zum Hauptinhalt
Alternative Taxifahrer. Zuwanderer müssen oft unter ihrer Qualifikation arbeiten. Dabei sind ihre Kompetenzen gefragt. Foto: ddp

© ddp

Wirtschaft: Im falschen Job Ein neues Gesetz soll Zuwanderern erleichtern, in Deutschland in ihrem erlernten Beruf zu arbeiten. Innerhalb von drei Monaten überprüfen Kammern oder Behörden jetzt ihren Abschluss

Ob die Ärztin aus der Türkei, der Kfz-Mechatroniker aus Kroatien oder die Friseurin aus Russland – sie alle könnten ab dem 1. März von einer neuen Regelung profitieren.

Ob die Ärztin aus der Türkei, der Kfz-Mechatroniker aus Kroatien oder die Friseurin aus Russland – sie alle könnten ab dem 1. März von einer neuen Regelung profitieren. Denn dann tritt das so genannte Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen, kurz BQFG, in Kraft. Anfang November wurde es im Bundesrat verabschiedet. Das Gesetz soll dafür sorgen, dass die im Ausland erworbenen Berufsausbildungen von hunderttausenden Zuwanderern in Deutschland künftig schneller anerkannt werden.

Die neue Regelung soll Migranten den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern und verhindern, dass gut ausgebildete Fachkräfte als unqualifizierte Hilfsarbeiter ihr Geld verdienen müssen. Und sie soll dem Fachkräftemangel in deutschen Firmen entgegenwirken.

Für Zuwanderer ändert sie einiges: Sie haben nun einen Rechtsanspruch darauf, dass ihr im Heimatland erworbener Abschluss in einem Anerkennungsverfahren auf Gleichwertigkeit geprüft wird; und das innerhalb von drei Monaten. Allerdings tritt diese Frist erst 2013 in Kraft: Den Behörden soll genügend Zeit eingeräumt werden, sich auf die erwarteten bis zu 300 000 Anträge einzustellen. Stimmt die Qualifikation mit den deutschen Anforderungen nicht überein, werden zumindest die im Ausland erworbenen Kenntnisse bescheinigt.

Für den Antrag sind jedoch einige Voraussetzungen zu erfüllen. Zum einen muss die Ausbildung abgeschlossen sein. Zum anderen, darauf weist das Bundesbildungsministerium hin, muss die im Ausland durchgeführte Ausbildung mit einer entsprechenden inländischen vergleichbar sein. Gibt es also keinen entsprechenden Beruf in Deutschland, kann ein Beruf auch nicht anerkannt werden.

SO GEHT’S

Je nach Berufszweig und Abschluss sind andere Behörden oder Einrichtungen Ansprechpartner (siehe Kasten).

Wer einen Beruf erlernt hat, der in Deutschland dual, in Schule und Betrieb, gelehrt wird, muss sich für das Verfahren nicht mehr wie bisher an die Senatsverwaltung für Integration und Arbeit wenden. Für Bürokaufleute, Industriekaufleute oder Einzelhandelskaufleute etwa ist demnächst die Industrie- und Handelskammer (IHK) Ansprechpartner. „Wir beraten, nehmen Anträge entgegen und leiten diese dann an die zentrale Stelle in Nürnberg weiter, die als Zusammenschluss der beteiligten IHK über die Anträge entscheidet“, erklärt die Referentin für Bildungspolitik, Kathrin Tews.

In Nürnberg werde der Antrag geprüft. Ist der ausländische Abschluss einem vergleichbaren Abschluss in Deutschland gleichwertig, erhält der Antragsteller einen Bescheid, der dies dokumentiert. Fällt die Antwort negativ aus, bescheinigt die zentrale Stelle, welche Qualifikationen im Vergleich zum deutschen Referenzberuf vorhanden sind und welche fehlen. „Damit soll der Antragsteller konkret erfahren, in welchen Bereichen er sich noch nachqualifizieren kann“, sagt Tews. Wie und wo er sich am besten weiterbildet, dazu berät, neben anderen Institutionen, wieder die IHK in Berlin.

WAS MAN BELEGEN MUSS

Für die Anerkennung sind diverse Nachweise nötig. Für einen Antrag bei der Berliner Handwerkskammer müssen Optiker, Bäcker, Tischler oder Friseure Kopien ihres Ausweises, ihrer Zeugnisse und ihrer Berufsabschlüsse vorlegen – ins Deutsche übersetzt und beglaubigt. Je nach Berufszweig ist auch eine Absichtserklärung über die künftige Erwerbstätigkeit erforderlich.

Außerdem werden für den Antrag Gebühren fällig. Wie hoch diese ausfallen, hängt davon ab, wie aufwändig die Prüfung ist. Wie viel Euro Antragsteller dann konkret zu zahlen haben, stehe aber bisher noch nicht fest, sagt die Referatsleiterin für Bildungsberatung bei der Handwerkskammer (HWK), Katharina Schumann. Wie die IHK entscheidet die HWK, ob ein Abschluss etwa einem deutschen Gesellenbrief entspricht. Ist das nicht der Fall, schlägt auch sie Weiterbildungskurse vor. „Fehlen etwa einem Metallbauer oder Schlosser Kenntnisse im Schweißen, empfehlen wir einen entsprechenden Lehrgang“, sagt Schumann. Eine Verpflichtung, an diesen Kursen teilzunehmen, besteht laut Gesetz aber nicht.

BERUFE OHNE RECHTSANSPRUCH

Bei akademischen Berufen gibt es eine Reihe von Ausnahmen hinsichtlich des Anerkennungsverfahrens. Wer einen Beruf hat, der in die Verantwortung des Bundes fällt, wie etwa Arzt oder Apotheker, stellt seinen Antrag beim Landesamt für Gesundheit und Soziales. Wegen des größeren Aufwandes bei der Überprüfung, ist in diesen Berufen mit einer Bearbeitungszeit von vier Monaten zu rechnen.

Für Berufe, für die nicht der Bund, sondern die Länder zuständig sind, wie Erzieher, Ingenieur oder Architekt, gilt das neue Gesetz dagegen nicht. Mit einem Abschluss in diesen Berufen hat man keinen Anspruch auf ein Anerkennungsverfahren. Die Bildungsministerin Annette Schavan rät den Ländern aber in diesen Berufen ähnliche Modelle einzuführen.

Das Gesetz bringt eine weitere wichtige Neuerung auf den Weg. In vielen Berufen war die Berufsausübung und der Zugang zu den entsprechenden Anerkennungsverfahren bisher an die deutsche Staatsangehörigkeit oder die eines EU-Mitgliedsstaates gekoppelt. Für eine Vielzahl von Berufen, zum Beispiel für Lehrer, wird diese Verknüpfung des Berufszugangs an die deutsche Staatsangehörigkeit nun abgeschafft. Ausschlaggebend, so heißt es im Gesetz, soll künftig der Inhalt und die Qualität der Berufsqualifikationen sein – und nicht die Staatsangehörigkeit oder die Herkunft.

„Für Berlin ist das Anerkennungsgesetz ein Gewinn“, sagt IHK-Referentin Tews. Viele Unternehmen seien daran interessiert, das Potenzial von Fachkräften mit ausländischen Bildungsabschlüssen zu nutzen. Gerade in der Baubranche, in der Gastronomie und in der Industrie werde es immer schwerer, offene Stellen adäquat zu besetzen. Das könnte sich jetzt ändern.

Zur Startseite