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Wirtschaft: Im Freiverkehr an den Häusern in Berlin und München geht es nicht immer sauber zu

Nicht nur wegen seines Namens - in den Augen der Anleger wirkte Uwe Sonnenrein auf den ersten Blick vertrauenserweckend. Diese Mischung aus großem, neugierigem Jungen und korrektem Geschäftsmann kommt an.

Nicht nur wegen seines Namens - in den Augen der Anleger wirkte Uwe Sonnenrein auf den ersten Blick vertrauenserweckend. Diese Mischung aus großem, neugierigem Jungen und korrektem Geschäftsmann kommt an. Der 49-Jährige mit dem leicht verlegenen Lächeln trägt einen modischen Kurzhaarschnitt und einen gepflegten Schnurrbart. Wenn er auftritt, dann ganz gentlemanlike, im dunklen Business-Anzug mit Weste.

Gerne spricht der Ingenieur für angewandte Systemtheorie davon, dass die Versorgung der Weltbevölkerung mit Frischfisch künftig "dramatisch" knapp werde. Und dass seine hochmodernen Fischzuchtanlagen die Lücke füllen werden, mit entsprechend hohem Gewinn. Wenn er dann noch mit beeindruckenden Zahlen seiner Aquaplan Inc. jongliert - wer sollte da noch Schlechtes von dem Unternehmer aus dem ostwestfälischen Delbrück denken?

Viele Anleger sehen ihn inzwischen anders. Von den satten Millionenaufträgen und dicken Gewinnen, die Sonnenrein ihnen noch vor acht Monaten vollmundig versprach, ist keine Rede mehr. Zahlen für das laufende Jahr lässt der sonst so mitteilsame, unermüdliche Aqua-Tüftler nur in wohldosierten Portionen heraus.

Die Folge: Der Kurs im Berliner Freiverkehr ist abgestürzt. Von ehemals über acht Euro sackte er tiefer und tiefer. Heute dümpelt er bei einem Euro herum. "Das ist ein Skandal, wie sich der Kurs entwickelt hat", schimpft ein Aktionär, der nicht genannt werden möchte.

Die Anleger fürchten um ihr Geld. Offensichtlich haben sie die Gefahr deutlich unterschätzt. Sie haben in einer Nische des Aktienhandels investiert, in der die Freiheiten so groß sind wie die Risiken: Wild-West an der Börse. Aquaplan ist wie mehrere Tausend weiterer Werte nicht im amtlichen Handel und nicht am Neuen Markt notiert, sondern im Freiverkehr in Berlin und München.

"Der Berliner Freiverkehr ist der Wertpapiermarkt mit den liberalsten Zulassungsbedingungen in Deutschland", erklärt Charles van Musscher von der Berliner Freiverkehr Aktien Handels AG. Das Unternehmen ermittelt den Großteil der Kurse für die inzwischen über 7000 Papiere, die dort gehandelt werden. Täglich kommen neue Titel hinzu, vor allem viele aus den USA.

Das hat einen einfachen Grund: Unternehmen, die bereits an einer Börse jenseits des Atlantiks notiert sind, erhalten in Berlin leicht eine Zulassung. Das US-Listing gilt quasi als Eintrittskarte für die Bundeshauptstadt. Auch deutsche Firmen versuchen, diesen Mechanismus für sich zu nutzen, um schnell und preiswert den Sprung an die Börse hier zu Lande zu schaffen.

Beispiel Aquaplan: Am 7. Dezember vergangenen Jahres wurde das Unternehmen in die Amee Inc. eingebracht, die am sogenannten OTC Bulletin Board der US-Technologiebörse Nasdaq notierte. Daraus entstand die Aquaplan Inc. Schon einen Tag später verkündete die Berliner Freiverkehr AG unter der Überschrift "Biotechnologie aus Deutschland", dass Aquaplan am 9. Dezember in den Berliner Freiverkehr eingeführt wird.

Durch diesen Trick sind Firmen an deutsche Börsen gelangt, die weder in den USA noch hier einer strengen Überwachung unterliegen. Sie müssen keine Quartalsberichte veröffentlichen und auch wichtige Veränderungen in ihren Unternehmen nicht unverzüglich bekannt geben.

Die deutschen Regionalbörsen bemühen sich jetzt offenbar, einige dieser Firmen auszusortieren. Denn sie werfen ein schlechtes Licht auf die anderen US-Werte im Freiverkehr, die zum größten Teil an der angesehenen Technologiebörse Nasdaq notieren und deshalb der Wertpapieraufsicht unterliegen.

So verbannte Stuttgart die letzten beiden Aktien der amerikanischen Telefonbörse OTC Bulletin Board, Turbodyne und Eurogas. Berlin nimmt nach eigenen Angaben aus diesem Marktsegment nur noch Firmen auf, die in den USA regelmäßig an die Wertpapieraufsicht berichten. Und Düsseldorf hat die Messlatte für ausländische Firmen, die in den Freiverkehr drängen, seit Mai angehoben.

Die Auswahl dürfte den deutschen Börsen künftig leichter fallen. Der Grund: Die Amerikaner räumen derzeit im OTC Bulletin Board kräftig auf. "Alle dort gehandelten Firmen müssen künftig Quartalsberichte vorlegen", weiß Freiverkehrs-Spezialist Musscher.

Wer diese Anforderungen nicht erfüllt, der landet in den so genannten Pink Sheets. Das ist nicht mehr als ein internetgestützter Notierungsdienst, für den so gut wie keine Auflagen gelten. In dieser Abteilung ist ab 2. September auch Sonnenreins Aquaplan zu finden.

Hat das Konsequenzen für das Listing im Berliner Freiverkehr? Zunächst einmal nicht, heißt es aus der Börsenverwaltung der Bundeshauptstadt. Noch ist in Berlin die Frage ungeklärt, wie Firmen behandelt werden sollen, die an der US-Telefonbörse ausgelistet werden. Aquaplan ist also weiter im Angebot.

Georg Weishaupt

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