“, sagt Oliver Burkhard, IG-Metall-Chef von Nordrhein-Westfalen und Verhandlungsführer in den am heutigen Montag beginnenden Stahl-Verhandlungen. Die Gewerkschaft will „in der ersten Tarifrunde der Nachkrisenzeit“, wie Burkhard sagt, sechs Prozent durchsetzen. Das kommt nicht überraschend, denn der Sommeraufschwung bringt den Unternehmen nicht nur gute Zahlen, sondern forciert auch die Erwartungen in den Belegschaften. Dennoch ist diese Tarifrunde eine besondere, denn erstmals will die IG Metall den Einsatz von Leiharbeitnehmer regeln. Das ist ein ebenso ambitioniertes wie umstrittenes Vorhaben. Wenn die IG Metall ihr Ziel erreicht, setzt sie ein Signal für andere Branchen.

Die Gewerkschaften ärgern sich seit Jahren über den Erfolg der Leiharbeit. Derzeit verdienen rund 830 000 Personen ihren Lebensunterhalt in der Zeitarbeitsbranche, nach Schätzungen der IG Metall rund 250 000 davon in ihrem Organisationsbereich. Der Vorwurf an die Arbeitgeber: Mit dem dauerhaften Einsatz der billigen Zeitkräfte würden gut bezahlte Arbeitsplätze in den Betrieben abgeschafft. Wenn die Leiharbeiter nach dem in ihrer Branche gültigen Tarif bezahlt werden, bekommen sie derzeit – sofern für die Arbeit eine Berufsausbildung erforderlich ist – einen Stundenlohn von 8,35 Euro (Osten) beziehungsweise 9,60 Euro (Westen). Viel zu wenig, meint die IG Metall, und möchte Equal Pay durchsetzen: Der in der Firma Schmidt eingesetzte Leiharbeiter bekommt dann den gleichen Lohn wie sein Kollege aus der Schmidt-Belegschaft.

„Es ist ein Unding, dass Menschen für gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden“, sagte der IG-Metaller Burkhard dem Tagesspiegel. Er will nun in den Stahlverhandlungen „Vereinbarungen zur Fairness von Leiharbeitern“ erreichen. Das kann klappen: Von den 85 000 Stahlwerkern in Westdeutschland sind 76 000 Mitglied der IG Metall. Und auf der anderen Seite sind die Reihen überschaubar. Die Stahlbranche wird von einigen Großen dominiert (Thyssen-Krupp, Arcelor, Salzgitter) und gleichzeitig gibt es mit einem aktuellen Anteil von knapp drei Prozent nicht sehr viele Leiharbeiter in der Stahlbranche. Die Arbeitgeber könnten sich also auf eine Regel für die Wenigen einlassen.

Schließlich haben einige Unternehmer bereits eine sogenannte „Besser- Vereinbarung“ mit der Gewerkschaft oder dem Betriebsrat abgeschlossen: Darin ist dann zum Beispiel Equal Pay geregelt, eine Grenze für den Einsatz von Leiharbeitern festgelegt oder die Übernahme von Leiharbeitern in ein festes Arbeitsverhältnis nach einer bestimmten Zeit vorgeschrieben. Anstelle dieser Vereinbarungen in einzelnen Unternehmen, so das Kalkül der IG Metall, könnte man auch einen Tarifvertrag für alle abschließen.

„Ich sehe rein rechtlich dafür keine Möglichkeit“, hält Bernhard Stippelmann, Chef des Arbeitgeberverbandes, Stahl dagegen. Sein Verband lege mit der IG Metall die Arbeitsbedingungen für „die Arbeitnehmer in unseren Unternehmen fest“, nicht aber für die Arbeitnehmer in der Zeitarbeitsbranche. Selbst wenn man wollte, „die rechtlichen Hürden“ für einen Tarifvertrag für Zeitarbeiter seien zu groß. „Mit dem politischen Willen lassen sich auch die vertraglichen Grundlagen finden“, meint dazu der Stippelmann-Kontrahent Burkhard.

Die IG Metall kann sich zum Beispiel einen Ausbau der betrieblichen Mitbestimmung vorstellen: Die Betriebsräte sollen mitentscheiden dürfen, wer als Zeitarbeitnehmer eingestellt werden darf. Das könnte dann zum Beispiel auf Equal Pay hinauslaufen: Die Betriebsräte stimmen einer Einstellung nur dann zu, wenn der Leiharbeiter unter denselben Bedingungen arbeitet wie seine Kollegen in dem Betrieb, der ihn ausgeliehen hat.

„Fairness ist das Gebot der Stunde für die Stahlbranche“, sagte der zweite Vorsitzende der IG Metall, Detlef Wetzel, dem Tagesspiegel. „Immer mehr Unternehmen missbrauchen die Leiharbeit zum Lohndumping und wollen Tarifverträge unterlaufen.“ Aber ob das die Stahlwerker, also die Mitglieder der IG Metall auch bewegt? Die Gewerkschaft will sechs Prozent mehr Geld haben für ihre Leute und dazu eine Regelung für die Leiharbeit. Das kostet auch Geld. Anders gesagt: Wenn sich die Arbeitgeber auf einen Tarif für den Einsatz von Leiharbeitern einlassen, tun sie das nur gegen Zugeständnisse der IG Metall bei den Lohnprozenten. Die Gewerkschaftsmitglieder müssten also verzichten zugunsten der Leiharbeiter. Eine spannende Tarifrunde. Alfons Frese

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