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Wirtschaft: Im Kühlschrank brennt noch Licht

Darf’s ein bisschen weniger sein? Die neuen Diäten und Schlankheitsmittel laden zum fröhlichen Abnehmen ein

Am Anfang steht meistens der Schock. Die Lieblingshose, die in der letzten Saison noch gepasst hat, kneift plötzlich. Vier Treppen waren früher kein Problem. Jetzt ist da Atemnot. Um die Waage hat man auch schon ein paar Monate lang einen größeren Bogen geschlagen. Das Problem hatte auch Harry Wijnford, Ex-Moderator der Sendung „Glücksrad“. Er war es, der die erste Slim-Fast-Generation mit charmantem niederländischen Akzent ansprach: „Endlich habe ich es geschafft.“ Der angeblich mit Slim-Fast erheblich dünner gewordene Wijnford warb mit großem Erfolg für den Abnehm-Shake und machte die Marke in Deutschland bekannt. Inzwischen produziert Slim-Fast jedoch mehr als die süßen Schüttelgetränke in den praktischen Dosen – es gibt Snack-Riegel, Suppen, die nur noch mit heißem Wasser angerührt werden müssen, und seit neuestem auch drei herzhafte Pasta-Variationen mit Tomaten-, Carbonara- und Fiorentinageschmack. Und der schnauzbärtige Harry Wijnford wurde in seiner Eigenschaft als Werbeträger von jungen, strahlenden Hausfrauen ersetzt – bei Slim-Fast heißt Abnehmen schließlich nicht mehr Abnehmen, sondern Gewichtsmanagement.

Die Grenzen sind fließend geworden zwischen Light- und Diät-Produkten, Gesundheits-Lebensmitteln mit zugesetztem Vitaminkomplex und ganzheitlichen Produktserien wie Slim-Fast. Es gibt Appetitzügler, Entwässerungskuren, Fastenreisen mit Esoterik-Begleitprogramm, teure Hollywood-Diäten, Trennkost-Wochen, Sauerkraut-Saft- Wochenendkuren. Eines ist jedoch neu: Abspecken soll Spaß machen, einem Schönheitsideal hinterher zu hungern ist out – erst recht, seitdem selbst das Model Kate Moss wieder ein bisschen mehr Speck auf den Rippen hat. Es gilt, das Wohlfühlgewicht zu finden und zu halten, ein aktives Leben zu führen. Mal über die Stränge zu schlagen ist okay, wenn man die kleinen Sünden am Tag darauf mit gesunder Nahrung ausgleicht. Die Werbeagentur Grey nennt dieses Lebensgefühl „die neue Authentizität“.

Auch ins Lätta-Land darf nichts eingeführt werden, was nach Zwang und verbissenem Hungern schmeckt. Schon gar nicht, seit es die Halbfett-Margarine auch als Lätta Hoch2 mit Vitactiv- Punkten gibt. Die Vitactiv- Punkte, die man sogar mit bloßem Auge erkennen kann, sollen aus Lutein, Lykopin und Vitamin E bestehen. „In Kombination mit Fetten nimmt der Körper Vitamin E besonders gut auf“, erklärt eine Unilever-Sprecherin. Seit Jahren sehr beliebt sind neben Lätta auch die Produkte der Marke „Du darfst“. Doch auch „Du darfst“ propagiert mittlerweile einen neuen Typus Frau: zufrieden, selbstbewusst – trotz Minimal-Macken. „Du darfst“ bietet so gut wie den ganzen Inhalt einer konventionellen Kühltheke auch als Light-Version mit weniger Fett an: Feinkostsalate, Wurst und Käse. „Der Light-Begriff ist allerdings nicht gesetzlich geschützt“, warnt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Deshalb sei es wichtig, die Deklaration der Inhaltsstoffe ganz genau unter die Lupe zu nehmen und auf versteckte Fette und Zuckerzusätze zu achten. Wer einfach nur weniger essen will und Light-Produkten nicht vertraut, kann sein Glück zum Beispiel mit dem neuartigen AgioSlim von Madaus (rezeptfrei in der Apotheke) versuchen. Das Pulver besteht aus natürlichen Ballaststoffen, schmeckt nach Orange oder Wildbeere und wird – in Wasser aufgelöst – unmittelbar vor den Hauptmahlzeiten eingenommen. Im Magen quillt AgioSlim auf, so dass ein lang anhaltendes Sättigungsgefühl entstehen soll. „Das Mittel eignet sich für Menschen, die kurzzeitig abnehmen wollen, ohne ihre Ernährung komplett umzustellen“, heißt es bei Madaus. Die DGE meint dazu: „Schlankheitspräparate zum Abnehmen schmälern eher den Geldbeutel als die Taille.“ Eine Gewichtsabnahme lasse sich nicht mit Blitzdiäten, Pülverchen oder Appetitzüglern erzwingen. Sobald der Appetitzügler abgesetzt werde, steige das Körpergewicht wieder an. „Wer sein Gewicht langfristig reduzieren will, kann dies am besten durch fett- und energiereduzierte Mischkost kombiniert mit regelmäßiger Bewegung erreichen.“ Daran glaubt auch die Diät-Expertin Marion Grillparzer, von der mehrere Ratgeber im Gräfe und Unzer-Verlag erschienen sind. Ihr jüngstes Werk heißt Glyx-Diät (16,90 Euro). Will heißen: Lebensmittel mit einem niedrigen glykämischen Index sollen den Blutzuckerspiegel konstant halten und somit den nächtlichen Kühlschrankbesuch verhindern. Als Fitness-Programm legt Frau Grillparzer ihren Lesern täglich zwanzig Minuten Trampolinspringen nahe – wer nicht zufällig in einer Turnhalle wohnt, kann für 167 Euro plus Versandkosten ein Minitrampolin unter www.fidolino.com bestellen.

Was schon Sean Connery und Karl Lagerfeld probiert haben, kann ja nicht schlecht sein. Damit wirbt Marion Grillparzer für eine weitere Idee aus ihrer Diät-Küche, die Magische-Kohlsuppe-Diät (Gräfe und Unzer, 5,90 Euro). Hört sich schlimm an, soll aber helfen: Fünf Kilo in sieben Tag können mit dem Genuss von selbst gekochten Zaubersuppen verschwinden, glaubt Grillparzer. „Wenn Sie unterwegs sind, nehmen Sie eine Thermoskanne voll Suppe mit.“ Damit der Sud auch schmeckt, hat die Autorin berühmte Köche wie Eckart Witzigmann (asiatische Variante), Kolja Kleeberg (mediterran) und Christian Lohse (nordafrikanisch) um Rezepte gebeten.

Nach den Weight Watchers vielleicht die beste Erfindung: Seit kurzer Zeit kann man seinen persönlichen Diät- und Fitnesscoach im Internet treffen. Die Ernährungsberater von www.xx-well.com ermitteln mit Hilfe eines detaillierten Fragebogens Schwachstellen und ein individuelles Programm mit exakten Wochenplänen. Zwischendurch schicken die xx-well.com-Mitarbeiter euphorische Motivations- oder freundliche Tadelmails. Außerdem ist alles lustig verpackt, es gibt unter anderem einen Nährstoffdichte-Krimi: „Lösen Sie den Fall der versteckten Fette.“ Nachteil: Niemand kontrolliert, ob man bei den Angaben flunkert. Die Stiftung Warentest beurteilte die Seite trotzdem mit „sehr gut“.

Esther Kogelboom

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